…darüber schreibt Stefan Sell wieder einmal in einem sehr informativen Beitrag (siehe auch sein Interview im Deutschlandfunk).
Es gehe bei der Haltung gegenüber Sanktionen, die ganz der „Fördern und Fordern“-Logik entsprechen, um zwei verschiedene Menschenbilder. Auf der einen Seite fänden sich diejenigen, die Sanktionen für notwendig halten, auf der anderen die, die die Drangsalierung kritisieren. Obwohl das Bundesverfassungsbericht die Unverfügbarkeit des Existenzminimums sicher gestellt habe und nun schon mehrere Jahre ein Vorlagebeschluss des Sozialgerichts Gotha beim BVerfG auf eine Entscheidung wartet, gelte bislang, dass das Existenzminimum eben doch verfügbar sei – d. h. gekürzt werden könne. Sell hofft auf das Bundesverfassungsgericht – darauf hofft man in Deutschland oft, doch letztlich ist der politische Wille ausschlaggebend (siehe zur Kritik an der Überhöhung des Bundesverfassungsgerichts den Beitrag von Ingeborg Maus hier und hier). Wer nun ernst machen will damit, Sanktionen der Vergangenheit angehören lassen zu wollen, kommt nicht umhin, sich mit ihrem Zweck zu beschäftigen, denn auch vor der Agenda 2010 waren Sanktionen schon vorgesehen (siehe hier). Wer sie also nicht mehr haben will, muss über ein Bedingungsloses Grundeinkommen reden.
Sell hätte für ein solches Nachdenken einen einfachen Ansatzpunkt, den er offenbar nicht sieht, und zwar das Grundgesetz als Ausdruck der politischen Ordnung in Deutschland (den sehen andere allerdings auch nicht, wie z. B. Thomas Sattelberger, Kardinal Marx). In ihm kommen nicht mehrere Menschenbilder zum Ausdruck, sondern nur eines. Es gibt z. B. keine „Erwerbsobliegenheit“ darin. Zieht man aus Art. 20 GG die entsprechenden Konsequenzen, führt am Bedingungslosen Grundeinkommen kein Weg vorbei, denn das dem BGE innewohnende Menschenbild entspricht dem Grundgesetz und damit den Voraussetzungen unserer Demokratie. Ein kleiner Schritt also bis zum BGE, ein großer für die Apologenten des Vorrangs von Erwerbstätigkeit.
Sascha Liebermann