„Sie kriegen Grundeinkommen, einfach weil sie sind“…

…ein Interview mit Claudia Cornelsen in Capital über das Buch, das sie gemeinsam mit Michael Bohmeyer verfasst hat und das kürzlich im Econ-Verlag erschienen ist. Das Interview gibt Einblick in die Geschichten von Gewinnern, wie sie im Buch geschildert werden. An einer Stelle wird die öffentliche BGE-Diskussion thematisiert und mit einer chronologischen Einordnung versehen.

Solche Einordnungen hängen selbstverständlich stets vom Kritierium ab, mittels dessen sie vorgenommen werden. Lässt man z. B. die Grundeinkommensdiskussion mit Thomas Morus Utopia beginnen (was wenig bis gar nichts mit dem BGE zu tun hat, siehe hier und hier), werden die unterschiedlichsten Dinge in einen Topf geworfen. Fasst man den Begriff enger, sieht die Lage ziemlich anders aus. Die Diskussion um ein BGE im engeren Sinne hat in Deutschland etwa 2004 eingesetzt. Götz W. Werner, auf den im Interview Bezug genommen wird, trat in sie schon 2005 ein, und zwar mit Pauken und Trompeten, durch ein Interview in Brand eins, das große Verbreitung fand. In 2005 und 2006 war die Diskussion schon sehr präsent in den Medien, der damalige Ministerpräsident Althaus ging mit seinem Vorschlag eines „Solidarischen Bürgergeldes“ genau dann an die Öffentlichkeit. Die Zahl an lokalen Initiativen wuchs. Dann erst – im Jahr 2007 – erschien das Buch, auf das Claudia Cornelsen hinweist, Einkommen für alle. Bis „Mein Grundeinkommen“ in die Debatte eintrat, im Jahr 2014, war schon die Petiton von Susanne Wiest (2009) an den Deutschen Bundestag gerichtet und im Petitionsausschuss (2010) verhandelt worden, die Piratenpartei hatte sich für ein BGE eingesetzt und war häufiger Gast in den Medien. Ohne diesen Vorlauf und das weitere Engagement von Befürwortern, zu denen „Mein Grundeinkommen“ gehört, stünde die Diskussion nicht da, wo sie jetzt steht.

Insofern ist für mich die Bemerkung am Ende des Interviews nicht nachvollziehbar, wenn Claudia Cornelsen sagt, bislang sei es in der Diskussion um Finanzfragen gegangen, jetzt gehe es um Gerechtigkeitsfragen. Diese waren von Anfang an genauso wichtig, wie alle Fragen, die heute diskutiert werden, sehr früh in der Debatte schon diskutiert worden sind, man muss sich nur die Berichterstattung dazu anschauen, z. B. im Archiv Grundeinkommen (siehe meine ausführliche Darstellung der Entwicklung hier – auf Englisch), das Rad muss nicht neu erfunden werden.

Sascha Liebermann