…so liest sich der „Schwerpunkt“ (hier geht es zur PDF-Datei), den die Stiftung Grundeinkommen veröffentlicht hat. Das Anliegen ist ehrenwert, die BGE-Debatte solle auf der Basis wissenschaftlich belegbarer Erkenntnisse geführt werden, doch Erkenntnisse welcher Art, gewonnen mit welchen Methoden? Und gibt es denn bislang gar keine Erkenntnisse, die genutzt werden könnten?
Zwar werden in der Stellungnahme in einem Schaubild auch „(Einzel-)Fallstudien und qualitative Untersuchungen“ erwähnt, in der Bewertung solcher Verfahren steht dann:
„Trotz empirischen Charakters nur wenig belastbare Diskussions- und Entscheidungsgrundlage aufgrund von geringem Stichprobenumfang und fehlender statistischer Analysen“
Diese Bewertung kann nur vollzogen werden, wenn ein Begriff von Empirie vorausgesetzt wird, der sich am Verständnis standardisierter Verfahren (Statistik) orientiert, die „empirische Generalisierungen“, nicht aber „Strukturgeneralisierungen“ zu erreichen erlauben (zu diesem Unterschied eine sehr differenzierte Darstellung z. B. hier. Weitere Ausführungen zu diesem Komplex hier und hier).
Dass solche Differenzierungen dem Laien wenig bekannt sind und in der Öffentlichkeit kaum eine Rolle spielen, ist der Dominanz standardisierter Verfahren in den Sozialwissenschaften zuzurechnen. Wissenschaftsjournalisten scheinen damit auch zu wenig vertraut. Wer sich allerdings mit der Thematik etwas befasst, wird schnell feststellen, dass es eine etliche Jahrzehnte andauernde, differenzierte Kritik an standardisierten Verfahren und ihren Grenzen gibt, aus der heraus sehr elaborierte Ausführungen zur Methodologie nicht-standardisierter Verfahren entstanden sind, hier im weitesten Sinne interpretative bzw. fallrekonstruktive Verfahren. Diese haben nichts mit subjektiver Beliebigkeit zu tun, sondern sind – wenn ernsthaft durchgeführt – lebensnäher und anspruchsvoller bezüglich der Geltung ihrer Aussagen, als es bei standardisierten Verfahren der Fall ist.
Sascha Liebermann