In diesem Ausschnitt äußert sich Bundesarbeitsminister Heil zur Grundeinkommensdiskussion. Er stellt heraus, wie wichtig es sei, „präzise Begriffe“ zu verwenden, „Bedingungsloses Grundeinkommen“ sei kein solcher und führe zu Missverständnissen. Ein Fan davon sei er nicht. Doch Fans, wie schon Goetz Werner vor vielen Jahren sagte, braucht es in der Debatte auch nicht, sondern gute Argumente. Was Heil dann darbietet, mag manchen überschwenglichen oder auch voreiligen BGE-Befürworter betreffen, nicht aber die seit Jahren differenzierte Diskussion, wenn sie denn zur Kenntnis genommen würde. Für Heil leben wir in einer „Arbeitsgesellschaft“ (siehe auch hier) – da scheint er vergessen zu haben, dass das Fundament unserer „Gesellschaft“ eben nicht Arbeit, sondern Demokratie und die Anerkennung der Bürger als Souverän ist.
Von wegen „präzise Begriffe“. Deutlich wird hieran allerdings, weshalb die Fortentwicklung des Sozialstaats nicht gelingen kann, solange nicht die Bürger in seinem Zentrum stehen, sondern die Erwerbstätigen. Nun ist es ein Heimspiel, wenn er sagt, die Behauptung vom Ende der Arbeitsgesellschaft sei nicht belegt, die Behauptung war aber schon immer schief und konnte sich allenfalls auf die Frage beziehen, wie sich das Erwerbsarbeitsvolumen entwickelt hat. Da ist für Deutschland allerdings etwas dran, wenn es pro Kopf betrachtet wird. Die Behauptung ist aber natürlich abwegig, wenn damit Leistung im Allgemeinen gemeint ist, denn die ist immer erfordert, wo Menschen leben. Eine folgenschwere Illusion ist die leider verbreitete Behauptung, der auch Heil hier folgt, Erwerbsarbeit sei „Teilhabe“ am gesellschaftlichen Leben, weil sie schlicht darüber hinweggeht, wozu sie dient: zur Wertschöpfung. Das hat zur Folge, dass Mitarbeiter eben genau daran gemessen werden, ob sie dazu etwas beitragen, sie sind also in höchstem Maße austauschbar. Es kommt auf sie als ganze Menschen nicht an, sondern nur als Aufgabenbewältiger in einem Erwerbsverhältnis. Darüber hinaus ist diese Haltung zur Erwerbstätigkeit gegen Wertschöpfung als Maßstab gerichtet, denn letztere kann genauso ohne menschliche Arbeitskraft erfolgen, indem Maschinen im weitesten Sinne eingesetzt werden. Heil sieht nicht, dass es gerade diese moderne Form der Wertschöpfung ist, die dem „Menschen“ gerade dadurch dienlich ist, dass standardisierte Problemlösungen (Produkte) in Absehung davon hergestellt werden, ob sie für „Beschäftigung“ sorgen. Entscheidend ist, dass sie eine Problemlösung bereitstellt. Wenn der Bundesarbeitsminister mahnt, wir dürften kein gestörtes Verhältnis zu „Arbeit“ bekommen, dann zeigt sich gerade in dieser nicht mehr an Wertschöpfung orientierten Form von Arbeit ein gestörtes Verhältnis zu ihr – sie wird zu Beschäftigungstherapie und Leistungssimulation. Für diese Haltung zu Arbeit ist es dann entscheidend, die „Leute“ unterzubringen, wie er wörtlich sagt. Es ist nicht die BGE-Diskussion, die hier geradezu „religiöse“ Züge an den Tag legt, es ist das Festhalten an einem Arbeitsverständnis, das genau den Sinn dieser Arbeit entleert und zur sozialpflegerischen Aufgabe erhebt.
Sascha Liebermann