Das Inforadio rbb hat kürzlich ein Interview mit dem Wirtschaftswissenschaftler Dennis Snower geführt, der Präsident des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel ist. In dem Interview geht es am Ende auch um das Bedingungslose Grundeinkommen.
Die Interviewerin fragt:
„Sylvia Tiegs: Nun gibt es ja inzwischen sogar von führenden Ökonomen, von Kollegen von Ihnen, die Unterstützung für die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens. Darin sehen ja viele eine große Lösung für viele, viele Probleme. Zahl doch jedem eine bestimmte Summe ohne Verpflichtung und dann hast du erstmal Grund in der ganzen Sache drin.
Dennis Snower: Ich glaube, angesichts des großen technologischen Wandels, was auf uns zukommt – Maschinen werden in absehbarer Zeit Routinearbeit übernehmen und nachdem sie das getan haben, werden sie vorhersehbare Arbeit übernehmen – und was geschieht dann mit den Menschen, die Routinearbeit derzeit machen und später auch vorhersehbare Arbeit? Und das ist ein großes Problem und weil viele Leute dieses Problem nicht lösen können, schlagen sie auch aus diesem Grund, nicht nur aus dem sozialen Grund, ein bedingungsloses Grundeinkommen vor. Ich finde, es ist eine gute Stütze für kurze Zeit, aber wenn das als Allheilmittel gesehen wird, dann ist es nicht nur eine besonders dumme Idee, es ist auch eine schädliche Idee. Denn so ein Grundeinkommen ist nicht anders als eine Unterstützung für langfristige Arbeitslose. Und indem wir langfristige Arbeitslose unterstützen, ohne sie in die Beschäftigung zu integrieren, ohne sie zu ermächtigen, machen wir sie dadurch hilfloser als sie schon waren [Herv. SL]. Und Menschen sind glücklich, wenn sie sich ermächtigt fühlen und ein bedingungsloses Grundeinkommen würde das Gegenteil tun. Daher sollten wir viel mehr denken über: Was sind die Möglichkeiten, die wir haben, Menschen zu ermächtigen? Aktive Arbeitsmarktpolitik, Bildung, Ausbildung kann in diese Richtung ziehen. Grundeinkommen ist eine Absicherung und das ist nützlich, um die Unsicherheit auf kurze Weile zu überdauern, aber langfristig, glaube ich, führt das in genau die falsche Richtung.“
„Nicht anders“ als eine „Unterstützung für langfristig Arbeitslose“ ist doch eine ziemlich verkürzte, wenn nicht irreführende Deutung des Bedingungslosen Grundeinkommens. Denn wenn jeder zu jederzeit es erhält, ist es keine Unterstützung aus irgend einem Grund, der Ausgleich verlangt. Es hat seinen Grund in der Zugehörigkeit zu einem Gemeinwesen, so wird meist argumentiert, damit ist es eben gerade nicht auf Arbeitslose beschränkt. Aufschlussreich für das Verständnis von „Ermächtigung“ ist, wie Snower sie mit „Bechäftigung“ verbindet, weil er Ermächtigung offenbar nur in diese Richtung deuten kann. Wenn durch ein BGE der stigmatisierende Charakter von Erwerbslosigkeit wegfällt, weil der normative Vorrang von Erwerbstätigkeit aufgehoben wird, weshalb macht es dann die Bürger „hilfloser“? Ein weitreichendere Ermächtigung als durch ein BGE ist ja schwer vorstellbar. Wenn Beschäftigung derart auf den Sockel gehoben wird wie von Snower, dann geht das nur, wenn sie ihre Kerns entledigt wird. „Beschäftigung“ ist solange sinnvoll, solange sie mit einer Aufgabe verbunden ist, die notwendiger durch menschliche Arbeitskraft bewältigt werden muss. Wird sie dieses Zwecks entleert, fehlt ihr die Sinnhaftigkeit.
Sascha Liebemann