…eine differenzierte Besprechung der jüngsten Berichterstattung von Stefan Sell über eine OECD-Studie zu ungleichen Bildungschancen in Deutschland. Darin nimmt er nicht nur die Schlussfolgerungen aus der Studie und ihre Aufnahme in den Medien unter die Lupe, er zeigt sich auch kritisch bezüglich der Daten, auf die sich die Schlussfolgerungen beziehen: die PISA-Studie 2015. Einen der Vorschläge, Ganztagsschule (siehe auch hier und hier) auszubauen und sich davon Verbesserungen zu erhoffen, stuft er als Glaubensfrage ein. Sell äußert sich zwar nicht weiter dazu, es wäre hier aber zu ergänzen, dass die Ganztagsschule auf Kosten des Familienlebens geht und man sich fragen muss, was damit angerichtet wird, zumal echte Ganztagsschule heißt, dass Kinder sich immer in Beaufsichtigungszusammenhängen aufhalten, die gerade nicht zum Nahraum ihres Lebensumfeldes gehören.
Da in der Regel die Vorschläge zur Verbesserung in die Richtung weisen, Erwerbstätigkeit der Eltern zu fördern, wäre die gegenteilige Frage zu stellen, ob es nicht sinnvoller wäre, den Eltern mehr Freiräume zu verschaffen, damit sie zuhause sein können? Wer Familie fördern will, muss ihr Zeit verschaffen, statt die Abwesenheit der Eltern immer weiter zu treiben. Zugleich erfordert dies, das Zuhausesein nicht mehr als weniger wünschenswert einzustufen, wie es durch die Fixierung auf Erwerbstätigkeit geschieht. Also, wie dahin gelangen? Das geht nicht, solange der Vorrang von Erwerbstätigkeit besteht, deswegen bleibt nur: ein Bedingungsloses Grundeinkommen. In der Diskussion um Bildungschancen darf nicht vergessen werden, dass wir in Deutschland womöglich noch ein ganz anderes Problem in dieser Hinsicht haben: wir denken geradezu ständisch, was Bildungszertifikate betrifft, sortieren schnell in Schubladen ein. Wer also an ungleichen Bildungschancen etwas ändern will, muss dort anfangen, wo vorschnell in Schubladen einsortiert wird.
Sascha Liebermann