„Macht das Bürgergeld faul?“ und eine Empfehlung an Grundeinkommensbefürworter…

…ein Beitrag von Mark Schieritz auf Zeit Online berichtet über die jüngste Studie Enzo Webers (IAB) zum Bürgergeld, die auf große Resonanz stößt, was angesichts der teils heftigen Angriffe auf das Bürgergeld in den vergangenen Monaten nicht überraschen kann.

Wie ordnet Schieritz die Ergebnisse (Link zur Studie) ein?

Zuerst einmal stellt er anhand eines Beispiels heraus, dass aus der Korrelation zweier Variablen – auf Basis solcher Daten (Statistik) kommt Weber zu seinen Schlussfolgerungen – keine kausalen Zusammenhänge abgeleitet werden können – ein kurzer Hinweis auf Grundwissen über Statistik. Das könnte man als eine Art Vorblick betrachten, denn die standardisierte Erhebung und Auswertung von Daten, wie sie der Studie zugrundeliegt, löst Handlungszusammenhänge von den Individuen in ihrer Konkretion ab und löst abstrakte Merkmalskombinationen auf. Warum jemand gehandelt hat, wie er gehandelt hat – davon bleibt nicht viel übrig in diesem methodischen Verfahren. Das scheint dann auch für die Studie zu gelten, über die Schieritz berichtet oder nicht?

„Die Statistik selbst hilft bei der Antwort auf diese Frage nicht weiter. Es gibt schließlich sehr viele andere Faktoren, die den Arbeitsmarkt beeinflussen: Der höhere Mindestlohn, die Schwäche der Wirtschaft, der Zuzug der Flüchtlinge aus der Ukraine, die berechtigt sind, Bürgergeld zu beziehen.“

Erwähnt werden müsste hier noch: die Lebenssituation der Bezieher, ihre Sorgen und Nöte, welche biographischen Beschwernisse haben sie usw. Stefan Sell hat sich in einem Beitrag aus dem vergangenen Dezember schon mit den Berechnungen Webers und seinen Empfehlungen beschäftigt, darin wird auch erwähnt, dass Weber die persönlichen Beschwernisse wohl für bedeutend hält (siehe hier am Ende des Beitrags). Zufall, dass diese Seite hier fehlt, denn gerade sie gibt Aufschluss über konkrete Problemlagen?

Was hat Weber nun laut Schieritz herausgefunden?

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„Gefangen im System“ – die taz schreibt über Langzeitarbeitslosigkeit…

…die Antworten sind altbekannt und führen letztlich nicht weiter, weil das Ziel der Erwerbsfähigkeit an den Situationen der Leistungsbezieher womöglich doch eher vorbeigeht, um es vorsichtig auszudrücken. Dass sie deswegen „gefangen im System“ sind, liegt am Ziel des Systems, nicht an den Leistungsbeziehern – es erzeugt Stigmatisierung (siehe auch hier). Also läge es nahe, eine Lösung zu suchen, die ihnen eine Anerkennung ermöglicht, die mit diesem Ziel nicht verbunden ist und zugleich nicht als pädagogisch wertvoll verpackte Sonntagsrede daherkommt, sondern ganz praktisch ihre Wirkung entfaltet. Weder eignen sich dazu bisherige Vorhaben, noch solche wie eine Jobgarantie – es muss eine Würdigung der Person um ihrer selbst willen am Anfang stehen, das kann nur ein Bedingungsloses Grundeinkommen. Dazu müssen auch Mythen wie die „Armutsfalle“ aufgegeben werden.

Sascha Liebermann

„Entgegen verbreiteter Annahmen nehmen erwerbslose Arbeitslosengeld-II-Beziehende in einem nicht zu vernachlässigenden Umfang (wieder) eine Beschäftigung auf“…

…stellt ein Beitrag von Katharina Dengler und Kathrin Hohmeyer im IAB-Forum heraus. Wie die Autoren festhalten, ist diese Einsicht nicht neu. Siehe auch frühere Beiträge zu dieser Thematik hier, zur vermeintlichen Armutsfalle hier und hier.

Bundesarbeitsminister Heil führt eine Gespensterdebatte und ignoriert differenzierte Diskussion über Grundeinkommen

In diesem Ausschnitt äußert sich Bundesarbeitsminister Heil zur Grundeinkommensdiskussion. Er stellt heraus, wie wichtig es sei, „präzise Begriffe“ zu verwenden, „Bedingungsloses Grundeinkommen“ sei kein solcher und führe zu Missverständnissen. Ein Fan davon sei er nicht. Doch Fans, wie schon Goetz Werner vor vielen Jahren sagte, braucht es in der Debatte auch nicht, sondern gute Argumente. Was Heil dann darbietet, mag manchen überschwenglichen oder auch voreiligen BGE-Befürworter betreffen, nicht aber die seit Jahren differenzierte Diskussion, wenn sie denn zur Kenntnis genommen würde. Für Heil leben wir in einer „Arbeitsgesellschaft“ (siehe auch hier) – da scheint er vergessen zu haben, dass das Fundament unserer „Gesellschaft“ eben nicht Arbeit, sondern Demokratie und die Anerkennung der Bürger als Souverän ist.

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„Weder faul noch resigniert“ – seien Langzeitarbeitslose, darüber informiert das IAB-Forum…

…in einer Veröffentlichung. Die Befunde sind interessant angesichts der Vorurteile gegenüber Personen, die langzeitarbeitslos sind. Besonders überraschend sind sie aber nicht, weil schon frühere Studien darauf aufmerksam gemacht haben, dass auch der Verbleib im Leistungsbezug schon vor 2005 vielfältige Gründe hatte, die stets mit den konkreten Problemlagen der Bezieher zu tun hatten, so z. B. hier und hier. Immer wieder gab es Studien dazu, doch die meisten, wie auch diejenigen, über die Gerhard Krug im IAB-Forum berichtet, basieren auf standardisierten Befragungen, d. h. Antworten Befragter werden nur in Form von Skalenwerten erfasst. Was sie bewegt, wie sie selbst ihre Lage deuten, und zwar in ihren eigenen Worten, erfährt man auf diesem Wege nicht. Dazu benötigt es Studien, die nicht-standardisierte Interviews erheben, wie z. B. hier. Interessant auch die Aussagen des Leiters eines Jobcenters, siehe hier.

Was Krug nicht ausführt, allerdings zur strukturellen Seite der Stigmatisierung gehört, ist, dass jeder im erwerbsfähigen Alter durch den normativen Vorrang, der für Erwerbstätigkeit gilt, daran gemessen wird, ob er in dieser Hinsicht einen Beitrag leistet. Dabei spielt es keine Rolle, ob er einer anderen Tätigkeit nachgeht. Danach fragt die Norm nicht.

Sascha Liebermann

„Ich, Daniel Blake“ und das Leben langzeiterwerbsloser Menschen

„Der mühsame Kampf gegen Langzeitarbeitslosigkeit“…

…ein Bericht im Deutschlandfunk über das Teilhabechancen-Gesetz und seine Eigenheiten, z. B. die Voraussetzung, mehr als fünf Jahre arbeitslos zu sein. Ein solches Gesetz setzt wiederum auf den Primat des Arbeitsmarktes gegenüber dem Ziel der Existenzsicherung. Wenn es eine solche gäbe und sie nicht die stigmatisierenden Folgen hätte, die sie heute hat (sie rühren vom normativen Vorrang von Erwerbstätigkeit), was würde das wohl für das Leben der Betroffenen bedeuten? Es wäre der Unterschied zwischen einer Anerkennung um der Person selbst willen, weil sie zum Gemeinwesen gehört, einfach so, und der Anerkennung einer Person um ihres Erwerbsbeitrags willen – zwei völlig unterschiedliche Dinge. Siehe dazu auch hier und hier.

In dem Beitrag wird auch der Bundesarbeitsminister Hubertus Heil zitiert:

„Arbeit ist für die meisten Menschen in Deutschland nach wie vor mehr als Broterwerb. Es geht nicht nur darum, Geld zu verdienen. Es geht darum, teilzuhaben am gesellschaftlichen Leben. Es geht darum, Kolleginnen und Kollegen zu haben. Es geht darum, seine eigene Leistung zu spüren und dafür einen ordentlichen Lohn zu bekommen.“

Würde durch Arbeit oder Würde als solche? Und was hat das mit Leistung (siehe auch hier) zu tun?

Sascha Liebermann

„…weil sich Menschen nunmal über Arbeit definierten…“…

…sei ein „bedingungsloses Grundeinkommen […] eine Wahnsinnsidee“, so der Landesvorsitzende Rheinland Pfalz des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Dietmar Muscheid, laut einem Bericht des SWR.

Der Wortlaut der Passage:

„Grundsätzlich sei festzustellen, dass bei Langzeitarbeitslosen die Depressions- und Selbstmordrate 20 Mal höher als bei Erwerbstätigen sei. „Besonders Männner beziehen ihre Identität häufig über die Arbeit“, erklärte Trabert. Insofern löse eine lange Arbeitslosigkeit in vielen Fällen Selbstzweifel aus, einhergehend mit einem „Selbstwertverlust“.

Aus dem Grund hält Gewerkschafter Muscheid ein bedingungsloses Grundeinkommen für den falschen Weg. Das sei eine „Wahnsinnsidee“, weil sich Menschen nunmal über Arbeit definierten. Letztlich sei der einzige Weg, die Regelsätze für Hartz IV zu erhöhen, um Betroffene nicht gänzlich vom gesellschaftlichen Leben auszuschließen, forderte Trabert.“

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