Daran erinnert Stefan Sell in seinem Blog anlässlich der jüngsten Diskussion um die Vorschläge des Bundesarbeitsministers. Sell zitiert ausführlich aus dem Urteil vom 5. November 2019 – 1 BvL 7/16 und zeigt auf, wie verschlungen die argumentativen Pfade sind. Zusammenfassend sagt er:
„Eine Exegese des Urteils des BVerfG vom 5. November 2019 eröffnet tatsächlich die grundsätzliche Option einer auch über die immer wieder zitierte „Grenze“ von 30 Prozent-Kürzungen hinausreichende Sanktionierung. Und genau auf diesen Aspekt der Argumentation der Verfassungsrichter wird die nunmehr geplante gesetzgeberische Maßnahme abstellen müssen.“
Abschließend – mit Verweis auf die schon damals vorgebrachten Forderungen verschiedener Arbeitsminister aus den Reihen der CDU – folgt noch dieser Passus:
„Aber schon Anfang 2020 wurde darauf hingewiesen, was die eigentliche Stoßrichtung dieses Vorschlags war: ‚Es widerspricht dem Gedanken der Subsidiarität und überdehnt die Solidarbereitschaft der Steuerzahler, wenn einzelne Personen eine reale und zumutbare Arbeitsmöglichkeit auch nach Anwendung der neuen Sanktionsregelungen beharrlich ablehnen.‘ Es ging bei Hartz IV und es geht beim „Bürgergeld“ eben nicht um ein bedingungsloses Grundeinkommen, sondern um eine bedürftigkeitsabhängige Sozialhilfeleistung.“
Der letzte Satz ist sicher als klärender Hinweis in der Debatte gedacht, dabei wäre er ebenso anders weiterzudenken, und zwar derart, dass ein BGE keineswegs dem Subsidiaritätsgedanken widerspricht, der ohnehin nicht als Dogma zu verstehen ist. Die Solidarbereitschaft werde überdehnt, so steht es in dem damaligen Papier, ohne einzubeziehen, was es denn für die Allgemeinheit bringe, wenn jemand, der diese Bereitschaft nicht hat, denn im Erwersarbeitsprozess denn bringen solle? Sollen Unternehmen tatsächlich zu Erziehungsanstalten verwandelt werden, ist es das, wozu sie dienen sollen? Dann sollte man den Leistungsgedanken gleich verabschieden.
Sascha Liebermann