Schlagzeile oder Haupttext…

…, was ist maßgeblich für den Merkur aus Bayern, der einen Beitrag über „Bürgergeld-Empfänger“ und deren Engagement in der RTL Sendung „Armes Deutschland“ veröffentlicht hat?

Wer den reißerischen Titel liest „Bürgergeld-Empfängerin trickst Jobcenter aus und RTL verdient Millionen“, erwartet in der Folge die üblichen, Vorurteile pflegenden Ausführungen, die in den letzten Jahren oft gelesen werden konnten. Je länger man liest, desto weniger ist das der Fall. Warum aber dann ein solcher Titel statt sachlich zu berichten?

Nachdem die skandalisierenden Zitate aufgeführt werden, folgt eine Einordnung:

„Solche Zitate werden als repräsentativ für alle Bürgergeld-Empfänger inszeniert. Die Zahlen sprechen anders: 2023 wurden laut Bundesagentur für Arbeit rund 16.000 Menschen sanktioniert, weil sie Arbeit verweigerten. Das sind 0,4 Prozent – weniger als ein fast leerer Gästeblock im Stadion.“

Damit ist die Schlagzeile sowie der Anfang des Beitrags ad absurdum geführt, man hat fast den Eindruck der Beitrag verfolgt aufklärerische Absichten, indem er zuerst einmal Klischees bedient. Dann folgt:

„Während Dennis und Carsten als „faule Arbeitslose“ durch die Medien gehen, zeigen die offiziellen Daten ein völlig anderes Bild: 2024 gab es 101.603 Verdachtsfälle von Leistungsmissbrauch – bei 5,5 Millionen Leistungsberechtigten. Die echte Missbrauchsquote liegt damit unter 3 Prozent, über 97 Prozent verhalten sich regelkonform. Von organisierter Kriminalität kann keine Rede sein: 2023 wurden gerade mal 421 solcher Fälle registriert – keine flächendeckenden „mafiösen Strukturen“. Zum Vergleich: Die Fehlerquote der Jobcenter selbst liegt bei bestimmten Prüfungen bei bis zu 39 Prozent. Die Ämter machen mehr Fehler als Empfänger betrügen.“

So ist es den bekannten Daten zufolge, die wiederholt vorgetragen wurden. Die Verschärfungen ab 2026 entbehren also jeglicher Grundlage und sind nur alter Wein in neuen Schläuchen. Was wird das bringen? Statt über eine grundlegende Umgestaltung der Existenzsicherung und darüber hinausgehender Leistungen nachzudenken, bleibt die Refom im Morast der Vorurteile stecken – und führt nicht weiter.

Siehe unsere früheren Beiträge zu dieser Diskussion hier.

Sascha Liebermann