Neunter Familienbericht, die zweite – Vorrang von Erwerbstätigkeit ohne Ende

Nachdem wir im März schon auf die Kurzfassung des Neunten Familienberichts hingewiesen hatten, hier noch eine Passage aus der Langfassung, die kürzlich erschienen ist.

„Wie in diesem Bericht dargelegt, wird die wirtschaftliche Stabilität von Familien in erster Linie durch ein auskömmliches Erwerbseinkommen der Eltern gewährleistet. Dafür sind Erwerbsmodelle, die die Einbindung beider Partner in den Arbeitsmarkt fördern, zielführender als Modelle, die Anreize setzen, dass ein Partner langfristig nicht oder nur marginal erwerbstätig ist. Als staatliche Absicherung der kindlichen Teilhabe sollen bestehende Leistungen zu einer bedarfsgerechten Kinderabsicherung gebündelt und mit weiteren Investitionen in die Infrastruktur flankiert werden. Des Weiteren ist es für das Wohlergehen von Familien und Kindern wichtig, familiengerechten und bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.“ (Neunter Familienbericht der Bundesregierung, S. 522).

Es erscheint hier schon wie eine Bedrohung, dass sich Eltern – hier nur einer, denkbar wären ja auch beide – dafür entscheiden könnten, länger zuhause zu bleiben, weil sie es für angemessen halten. „Zielführend“ heißt in diesem Zusammenhang eben nicht, wie der Achte Familienbericht noch entgegen seiner Empfehlungen titelte „Mehr Zeit für Familie“, sondern weniger Zeit für Familie. „Kindliche Teilhabe“ wird hier ganz isoliert, geradezu individualistisch betrachtet, als hänge sie nicht mit dem Wohlergehen der Familie zusammen, was vor allem Zeit füreinander bedeutet. Das scheint aber eine aus der Warte des Familienberichts vollkommen antiquierte Einschätzung zu sein (siehe auch hier und hier).

Sascha Liebermann

Neunter Familienbericht vorgestellt, eine Fortsetzung des Achten – Erwerbstätigkeit als Lösung für beinahe alles

Gestern ist der „Neunte Familienbericht“ der Bundesregierung vorgestellt worden, bislang liegt er nur in einer Kurzfassung vor, so dass dieser Kommentar hier vorläufig ist und sich auf eine Zeitungsmeldung bezieht. Die Frankfurter Allgemeinen Zeitung schreibt dazu:

„Neben monetären Leistungen wie etwa einer eigenständigen Grundsicherung für Kinder fordern die sieben Wissenschaftler die substantielle Beteiligung beider Elternteile am Erwerbsleben gezielt zu fördern. Die Corona-Krise habe gezeigt, wie schnell ein Elternteil unerwartet den Job beziehungsweise Aufträge verlieren könne oder von Kurzarbeit betroffen sei. Die meisten Väter arbeiten in Vollzeit weiter, während Mütter in Teilzeit gehen.“

Diese Empfehlung entspricht der Sozialpolitik der vergangenen zwei Jahrzehnte ohnehin, wird doch Erwerbstätigkeit und die Steigerung der Erwerbsquote bei Frauen für das entscheidende Instrument gehalten, um auch Altersarmut vorzubeugen.

Neunter Familienbericht vorgestellt, eine Fortsetzung des Achten – Erwerbstätigkeit als Lösung für beinahe alles weiterlesen