„Der Souverän wird entmündigt“…

…eine Besprechung (Bezahlschranke) des neuen Buches von Axel Honneth mit dem Titel „Der arbeitende Souverän“ von Gerald Wagner in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Hier sei der Schlusspassus zitiert:

„Es ist Axel Honneth zugutezuhalten, dass er die Aufmerksamkeit der politischen Öffentlichkeit auf die Verbesserung der Arbeitsverhältnisse lenken möchte – und damit weg von den dominierenden Kämpfen der Identitätspolitik. Er bräuchte diese Verhältnisse aber nicht so darzustellen, als schufteten die meisten noch so wie bei Engels die arbeitenden Klassen in England. Er entmündigt den Souverän damit in seiner Theorie mehr, als es die herrschenden Verhältnisse in der Wirtschaft je könnten. Honneth will in seiner Theorie Wirtschaft und Demokratie wieder zusammendenken. Sein Buch wirft aber die Frage auf, wie man Philosophie und empirische Sozialforschung zusammendenken sollte. Der eigene normative Ausgangspunkt als Sozialphilosoph sollte nicht dazu führen, dass man zu viel Empirie einfach ignoriert. Leider ist das Buch in großen Teilen von diesem Verfahren ge­prägt.“

Siehe meine Kommentare zu Honneths Ausführungen an anderer Stelle hier und hier sowie weitere hier.

Sascha Liebermann

Mündigkeit durch Erwerbsarbeit?

In einem Interview mit Axel Honneth auf Zeit Online (Bezahlschranke) äußert er sich dazu, weshalb er gegen ein Bedingungsloses Grundeinkommen sei, aber auch zum Verhältnis von Erwerbsarbeit und Mündigkeit. Beide Passagen seien hier kommentiert, zu früheren Ausführungen Honneths siehe hier und hier.

„ZEIT ONLINE: Wenn der Mensch Sicherheit und mehr Zeit braucht, um sich zu engagieren, warum sind Sie trotzdem gegen ein bedingungsloses Grundeinkommen?

Honneth: Das Grundeinkommen [sic] aus meiner Sicht ein Mittel zur weiteren Privatisierung des Menschen. Der Einzelne würde sich wahrscheinlich nur noch als Empfänger einer staatlichen Zuwendung verstehen und sich immer weiter aus der sozialen Kooperation ausklinken. Das Grundeinkommen garantiert in keiner Weise, dass das Interesse des Einzelnen an sozialen und politischen Zusammenhängen zunimmt. Ich denke eher, dass es das Gegenteil bewirkt und zu einem immer stärkeren Rückzug in die eigene kleine Welt führt, die aus Gleichgesinnten besteht. Daher verstehe ich auch nicht, woher der Glaube kommt, dass sich durch das Grundeinkommen mehr Menschen politisch engagieren würden. Wenn die Privatisierung zunimmt, erlischt vielmehr die Triebfeder demokratischen Engagements.“

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So widersprüchlich kann es sein,…

…wie Axel Honneth auf der einen Seite die Voraussetzungen herausstellt, derer es bedarf, um sich als Bürger mit öffentlichen Angelegenheiten auch befassen zu können, zugleich aber den Bürgern das grundsätzliche Interesse daran abspricht, sofern sie nicht erwerbstätig sind (siehe auch hier und hier).

Sascha Liebermann

„Arbeite mit, regiere mit“…

Peter Neumann rezensiert auf Zeit Online das neue Buch von Axel Honneth und schreibt am Ende:

„Ein Unbehagen bei der Lektüre bleibt dennoch. Von dem Staatsrechtler und ehemaligen Verfassungsrichter Ernst-Wolfgang Böckenförde ist das berühmte Diktum überliefert, dem zufolge der moderne, freiheitliche, säkularisierte Staat von Voraussetzungen lebt, die er selbst nicht garantieren kann. Auch ihm möchte Honneth nun ausdrücklich widersprechen, wenn er sagt, dass der Staat durch die Gestaltung der Arbeitsbedingungen durchaus darauf einwirken kann, ihm zuwiderlaufende Verhaltensmuster in der Gesellschaft zu unterbinden. Etwa indem er zu „staatlichen Dienstverpflichtungen“ greift, die eine „zeitlich befristete Einschränkung“ unserer liberalen Freiheiten zulassen, beispielsweise wenn es um gemeinwohlorientierte Tätigkeiten in der Kindererziehung, der Alten- und Krankenpflege geht. Ob aber so ein starker Staat, den Honneth sich wünscht, noch viel mit der Souveränität seiner arbeitenden Subjekte zu tun hat, möchte man am Ende eines langen Arbeitstags dann doch gerne wissen.“

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„Politiken der Arbeit“

Die Zeitschrift Merkur hat einen Beitrag Axel Honneths mit diesem Titel veröffentlicht, dabei handelt es sich um einen Auszug aus seinem neuen Buch „Der arbeitende Souverän“. Da der Beitrag sich hinter einer Bezahlschranke befindet, kann hier nur soviel dazu gesagt werden, dass Honneth – wie schon in anderen Ausführungen – die entscheidende und für alles bestimmende Form sozialer Kooperation in der Erwerbsteilnahme (Arbeitsteilung) erblickt. Ein BGE führe folglich dazu, diese Kooperationserfahrung nicht zu machen bzw. gar den Zusammenhalt im Gemeinwesen zu gefährden, weil ja niemand mehr am Erwerbsleben teilnehmen müsse (eine Pflicht sieht er nicht vor). Welche Solidarerfahrungen in familialen Beziehungen, im bürgerschaftlichen Engagement und als Bürger eines Gemeinwesens gemacht werden, entgeht Honneth vollkommen, ohne zu erklären, weshalb er sie nicht einbezieht. Die sogenannte unbezahlte Arbeit fehlt völlig in dem Beitrag. An etlichen Stellen hat man den Eindruck, dass der Bürger als vereinzeltes, geradezu atomisiertes Wesen verstanden wird, das jeweils erst eine Kooperationserfahrung machen müsse und es dazu der Erwerbstätigkeit bedürfe, obwohl die entscheidenden Erfahrungen, die überhaupt jemanden erst befähigen, später an erwerbsbezogenen Kooperationen teilzunehmen, gerade nicht in Erwerbsverhältnissen gemacht werden. Die Bedeutung der Sozialisation hierfür taucht in dem Beitrag überhaupt nicht auf, vielleicht ist das im Buch an anderer Stell der Fall. Ingesamt überrascht doch die Einseitigkeit und reduktionistische Betrachtung politischer Vergemeinschaftung, in der es ja nicht bloß um einen Rechtsstatus geht, sondern um ein Lebensgefüge sozialer Praxis, eine Gemeinschaftsbildung eben.

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Eine Verwechslung,…

… denn nirgendwo ist der Einzelne so austauschbar wie in der Erwerbsarbeit. Im Gemeinwesen hingegen ist er es als Bürger nicht. Die einzige Integration, die in Erwerbstätigkeit möglich ist, ist die in ein Leistungsethos, das aber aufgabenbezogen und nicht an die Person gebunden ist. Das zu verwechseln eröffnet eine weitreichende Einsicht in Honneths Demokratieverständnis. Siehe auch hier.

Sascha Liebermann

„Arbeitender Souverän“ – alles beim Alten…

…, so scheint es bei Axel Honneth. Siehe unsere früheren Auführungen dazu hier.

Sascha Liebermann

„Der arbeitende Souverän“ – oder: zur Verkürzung von Autonomie durch die Brille der Arbeitsgesellschaft…

…so ließe sich ein Beitrag des Sozialphilosophen Axel Honneth mit dem Titel „Der arbeitende Souverän“, den die taz veröffentlicht hat, übertiteln. Es geht darin um das Verhältnis von Demokratie bzw. demokratischer Willensbildung und der Bedeutung von Erwerbstätigkeit. Nachdem ich schon angefangen hatte, den Beitrag zu kommentieren, habe ich nun aufgegeben, da die Zusammenhänge in meinen Augen äußerst verkürzt sind. Stattdessen verweise ich auf einen Kommentar, den ich Anfang des letzten Jahres verfasst hatte. Dieser bezog sich auf ein Interview, das Honneth dem handelsblatt gab und in dem er sich zum Bedingungslosen Grundeinkommen äußerte. Hier geht es zum Kommentar.

Sascha Liebermann

Wenn das eine nicht aus dem anderen folgt – der Sozialphilosoph Axel Honneth zum Grundeinkommen

Axel Honneth, Prof. em. an der Goethe-Universität Frankfurt, äußerte sich in einem Interview mit dem Handelsblatt ausführlich zum Bedingungslosen Grundeinkommen und weiteren Fragen, die damit in Verbindung stehen. Dabei fällt auf, dass Honneth sich recht abstrakt mit gesellschaftlichen Entwicklungen befasst, so z. B. hier:

„[Handelsblatt] Dabei hatte der Mensch wohl noch nie so viel Freizeit wie heute.
[Honneth] Es ist aber eine freie Zeit, die viel stärker als früher gleichzeitig von Forderungen des Arbeitslebens durchzogen ist – was durch die Digitalisierung inzwischen noch gesteigert wurde. Nur die wenigsten von uns sind doch konsequent offline am Abend und am Wochenende.“

Hier wie auch an späteren Stellen verliert Honneth kein Wort darüber, wie sehr die Bedeutung des  „Arbeitslebens“ durch sozialpolitische Reformen verstärkt wurde. Zwar reagierten die Agenda 2010 und ihre Vorläufer schon auf Wandlungen in der Deutung des Stellenwertes von Erwerbstätigkeit, sie haben zugleich aber diese verstärkt. Die Verschärfung von Sanktionsmöglichkeiten so wie die workfare-Ausrichtung der Sozialpolitik haben diese Entwicklung institutionalisiert. Die Entleerung des Leistungsbegriffs (siehe auch hier), die Bejubelung jegliches Zuwachses an Erwerbstätigen, ganz gleich in welchem Umfang, sind Ausdruck dessen. Es sind nicht einfach „Forderungen des Arbeitslebens“, wie Honneth sagt, es handelt sich um einen breiten normativen Konsens bezüglich des Stellenwertes von Erwerbstätigkeit, der dazu führt, dass sich die „Forderungen des Arbeitslebens“ so entwickeln können. Vielleicht würde Honneth das auf Rückfrage ähnlich sehen, es fällt allerdings auf, dass er es gar nicht erwähnt.

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