…von Andreas Peichl, Ronnie Schöb, Christian Waldhoff und Alfons Weichenrieder in der Wirtschaftswoche.
Die Autoren antworten auf einen Beitrag Thomas Straubhaars, in dem er sich zur Machbarkeit eine BGEs zustimmend äußerte, denn sie teilen diese Einschätzung nicht. Hintergrund der Diskussion ist das kürzlich veröffentliche Gutachten „Bedingungsloses Grundeinkommen“ des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium der Finanzen. Zu den Details der Simulationsmodelle, die zur Beantwortung der Finanzierungsfrage eingesetzt wurden, kann ich mich nicht äußern. Manche Behauptung im Beitrag wirft allerdings Fragen auf, die dann auch wieder an das Gutachten zu richten sind. So heißt es an einer Stelle:
„Die Grenzbelastung des Einkommens steigt sehr wohl durch das bedingungslose Geldverschenken mit der Gießkanne. Und die Grenzbelastung ist für die Finanzierbarkeit entscheidend. Während sich gegen den Bezug des BGE niemand wehren wird, führen die hohen Grenzsteuerbelastungen durch das BGE dazu, dass sich die Steuerzahler händeringend nach Ausweichreaktionen umsehen. Weil die negative Steuer bedingungslos gewährt wird, während man der positiven Steuer ausweichen kann, bricht die Logik des einfachen Gedankenexperiments von Straubhaar in sich zusammen.“
„Geldverschenken mit der Gießkanne“ ist keine nüchterne Betrachtung dessen, worum es geht, sondern eine normative Einschätzung, denn beim BGE geht es um einen Rechtsanspruch und nicht um Geschenke.
Die negative Konnotation, die der Rede von der Gießkanne innewohnt im Sinne einer Gleichmacherei, deutet hier schon eine Richtung an. Auch die Rede davon, sich gegen etwas zu wehren, ist doch ein Griff in die rhetorische Trickkiste, denn gegen Gesetze, ein solches müsste die Bereitstellung regeln, kann man sich nur ernsthaft wenden, indem man versucht dagegen mit Argumenten zu mobilisieren und Mehrheiten zu gewinnen. Dass angesichts der simulierten „hohen Grenzsteuerbelastungen“ „Steuerzahler […] nach Ausweichreaktionen umsehen“, dazu würde man doch gerne die Grundlagen wissen. Da mit dem BGE zugleich ein Einkommen bereitgestellt wird, stellt sich die Grenzbelastung anders dar, als wenn kein BGE bereitgestellt würde. Das ist ein ziemlicher Unterschied. Auf welche Basis, wenn nicht einem der üblichen Anreizmodelle, wird dann auf die Ausweichreaktionen geschlossen? Wie ist es möglich, der positiven Steuer auszuweichen und zugleich ein BGE zu beziehen? Das setzte doch voraus, dass ein BGE in jedem Fall unter allen Umständen auch bei dauerhaftem Aufenthalt im Ausland bezogen werden kann oder wie könnte das sonst gemeint sein? Wieso gehen die Autoren davon aus? Wer vertritt ein solches Konzept? Straubhaar etwa? Dann bezöge es sich nur auf seinen Vorschlag, keineswegs aber auf ein BGE im allgemeinen.
An anderer Stelle heißt es:
„Die sehr hohen Grenzbelastungen des Einkommens, die bei Einführung eines BGE selbst ohne Verhaltensänderungen zur Finanzierung notwendig wären, resultieren auch daraus, dass – anders als von Befürwortern eines BGE mitunter suggeriert wird – nicht alle Positionen des Sozialbudgets zur Gegenfinanzierung verwendet werden können.“
Welche „Befürworter“, die hier ganz pauschal benannt werden, vertreten denn so etwas? Auch diese Behauptung gilt bestenfalls für bestimmte Vorschläge, nicht aber für ein BGE im allgemeinen.
Weiter heißt es:
„Gleiches gilt für Renten- und Pensionszahlungen. Hier handelt es sich um Ansprüche mit eigentumsrechtlichem Charakter. Würde man wiederum den Erhalt des BGE an den freiwilligen Verzicht der Rente oder Pension knüpfen, wäre es ganz offensichtlich kein bedingungsloses Grundeinkommen.“
Hier geht zweierlei durcheinander und es tritt eine eigenwillige Definition von „bedingungslos“ zutage. Die Autoren hätten sich hier leicht kundig machen können, denn mit dem Attribut wird in der Regel in vielen Definitionen Bezug darauf genommen, dass ein Individuum bei Bezug eines BGE keine verpflichtenden Gegenleistungen zu erbringen hat, auch nicht als Voraussetzung für den Bezug. Gar nichts hat das Attribut damit zu tun, dass es nicht politisch gewollte Umgestaltungen sozialstaatlicher Sicherungssysteme geben könnte, es ist nur offen, in welchem Ausmaß. Wenn an den Eigentumsansprüchen nicht gerüttelt würde, wäre es dennoch möglich, den einem BGE entsprechenden Anteil in diese Ansprüche zu integrieren, so dass also die Renten- und Pensionsansprüche anteilig mit dem BGE bedient werden.
Und weiter:
„Damit es überall existenzsichernd ist, muss es daher einer Bremerin so viel zahlen, dass sie sich auch in München eine Wohnung leisten könnte. Und das BGE ignoriert auch die Haushaltsgröße. Paare bekommen genauso viel wie zwei Singles mit viel höheren Wohnkosten. Diese Ignoranz macht es teurer.“
Wessen Ignoranz? Die der Autoren oder „der Befürworter“? Wer sich ein wenig mit der BGE-Diskussion beschäftigt, wird darum wissen, dass die Frage, ob es ein regional angepasstes BGE geben sollte oder nicht, eine der Standardfragen ist. Da die Bereitstellung eines BGEs keineswegs ausschließt, noch Wohngeld vorzuhalten, würde die Frage schon beantworten. Und in der Tat hängen die Möglichkeiten, die es schafft, von der Kaufkraft ab, die mit einem dann zu definierenden Betrag gegeben wäre. Es stellt sich aber, das räumen die Autoren ein, die Lage für Mehrpersonenhaushalte ganz anders dar als für Einpersonenhaushalte. Eben, die einen bräuchten womöglich Wohngeld, die anderen nicht. Das ist ein Gemeinplatz in der Debatte.
„Ein weiterer Aspekt, den Verfechter eines existenzsichernden BGE gerne vernachlässigen, ist bei den Berechnungen des Beiratsgutachtens noch gar nicht enthalten. Es ist aber von eminenter Bedeutung: die Arbeitnehmerfreizügigkeit in Europa. Ein existenzsicherndes Grundeinkommen dürfte ein Magnet für einkommensschwächere EU-Bürger darstellen. Umgekehrt: Viele Leistungsträger, die das BGE zu finanzieren haben, werden sich in andere EU-Länder verabschieden.“
Ist das ernst gemeint? Diese Frage ist eine Selbstverständlichkeit in der BGE-Diskussion, national wie international. Dass manche Befürworter sie übersehen mögen, sei dahingestellt, aber die Debatte im allgemeinen, wie die pauschale Redeweise unterstellt, ist ein ziemlich erstaunliches Statement.
Es mag weit hergeholt sein, doch wenn das Gutachten, das hier zur Diskussion steht, ähnlich präzise ist, wie die Ausführungen in dem Beitrag, dann wäre der Ertrag für die Debatte nicht erheblich. Wozu werden solche Pappkameraden aufgerichtet? Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass in diese „Analyse“ erhebliche Werturteile bzw. spezifische Annahmen Eingang gefunden haben.
Siehe unsere früheren Kommentare zur Debatte hier.
Sascha Liebermann