„Wenn der scheinbar Mittellose im Ferrari vorfährt“ – ein gefundenes Fressen oder doch nicht,…

…denn worüber der Tagesspiegel berichtet, kann man ganz nüchtern betrachten. Bevor das geschieht, hier ein Zitat, das den Schluss des Beitrag bildet:

„In Italien beziehen derzeit 3,8 Millionen Personen das Bürgergeld; die durchschnittliche Höhe beträgt 578 Euro pro Monat. Experten anerkennen, dass der „reddito di cittadinanza“ während der Pandemie viele Menschen vor dem Absturz in die Mittellosigkeit bewahrte, auch wenn die Armut trotzdem zugenommen habe. Draghi stellt das Instrument ebenfalls nicht grundsätzlich infrage – er will es bloss effizienter gestalten und den Missbrauch abstellen.“

Etwas mehr als 5 Prozent der kontrollierten Personen wurden „enttarnt“. Von der „Spitze des Eisbergs“ sei die Rede – das lässt sich leicht sagen. Interessant ist, dass unbestritten ist, dass eine solche Absicherung hilft, nicht „in die Mittellosigkeit“ abzustürzen. Zugleich erscheint der Betrag nicht sehr hoch. Da im Beitrag nicht klargestellt wird, wie das Bürgergeld genau funktioniert, ist eine Bewertung nicht möglich.

Grundsätzlich sollte man sich jedoch klarmachen: Zum einen gilt immer, wo es Regulierungen gibt, können diese verletzt werden. Dann muss die Verletzung verfolgt werden, dafür gibt es eine Rechtsordnung. Nur, weil, wie in diesem Fall, Leistungen in Anspruch genommen werden, obwohl die Bezugsbedingungen nicht erfüllt sind, spricht das nicht gegen die Leistungen. Zum anderen sollte darüber nicht vergessen werden, dass es Missbrauch immer nur dort geben kann, wo eine Regel definiert, worin regelkonformer Leistungsbezug besteht. Wie schon lange bekannt, betreffen z. B. im Arbeitslosengeld II Sanktionen nur etwa 3 Prozent der Leistungsbezieher, ca. 75 Prozent dieser Sanktionen beziehen sich auf Meldeversäumnisse.

Gäbe es diese Bezugsbedingungen nicht, gäbe es die Tatbestände des Missbrauchs nicht. Es spricht also ziemlich viel dafür, dass die heiße Luft, die heute zur Frage des Missbrauchs regelmäßig abgelassen wird, noch mehr an Bodenhaftung verlöre, wenn es ein Bedingungsloses Grundeinkommen gäbe. Wo Mitwirkungspflichten wegfallen, fallen die meisten Gründe für Regelverletzungen weg. Das größte Ärgernis bestünde wohl darin, den heute schon weltfremden Irrungen zur vermeintlichen Gefährdung des Zusammenhalts durch Leistungsmissbrauch den Rest an Sündenbockpotential zu entziehen. Was machen diejenigen dann bloß, die das gerne beklagen?

Sascha Liebermann