Gestern ist der „Neunte Familienbericht“ der Bundesregierung vorgestellt worden, bislang liegt er nur in einer Kurzfassung vor, so dass dieser Kommentar hier vorläufig ist und sich auf eine Zeitungsmeldung bezieht. Die Frankfurter Allgemeinen Zeitung schreibt dazu:
„Neben monetären Leistungen wie etwa einer eigenständigen Grundsicherung für Kinder fordern die sieben Wissenschaftler die substantielle Beteiligung beider Elternteile am Erwerbsleben gezielt zu fördern. Die Corona-Krise habe gezeigt, wie schnell ein Elternteil unerwartet den Job beziehungsweise Aufträge verlieren könne oder von Kurzarbeit betroffen sei. Die meisten Väter arbeiten in Vollzeit weiter, während Mütter in Teilzeit gehen.“
Diese Empfehlung entspricht der Sozialpolitik der vergangenen zwei Jahrzehnte ohnehin, wird doch Erwerbstätigkeit und die Steigerung der Erwerbsquote bei Frauen für das entscheidende Instrument gehalten, um auch Altersarmut vorzubeugen.
Im „Achten Familienbericht“ wurde der Ausbau der Ganztagsbetreuung empfohlen, obwohl dieser Bericht mit „Mehr Zeit für Familie“ übertitelt war, die Empfehlungen also genau zum Gegenteil führen. Familie ist hier nur noch eine Randgröße. Dass ein lebendiges Familienleben Zeit für- und miteinander voraussetzt, und zwar für beide Eltern, scheint vollständig aus den Augen verloren zu sein. Diese Entwicklung war schon am Elterngeld ablesbar mit seiner Bevorzugung erwerbstätiger Eltern und entspricht einer Vorstellung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die die Unvereinbarkeit beider Sphären im Sinne einer organisatorischen Harmonisierung nicht wahrhaben will.
Ein Ausweg? Keinesfalls eine direktive Familienpolitik, die Eltern sagt, wie es am besten wäre, aber eine, die Möglichkeiten schafft, damit Eltern sich frei vom normativen Vorrang von Erwerbstätigkeit fragen können, wie sie mit der Aufgabe Elternschaft umgehen wollen. Dazu allerdings bedürfte es eines Bedingungslosen Grundeinkommens.
Sascha Liebermann