Die Zeitschrift Merkur hat einen Beitrag Axel Honneths mit diesem Titel veröffentlicht, dabei handelt es sich um einen Auszug aus seinem neuen Buch „Der arbeitende Souverän“. Da der Beitrag sich hinter einer Bezahlschranke befindet, kann hier nur soviel dazu gesagt werden, dass Honneth – wie schon in anderen Ausführungen – die entscheidende und für alles bestimmende Form sozialer Kooperation in der Erwerbsteilnahme (Arbeitsteilung) erblickt. Ein BGE führe folglich dazu, diese Kooperationserfahrung nicht zu machen bzw. gar den Zusammenhalt im Gemeinwesen zu gefährden, weil ja niemand mehr am Erwerbsleben teilnehmen müsse (eine Pflicht sieht er nicht vor). Welche Solidarerfahrungen in familialen Beziehungen, im bürgerschaftlichen Engagement und als Bürger eines Gemeinwesens gemacht werden, entgeht Honneth vollkommen, ohne zu erklären, weshalb er sie nicht einbezieht. Die sogenannte unbezahlte Arbeit fehlt völlig in dem Beitrag. An etlichen Stellen hat man den Eindruck, dass der Bürger als vereinzeltes, geradezu atomisiertes Wesen verstanden wird, das jeweils erst eine Kooperationserfahrung machen müsse und es dazu der Erwerbstätigkeit bedürfe, obwohl die entscheidenden Erfahrungen, die überhaupt jemanden erst befähigen, später an erwerbsbezogenen Kooperationen teilzunehmen, gerade nicht in Erwerbsverhältnissen gemacht werden. Die Bedeutung der Sozialisation hierfür taucht in dem Beitrag überhaupt nicht auf, vielleicht ist das im Buch an anderer Stell der Fall. Ingesamt überrascht doch die Einseitigkeit und reduktionistische Betrachtung politischer Vergemeinschaftung, in der es ja nicht bloß um einen Rechtsstatus geht, sondern um ein Lebensgefüge sozialer Praxis, eine Gemeinschaftsbildung eben.
Denjenigen, die argumentieren, die politische Vergemeinschaftung der Bürger sei neben familialen Beziehungsgefügen die einzige Form umfassender Anerkennung der Person um ihrer selbst willen, wirft er vor, eine „blühende Phantasie[…]“ zu haben. Dass gerade dieser umfassenden Anerkennung wegen ein BGE geboten sein könnte und aufgrund der elementaren Kooperationserfahrungen außerhalb der Erwerbstätigkeit der Zusammenhalt möglich ist, scheint ihm unvorstellbar. Mit dem Verweis auf die Marienthal-Studie (siehe auch hier) und den Folgen von Erwerbslosigkeit attestiert er dem BGE, darauf keine Antwort zu haben (wie Dahrendorf es durchaus auch getan hat). Dabei übergeht er in den Ausführungen, die Folgen, die auch die Studie diagnostiziert, zu begründen. Positivistisch schließt er einfach auf den Stellenwert von Erwerbstätigkeit, ohne zu berücksichtigen, dass dieser nicht naturgegeben ist, sondern aufgrund seiner normativen Aufladung die Folgen hat, die die Studie beschreibt. Wird aber der normative Vorrang von Erwerbstätigkeit vom Sockel gestoßen und durch ein BGE deutlich gemacht, dass die Anerkennung der Person nicht an der Erwerbstätigkeit hängt, wie es in der Verfasstheit der Demokratie schon deutlich wird („Die Würde des Menschen…“), würde die strukturelle Stigmatisierung derer, die nicht erwerbstätig sind, verschwinden. Es überrascht, dass er diesen Zusammenhang nicht sieht, da doch der Stellenwert von Erwerbstätigkeit ein historisch junges Phänomen ist.
Ein vertiefte und empirische gesättigte Auseinandersetzung mit Honneths doch eher sozialphilosophischen Ausführungen bietet die Habilitationsschrift Ute Fischers, in der sie sich mit Honneths „Kampf um Anerkennung“ und dem darin ausgeführten Verständnis von Individualität und Gemeinschaft befasst und es entsprechend kritisiert hat.
Sascha Liebermann