…darum ging es in einem Gespräch mit Claudia Pinl, die sich in ihrem Buch mit der Frage beschäftigt, ob die Förderung bürgerschaftlichen Engagements (siehe dazu auch hier) mit dem Abbau öffentlicher Daseinsvorsorge einhergeht, welche Formen dies angenommen hat (hier kommen z. B. die Tafeln zur Sprache) und inwiefern dadurch von der politisch relevanten Frage abgelenkt wird, Daseinsvorsorge verbindlich sicherzustellen.
Zu diesem Zusammenhang passt es, dass gerne über Steuern geschimpft wird, sie als legaler Raub betrachtet werden, so als ließe sich für ein politisches Gemeinwesen mit hoheitlichen Aufgaben vermeiden, diese durch Steuereinnahmen zu ermöglichen (siehe dazu „Gelächter statt Kritik“). Transportiert wird mit dieser Redeweise eine Verachtung oder Geringschätzung staatlicher Einrichtungen, als könne auf sie verzichtet werden und gehe nichts Bedeutsames verloren. Dabei ist es die Verlässlichkeit rechtstaatlicher Gefüge, die die moderne Demokratie von Willkürherrschaft unterscheidet. Sie schafft die Verlässlichkeit für jegliche Form von Engagment, sei es politisch, sei es bürgerschaftlich, sei es wirtschaftlich, weil die Bürger Träger der politischen Ordnung und ihres Rechts ist.
Die Frau Pinl beschäftigende Frage ist nicht neu, aber von großer Bedeutung. Sie macht deutlich, dass es eine Gestaltungsentscheidung ist, ob man z. B. mittels sozialstaatlich garantierter, damit politisch legitimierter Leistungen Einkommenssicherheit schafft oder durch die freiwillige Leistung privater Spender oder Stifter. Während erste aus der Fürsorgeverpflichtung eines Gemeinwesens erwachsen, sind letztere niemandem Rechenschaft schuldig und können deswegen jederzeit ausgesetzt werden (sofern dem keine Vereinbarung entgegensteht, die vertraglich festgelegt wurde). Letztere können deswegen mehr oder weniger „großzügig“ (siehe auch hier) ausfallen, erstere müssen sich daran messen lassen, wie gut sie der Fürsorgeverpflichtung entsprechen.
Es geht nicht darum, beides gegeneinander auszuspielen, denn private Förderer können sehr kurze Wege nehmen, um etwas zu ermöglichen, sie können einspringen, wo es Lücken gibt (für Künstler z. B. sehr wichtig in Gestalt von Förderstipendien), können Dinge anstoßen, doch können sie die staatlich organisierte Alimentierung nicht ersetzen. Das gilt ganz besonders in Bereichen, die einen Schutzraum benötigen, um radikal vorgehen zu können, wie Wissenschaft und Kunst. Dass heute vielfach Sponsoring an die Stelle von Mäzenatentum getreten ist, macht es im Bereich privater Förderung nicht einfacher.
Nicht überraschend ist, dass ein BGE hier ebenso neue Wege beschreiten würde, denn eine staatlich garantierte Daueralimentierung, die keinem anderen Zweck diente, als der Einkommenssicherung im Sinne einer Grundversorgung, würde sowohl eine Abkehr von gegenwärtig praktizierter Sozialpolitik als auch von zweckgebundenden Stipendien oder vergleichbaren privaten Förderungen bedeuten.
Sascha Liebermann