Die Richtigkeit vom #BGE ist unabhängig von Anthropologie. Binden wir’s daran, konterkarieren wir es. Denn es widerspricht der Anerkennung des Menschen um seiner selbst willen, wenn man die Richtigkeit der Anerkennung an ihre Folgen (z. B.: wird faul vs. wird nicht faul) knüpft.
— BGE Eisenach (@bge_esa) January 14, 2023
Eine treffende Anmerkung, die aber voraussetzt, dass der Mensch in seiner Individualität um seiner selbst willen auch als Bezugspunkt anerkannt wird. Für die westlich-liberale Demokratie ist das unstrittig, es ist ihr Fundament und Legitimationsquelle ihrer politischen Verfasstheit – getragen durch die Staatsbürger eines Gemeinwesens. Wo auch immer das der Fall ist, auch in anderen Formen der Demokratie, greift das Argument also, wobei selbst hier sich die Frage stellt, ob das dort so vorbehaltlos gilt, wo noch die Todesstrafe praktiziert wird, man denke nur an die USA. Für andere politische Ordnungen ist es keine Voraussetzung, in ihnen ist das Individuum nicht geschützt.
Nur vor diesem Hintergrund, also der westlich-liberalen Demokratie, ist die „anthropologische“ Frage unbedeutend bzw. unterläuft sie gerade die Voraussetzungen, die diese Demokratie sich selbst gibt: auf die Mündigkeit der Bürger zu setzen. Insofern ist eine Widerlegung einer wie auch immer gearteten Faulheits- oder Egoismusbehauptung irrelevant für die Frage, ob ein BGE zur Demokratie passt oder nicht und würde, wie Michael Sienhold zurecht schreibt, dazu führen, seine „Richtigkeit“ vom Status der Faulheitsbehauptung abhängig zu machen. Denn träfe sie zu, müsste dann die bestehende Demokratie abgeschafft werden. Diese Form der Selbstentmündigung ist allerdings nicht selten.
Sascha Liebermann