…sind das Risiko schlechthin der Demokratie. So könnte man den Kommentar Markus Städelis in der Neue Zürcher Zeitung zusammenfassen, der dort den Vorschlag Sam Altmans und Elon Musks kommentiert, die im Bedingungslosen Grundeinkommen ein Mittel sehen, um den Folgen der KI-Nutzung, die ihrer Auffassung nach hohe Arbeitslosigkeit mit sich bringen werde, begegnen zu können. Ein BGE erlaube, so Städeli, ohne Existenzängste Möglichkeiten zu ergreifen, die dem Einzelnen gemäß seien.
Nicht ganz geheuer ist ihm dieser Vorschlag, weil er von zwei Unternehmern kommt, die doch selbst für diese Folgen verantwortlich seien, was ganz danach klingt, als sollte eine solche Entwicklung vermieden werden, wenn denn die KI tatsächlich diese Folgen hätte. Doch warum? Wenn nun KI zur Substituierung menschlicher Arbeitskraft in der Breite führen würde, weil sie Routinetätigkeiten zuverlässiger erledigen könnte, gewönne doch der Einzelne Zeit für das zurück, was die KI eben nicht kann. Wo ist das Problem?
Tja, das Problem ist die Grundverfasstheit des Menschen, so hat man den Eindruck, denn:
„Falls KI wirklich Massenarbeitslosigkeit verursachen sollte, sind gesellschaftliche Probleme programmiert: Arbeit ist ja nicht bloss eine Quelle des Einkommens, sondern auch ein wichtiger Teil der sozialen Identität und des Zusammenhalts. Der Wegfall einer Tagesstruktur würde zu mehr Alkohol- und Drogenkonsum sowie zur gesellschaftlichen Isolation führen.“
Dahin ist die Vorstellung vom zur Selbstbestimmung fähigen Menschen, der für solche Veränderungen auch angemessene Antworten finden könnte. Obwohl Städeli selbst Ansatzpunkte dafür erkennen lässt, weshalb seine Behauptung fragwürdig erscheint, sieht er diese nicht. Zweifelsohne hat Erwerbstätigkeit heute einen hohen Stellenwert, aber doch nicht, weil der Einzelne ihr diesen verleiht, sondern weil er ihr gemeinschaftlich verliehen wird, man schaue sich nur die Systeme sozialer Sicherung an. Wenn also diese kollektiv vorherrschende Deutung aufgegeben würde, bräche der normative Vorrang von Erwerbstätigkeit zusammen, nicht aber das Leben als solches. Städeli sagt ja selbst, dass sie nur „ein wichtiger Teil“ sei, nicht aber der alleinig wichtige. Dann folgt sogleich das Untergangsszenario ganz im Sinne von Brot und Spiele: der Absturz in Alkohol- und Drogenkonsum. Das führt einen direkt zur Forderung nach der Abschaffung der Rente, denn sie müsste ja das Vorspiel im Kleinen zu diesem Untergang sein. Scheint nicht so ganz zu stimmen mit der Behauptung, ja, weshalb nur?
Darüber hinaus droht Ungemach von anderer Seite: die Fleißigen und die Faulen werden sich als Feinde gegenüberstehen, weil ein BGE ja ungerecht sei. Moment, aber erhalten es nicht beide Gruppen? Wollte der Autor denn etwa dafür plädieren, lieber auf Rationalisierungs- und Automatisierungsvorteile zu verzichten, um Arbeitsplätze zu erhalten, damit „der Mensch“ – wie es heute so gerne heißt – eine Aufgabe hat? Solchen Paternalismus aus der NZZ zu vernehmen, die sich stets um Eigenverantwortung Sorgen macht, ist wirklich unerhört.
Städeli aber ist vorbereitet, argumentativ, denn:
„Normal gestrickte Menschen komponieren nicht plötzlich den ganzen Tag Musik und verschreiben sich auch nicht der Nachbarschaftshilfe, wenn man ihnen einen monatlichen Check ausstellt. Sie bleiben morgens einfach im Bett liegen.“
Ach so, sie sind zu dieser sagenumwobenden Eigenverantwortung gar nicht in der Lage, und zwar nicht nur Einzelne, ja insbesondere die „normal gestrickten Menschen“, während die Kreativen eine herausgehobene Größe darstellen sozusagen die Krönung des Menschseins. Bass erstaunt kann man sein, dass Städeli diese Herablassung der sonst sich so nah am Menschen fühlenden und für ihn sprechenden NZZ nicht bemerkt oder eben für ganz angemessen hält. Sollte letzteres der Fall sein, wäre das Plädoyer für die NZZ-artige Eigenverantwortung hoffnungslos idealistisch. Wie ist dann nur die direkte Demokratie in der Schweiz mit guten Gründen vertretbar, stellt sie angesichts solchen Verständnisses des Menschseins nicht die Bedrohung für Wohlstand und Ordnung schlechthin dar? Die Schweizer demnach ein Volk von Träumern?
„Eine kleine Zahl von Menschen wird aktiv, lernfähig und erfolgreich bleiben, während eine wachsende Zahl von Menschen in Passivität gelähmt sein wird.“
Zitiert Städeli nur Musk oder spricht Musk Städeli aus der Seele? Vielleicht sind sie doch Brüder im Geiste.
Sascha Liebermann