…das attestiert Rigmar Osterkamp in seinem Leserbrief in der Süddeutschen Zeitung „Alles testbar“ der Haltung von Philip Kovce zu Feldexperimenten zum BGE. Osterkamp ist Ökonom, hat sich mehrfach durch Kommentare zum Feldversuch in Namibia hervorgetan, und im vergangenen Jahr einen Sonderband der Zeitschrift für Politik zum Bedingungslosen Grundeinkommen herausgegeben. Ist Kovces Haltung voraufklärerisch?
Wenn es darum geht, Auswirkungen eines allgemeinen Bedingungslosen Grundeinkommens zu testen, leiden Feldexperimente immer unter dem Problem, dass sie Sonderwirtschafts- bzw. Sonderlebenszonen schaffen müssen, damit das Experiment durchgeführt werden kann. So lässt sich ein allgemeines BGE aber gerade nicht in seinen Auswirkungen untersuchen. Was sich für naturwissenschaftlich-technische Fragen sinnvoll einsetzen lässt, ist kein probates Mittel für die menschliche Praxis. Abgesehen von diesen methodischen Beschränkungen lassen sich noch viel gewichtigere Einwände vorbringen gegen Feldexperimente in diesem Fall. Denn, was würde ein BGE denn testen wollen? Das wäre doch die Gemeinwohlbindung der Bürger in einer Demokratie, ob sie also zum Wohlergehen beitragen wollen, ganz gleich, in welchem Bereich des Lebens? Etwas zu testen, was heute aber schon Voraussetzung der politischen Ordnung ist, würde letztlich bedeuten, an der Mündigkeit der Bürger – ihrer Autonomie und Verantwortungsbereitschaft – generell zu zweifeln, sonst müsste sie ja nicht getestet werden. Wer solche Feldexperimente für unsinnig hält, ist er deswegen voraufklärerisch? Nein, er denkt politisch-demokratisch. Was Osterkamp für aufklärerisch hält, würde zu einem Mündigkeitsprüfungsinstrument – das wäre technokratisch.
Sascha Liebermann