Mangelnde Phantasie? Joschka Fischer sorgt sich um Folgen der Digitialisierung…

…so wird zumindest in einem Beitrag auf Welt Online ein Gespräch mit Fischer wiedergegeben. Darin heißt es:

„Auch die digitale Revolution und die zunehmende Übernahme der menschlichen Arbeit durch intelligente Maschinen habe das Potenzial, zu einer ‚existenzgefährdenden Bedrohung für die Demokratie‘ zu werden. Er könne sich eine Gesellschaft, in der die Mehrheit unproduktiv sei, nicht vorstellen. Das werde nicht funktionieren, schon gar nicht langfristig – man könne Menschen nicht sagen: ‚Tut uns leid, Maschinen sind produktiver, wir haben keine Arbeit mehr für euch.'“

Weshalb würde diese Entwicklung als solche existenzbedrohend sein? Eine Bedrohung kann daraus nur werden, wenn nicht die angemessenen Schlüsse gezogen werden und an Vorstellungen festgehalten wird, die dann nicht mehr passen. Die Demokratie selbst bietet genügend Anknüpfungspunkte für eine andere Ausrichtung des Sozialstaats, für eine, die sich an den Grundfesten der Demokratie orientiert, den Bürger und nicht den Erwerbstätigen ins Zentrum stellt. Das kann Fischer womöglich nicht sehen. Interessant ist hier auch, dass Fischer eine eventuelle Reduktion der Bedeutung von Erwerbstätigkeit damit gleichsetzt, unproduktiv zu sein, als gäbe es nur diese eine Form produktiven Tätigseins. Und auch der Schlusssatz lässt tief blicken, als müsse „Arbeit“ vergeben bzw. verteilt werden. Wo Menschen sind, ist Arbeit, könnte man gelassen dagegensetzen, die Frage ist nur, ob diese Arbeit dann auch als solche anerkannt und wertgeschätzt wird. Im Passus direkt danach heißt es:

„Ein bedingungsloses Grundeinkommen, wie es auch von Teilen der Grünen gefordert wird, hält Fischer in dem Zusammenhang für keinen Ausweg. Die Debatte darüber sei zwar richtig und wichtig, sie werde aber verkürzt als sozialpolitische Debatte geführt. Es gehe um mehr. Das Erwachsenenleben sei schon immer um Arbeit herum organisiert gewesen, sie liefere nicht nur Einkommen, sie entscheide auch über den sozialen Status, liefere soziale Kontakte. ‚Das kann man nicht einfach rausnehmen und sagen, alle ab in die Hängematte‘, so Fischer. Insofern müsse man aus westlicher Sicht alles versuchen, dass es soweit nicht komme.“

Die Hängematte als Sinnbild für Niedergang und Verwahrlosung – auch bei Fischer. Dabei hält er an Illusionen fest, Illusionen darüber, was Erwerbsarbeit alles leiste. „Soziale Kontakte“, die dort entstehen, sind eben auch speziell, weil zuallererst einmal auf den Arbeitsplatz bezogen, im besten Falle Kollegialverhältnisse. Das hat mit der Person um ihrer selbst willen jedoch gar nichts zu tun, sie  ist dort nicht entscheidend (siehe auch hier). Genauso schnell verlieren sich diese Kontakte eben auch wieder, wenn der Arbeitsplatz gewechselt wurde (es sei denn, daraus wären einmal wirkliche Freundschaften entstanden). Im Grunde unterstellt Fischer, das BGE laufe doch auf eine Stilllegung hinaus, als könne man Bürger zu etwas verdammen in einer Demokratie.

Sascha Liebermann