„Entscheidend ist, dass jemand arbeitet“…

…sagte Paul Romer, Ökonomie-Nobelpreisträger und Professor für Volkswirtschaftslehre, in einem Interview mit Roman Pletter, das auf Zeit Online erschienen ist. Manchmal ist es doch überraschend, wie wenig differenziert selbst erfahrene Wissenschaftler über ein Grundeinkommen sprechen. Man fragt sich, womit das wohl zu tun hat. Bevor es um ein Grundeinkommen geht, wird ihm die nachstehende Frage gestellt:

„ZEIT: Was schlagen Sie vor, um den jungen Menschen zu helfen, die in Europa keine Arbeit finden?
Romer: Man könnte einen nationalen Dienst einrichten, der junge Leute dazu zwingt, in verschiedenen Bereichen zu arbeiten, also im Dienstleistungssektor etwa einen Monat im Restaurant und dann einen Monat auf einem Bauernhof und dann in einer Fabrik. So kann man Menschen früh in ihrer Karriere dem aussetzen, was Arbeit ist. Das wird sie nicht lehren, Computercode zu schreiben, aber es wird sie Empathie lehren, Hartnäckigkeit und die Ausdauer, an etwas zu arbeiten, auch wenn es nicht sofort belohnt wird. Und dazu Dinge wie Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit. Wenn man Arbeitgeber nämlich fragt, was ihnen wichtig ist, dann sagen sie nicht zuerst, dass jemand programmieren können soll, sondern dass er jeden Tag pünktlich auftaucht.“

Was soll man davon halten? Zuerst einmal müsste man sich doch fragen, woher das Problem rührt, dann könnte über eine mögliche Lösung nachgedacht werden. Wollen denn „junge Menschen […] in Europa“ nicht aktiv werden, wollen sie sich nicht einbringen oder lässt es der Arbeitsmarkt nicht zu? Wenn letzteres der Fall ist, weshalb sollte es dann einen Zwangsdienst geben? Was Romer hier vor Augen hat, durch „Arbeit“ Empathie, Hartnäckigkeit und Ausdauer zu lernen, ist das nicht etwas, dass im Laufe der Sozialisation herausgebildet wird, sofern die Bedingungen des Aufwachsens nicht gerade widrig sind? Romers Überlegungen wirken mehr als befremdlich. Die Frage zielt ja auch darauf, dass die jungen Menschen keine Arbeit finden, nicht dass sie unqualifziert seien. Wo es mit den erwünschten Voraussetzungen im Argen liegt, müssen wir uns doch fragen, was die Gründe dafür sind. Ganz praktisch gedacht müssten dann eben Arbeitgeber die Aufgabe in der Ausbildung übernehmen, bestimmte Dinge einzufordern.

Was sagt er zum Grundeinkommen, ob ein BGE gemeint ist, wissen wir nicht?

„ZEIT: Manche Ökonomen halten das für sinnlos, sie glauben, Maschinen werden ohnehin den meisten Menschen die Arbeit wegnehmen, und wollen lieber ein Grundeinkommen einführen.
Romer: Ich bin dagegen, Leuten einfach nur Geld zu geben. Das würde die Gesellschaften auseinanderreißen. Man kann nicht ein paar Leute bitten, hart zu arbeiten und hohe Steuern zu zahlen, um das Geld dann an Menschen zu geben, die das nicht tun. Das wird im Sinne nationaler Solidarität nicht nachhaltig sein. Was nachhaltig sein könnte, sind Subventionen für gering entlohnte Arbeit, finanziert durch Steuern auf hohe Einkommen. Entscheidend ist, dass jemand arbeitet.“

Eine zugespitzte Automatisierungsthese präsentiert der Interviewer, Romer teilt sie nicht. Zuerst einmal antwortet er verallgemeinernd, als könnte doch ein BGE gemeint sein. Dann aber scheint es, als erhielten nicht alle das Grundeinkommen, sondern nur die, die nicht „hart arbeiten“. Oder ist das nur sehr vereinfacht, denn für ein BGE würde gleichermaßen gelten, dass es ohne Wertschöpfung nicht bereitgestellt werden könnte. Will Romer also darauf hinaus, dass, wer sich auf das BGE zurückzieht, die Solidarität der „hart“ Arbeitenden überstrapaziert? Das wäre der einseitige Blick derer, die zwar unbezahlte Arbeit durchaus für wichtig halten, sie aber der bezahlten nachordnen. Beide sind jedoch gleichermaßen notwendig und die eine nicht auf die andere zurückführbar. Romer bevorzugt demgebenüber „Subventionen für gering entlohnte Arbeit“, damit ist also klar: lieber irgend eine Erwerbsarbeit als keine – und unbezahlte Arbeit ist demnach keine.

Sascha Liebermann