…schreibt Markus Promberger im IAB-Forum. Interessant ist schon der Auftakt des Beitrags, mit dem eine Definition versucht wird:
„Unter dem bedingungslosen Grundeinkommen versteht man zunächst ein von eigener Arbeit wie auch von eigener Bedürftigkeit entkoppeltes, allen zustehendes existenzsicherndes Grundeinkommen.“
Auf der einen Seite ist das unbestritten, allerdings ist nicht definiert, was unter „allen“ zu verstehen ist. Doch die Absetzung gegenüber anderen Einkommen fällt auf: „von eigener Arbeit […] entkoppelt[es]“. Nun, es ist schon klar, was gesagt werden soll, sichtbar wir zugleich aber ein Verständnis von Einkommen, das meint, es entstamme eigener Arbeit, wo doch allzu deutlich ist, dass sie nur ein kleiner Ausschnitt in einem arbeitsteiligen Erzeugungs- und Bereitstellungsprozess ist. Man kann es für eine Kleinigkeit, eine der Kürze geschuldeten Zuspitzung halten, es ist aber eine bestimmte Zuspitzung die ganz der üblichen Rede über Leistung aus „der eigenen Hände Arbeit“ entspricht.
Die historische Einführung in die Idee lasse ich unkommentiert, sie muss unbefriedigend ausfallen. Darauf folgt die Einschätzung dazu, wer denn die Befürworter sind:
„Zuspruch findet sie vor allem bei jungen Menschen und Studierenden, im künstlerischen Milieu und unter Angestellten karitativer Organisationen. Vereinzelt propagieren sogar prominente Personen aus der Wirtschaft das bedingungslose Grundeinkommen, allen voran – aber mitnichten als einziger – der mittlerweile verstorbene Drogeriekettenbesitzer Götz Werner.“
Naja, es gibt einige Wissenschaftler, die Möglichkeiten hevorheben, die das BGE schüfe, auch sind die öffentlichen Befürworter nicht so homogen, eher generationenübergreifend. Was die Befürworter in unternehmerischen Kreisen betrifft, muss man lange suchen. Manche, die als Befürworter genannt wurden, waren keine, so Joe Kaeser.
Folgende Fragen sind wiederum aufschlussreich:
„Wie hoch soll das Grundeinkommen sein, wie soll es finanziert werden? Wer soll es finanzieren? Welche Sozialleistungen sollen durch das Grundeinkommen abgelöst werden? Nur das Bürgergeld, oder auch die Leistungen für Ältere, Kranke, Kinder?“
Dazu gibt es verschiedene Argumente, die aber nur konzeptuell sind, denn letztlich entscheidet der Willensbildungsprozeß darüber, wie es aussehen wird.
„In welchem Maß suchen Menschen noch nach Arbeit und beruflicher Bildung, wenn der materielle Erwerbsdruck abnimmt? Wie ändern sich das volkswirtschaftliche Arbeitsangebot, das Steueraufkommen und die Steuerzusammensetzung, die umlaufende Geldmenge und andere volkswirtschaftlich relevante Größen?“
Vor allem die erste Frage lässt wieder einen Blick darauf werfen, welche Vorstellung von Handlungsmotivierung vorausgesetzt ist. Denn nur, wenn davon ausgegangen ist, dass der „Erwerbsdruck“ ein entscheidender Grund dafür ist, erwerbstätig zu werden und das gut zu machen, kann diese Frage ernsthaft gestellt werden. Geht man davon nicht aus, muss man sie anders stellen (siehe hier und hier).
Promberger äußert sich noch dazu, auf welche Verunsicherungen die Debatte in der Vergangenheit geäußert hat, das sei hier nicht kommentiert, dafür das nachstehende:
„Die Situation von Menschen, die keiner Vollzeit-Erwerbstätigkeit nachgehen – etwa, weil sie sich zeitweise vorrangig auf ihre Rolle als Eltern konzentrieren möchten, eine Ausbildung machen, in Teilzeit arbeiten oder bereits in Rente sind – ist oft unsicherer, zeitlich stärker eingegrenzt, weniger sozial verbindlich oder mit geringeren Einkommen verbunden. Das achtjährige Gymnasium, die häufige Teilzeitarbeit bei Studierenden, der Erwerbsdruck auf junge Eltern, die Verschiebung des Renteneintritts sind Beispiele hierfür.“
„Rolle als Eltern“ – „weniger sozial verbindlich“? Was meint der Autor hier, etwa, dass sie weniger Anerkennung findet, obgleich sie von grundlegender Bedeutung ist? Dann ist aber nicht die Situation dieser Eltern „weniger sozial verbindlich“, sondern die Anerkennung, die ihr entgegengebracht wird – das sind zwei völlig verschiedene Dinge, aus denen verschiedene Schlüsse gezogen werden könnten.
Er beschreibt dann noch manche Veränderungen in der Lebensführung gegenüber früheren Zeiten und fährt fort:
„Angesichts all dieser Unwägbarkeiten mag ein allsorgender Staat mit einem bedingungslosen Grundeinkommen für alle als attraktive Alternative zum herrschenden Prinzip der marktförmig vermittelten Erwerbsarbeit erscheinen – gerade für Menschen, die sich am Arbeitsmarkt (noch) nicht etabliert haben. Zudem ist marktförmig vermittelte Erwerbsarbeit im Modell des bedingungslosen Grundeinkommens nicht ausgeschlossen, sondern eine Möglichkeit, zusätzlich zum Grundeinkommen interessante Dinge zu tun und sein Einkommen zu erhöhen. Kein Zwang mehr, auch nicht der stumme Zwang der Verhältnisse. Der Eintritt ins Reich der Freiheit?
Der Anfang des Absatzes klingt beinahe wie aus eine Stellungnahme der FDP, als beinhalte ein BGE einen allsorgenden Staat. In der Tat, so der Autor, schließt ein BGE Erwerbstätigkeit nicht aus, aber man ahnt schon die Einwände, die vorbereitet werden:
„Wer diese Hoffnung hegt, verkennt indes die Tatsache, dass wir in einer Arbeitsgesellschaft leben. Damit verbunden sind zwei wenig diskutierte, für die Frage nach der Sinnhaftigkeit eines bedingungslosen Grundeinkommens jedoch hoch relevante sozialphilosophische Grundauffassungen.“
Das überrascht nun nicht, geht aber über die Lebensrealitäten hinweg, denn die „Arbeitsgesellschaft“ ist nur ein Teil unseres Lebensgefüges und nicht einmal der entscheidende, auch wenn es anders scheint (siehe auch hier, hier und hier). Wie man so nonchalant über die politische Verfasstheit unseres Zusammenlebens hinweggehen kann, erstaunt einen dann doch, gehört aber zugleich eine Dauererfahrung in der BGE-Debatte. Weiter heißt es:
„Erstens sehe ich Arbeit, anders als Aristoteles oder Hannah Arendt, nicht als verachtenswerte oder abzuschaffende Mühsal, auch nicht als historisch begrenzte Form oder bald obsolete Art der Produktion, sondern als anthropologische Notwendigkeit, auf deren Basis sich unterschiedliche kulturell-historische Ausformungen bilden. Sie haben teils auch massive negative Aspekte, was aber die Arbeit an sich nicht diskreditiert, sondern uns aufruft, dafür zu sorgen, dass Arbeit sinnstiftend und existenzsichernd wird, wo sie es bisher nicht ist.“
Eine Notwendigkeit ist sie allerdings, die Frage ist nur, ob sie alleine eine Notwendigkeit ist oder ob sie neben anderen Notwendigkeiten steht? Die Folgefrage wäre, ob es eine Ungleichheit zwischen den Notwendigkeiten gibt, weil sie auf unterschiedliche Herausforderungen antworten? Das müsste nun differenziert werden. Jedenfalls scheint es hier schon so, dass nicht-erwerbsförmige Leistungen keine Rolle mehr spielten.
„Ich sehe, zweitens, die Arbeitsgesellschaft seit 1918 als sozialen Kompromiss, in dem Lebenschancen gegen Zeit und psychophysische Leistungen – konkret: ein existenzsichernder Lohn gegen Arbeit – getauscht werden. Dieser Tausch findet unter grundsätzlich machtasymmetrischen Bedingungen statt, wie Claus Offe und Helmuth Wiesenthal bereits 1980 in einem vielbeachteten Aufsatz argumentiert haben. Demnach wird diese Asymmetrie zwar durch Institutionen abgemildert, bleibt aber in der Verantwortung von Arbeitgebern und Arbeitnehmern als Tauschpartnern.“
Hier wird es nun haarig, wenn die „Lebenschancen“ ganz auf die Arbeitsgesellschaft begrenzt werden, als erwüchsen diese Lebenschancen nicht außerhalb der Erwerbstätigkeit und würden getragen von der politische Vergemeinschaftung von Bürgern. Schon hier wird unterschlagen, dass dieser „Kompromiss“ keineswegs anthropologisch notwendig ist und genauso gut anders aussehen könnte, wenn man dazu bereit wäre, die anderen Notwendigkeiten – generative Reproduktion (hierfür sind Familien entscheidend) und politisch-sittliche Reproduktion (die politische Vergemeinschaftung von Bürgern) – einzubeziehen. Es wäre dann diese Vergemeinschaftung von Bürgern, die durch ein BGE eine Einkommenssicherung bereitstellte, die sich auch auf die von Offe und Wiesenthal dargestellte Machtasymmetrie auswirkte.
Dann folgt eine historische Betrachtung zur Deutung von Arbeit seit der Antike, die ich hier überspringe.
„So manches Argument [bezogen auf die vorangehenden Ausführungen, SL], das für das bedingungslose Grundeinkommen ins Feld geführt wird, basiert auf dieser Auffassung. Demnach nehmen uns die Maschinen mehr und mehr die Arbeit ab, so dass wir uns nurmehr von der Orientierung an der Mühsal und dem ökonomischen Arbeitszwang befreien und, wenigstens grundfinanziert, dem sinnhaften Tätigsein zuwenden müssten – gleichsam aus dem Reich der Notwendigkeit kommend das Reich der Freiheit betreten müssten.“
Hier kann man nur festhalten, dass es bedauerlich ist, welche große Bedeutung dieser Aspekt auf Seiten der BGE-Befürworter hat, denn auf der einen Seite ist es zwar richtig, dass ein BGE eine Antworte darauf bieten würde, sollte diese Entwicklung eintreten. Doch ein BGE ist auf der anderen Seite in seiner Bedeutung davon gänzlich unabhängig (siehe hier und hier).
Nach einem kleinen Exkurs zur philosophischen Anthropologie folgt dies:
„Doch wir können unsere Kreatürlichkeit nicht hinter uns lassen, unser Angewiesensein auf Nahrung, Kleidung und Schutz, die wir selbst in Interaktion mit der Natur und unseren Mitwesen und Mitmenschen produzieren. Das ist nicht nur nackte Lebensnotwendigkeit und Mühsal, sondern gleichzeitig Quelle von Sinn, Stolz, sozialer und zeitlicher Lebensstruktur und Zufriedenheit (Jahoda).“
Ja und Nein. Ja, wir müssen als Gattung in den jeweiligen konkreten Vergemeinschaftungen Antworten auf diese Handlungsprobleme entwickeln (siehe hier), das ist unbestritten, die Frage ist aber zugleich, von welcher Basis aus das geschieht. Die Vermischung, die Promberger hier vollzieht, zwischen einer Erfahrung von Anerkennung und Gelingen in der Welt, die sich auf die ganze Person um ihrer selbst willen bezieht, wie sie typischerweise in Vergemeinschaftungen geschieht (Familie, Gemeinwesen) und der Anerkennung für eine erbrachte Leistung sind zwei gänzlich verschiedene Anerkennungen. Die erste ist eine, in der der Einzelne nicht ersetzbar ist, er steht für sich, die zweite ist eine, in der er vollständig ersetzbar ist, weil er nur Aufgaben übernimmt. Zugespitzt könnte man sagen, beide Erfahrungs- und Beziehungstypen sind gegenläufig und können nicht durcheinander ersetzt werden (siehe hier).
Weiter heißt es:
„Wir können also Mühe und Sinn nicht voneinander trennen. Wenn wir uns durch ein „unverdientes“ Einkommen davon emanzipieren, verlieren wir diesen Grundzusammenhang menschlicher Existenz zugunsten eines eigenartigen Schuldverhältnisses – dass uns die Gesellschaft unsere Existenz schuldet, ohne Gegenleistung.“
Wie der Autor zu diesem Schluss gelangt, bleibt unklar, eröffnet allerdings einen Blick auf die Voraussetzungen, die er macht. „Mühe“ bringt er nicht mit der Sache in Verbindung, um die es geht, sondern mit dem Einkommen, das errungen werden muss. Dass ein „unverdientes“ Einkommen es gerade ermöglicht, Mühen auf sich zu nehmen, scheint unvorstellbar, denn die wirkliche „Mühe“ steckt in der Auseinandersetzung mit einer Sache und der Bewältigung einer Aufgabe. Das lehrt einen der Bildungsprozess von Kindern auf einfache Weise, wie zugleich lehrt, dass eine Auseinandersetzung nur gedeihen kann, wenn man bereit dazu ist, man sie anzunehmen bereit ist. Bei Erwachsenen ist das nicht anders, Leistungsbereitschaft und -fähigkeit erwächst nicht aus Not und Nötigung, sondern in der Not zeigen sich die Fähigkeiten dazu, mit einer solchen Lage umzugehen, die aber anderswo erworben wurde. Es benötigt das Vertrauen darein damit schon zurecht zu kommen, damit es gelingen kann, dieses Vertrauen muss sich als Selbstvertrauen erst durch Erfahrung bilden – das zeichnet den Prozess der Sozialisation aus. Promberger setzt viel später an, wie an folgender Passage zu erkennen ist, da ist die Sozialisation schon aus dem Blick geraten:
„Wenn die Arbeit – was durch Arbeitsteilung und Entfremdung historisch der Fall sein kann und oft ist – zu viel Mühe und zu wenig Sinn macht, dann ist es eher an der Zeit, die Arbeit zu verändern, Arbeitsbedingungen zu verbessern, Arbeitsprozesse zu reintegrieren, geistige und körperliche Elemente der Arbeit miteinander zu versöhnen, Arbeit, Bildung und persönliche Entwicklung stärker zu verbinden, den Respekt vor unserer eigenen Kreatürlichkeit und Kreativität und der uns umgebenden Umwelt wieder stärker in den Fokus zu nehmen.“
Ist das ein Einwand gegen ein BGE? Kaum, denn es ist eine Frage, die mit dem BGE direkt zuerst einmal gar nichts zu tun hat, gleichwohl durch ein BGE Möglichkeitsräume erweitert werden.
„Doch die primäre Verantwortung für die Existenzsicherung der Beschäftigten liegt in der zumindest ethischen Verpflichtung des Arbeitgebers, diesen existenzsichernden Lohn zu bezahlen.“
Das kann man so sehen, ist jedoch eine Wertposition und folgt nicht aus den Lebensverhältnissen. Promberger setzt hier einfach voraus, dass der Lohn die Funktion der Existenzsicherung übernehmen muss. Da jedoch die Existenzsicherung im Allgemeinen Aufgabe der politischen Vergemeinschaftung ist, kann man sie genausogut aus dem Lohn herauslösen und durch ein BGE verwirklichen. Der Lohn hat dann andere Aufgaben. Will man keine Unterscheidung zwischen der Existenzsicherung im Allgemeinen und der der Beschäftigten machen, muss sie sogar aus dem Lohn herausgelöst werden. Bei genauer Betrachtung ist das auch der Fall, denn damit der Lohn das Existenzminimum absichert, muss er bis zur Höhe des Existenzminimums von der Besteuerung freigestellt werden, das sichert der Grundfreibetrag in der Einkommensteuer.
Nun ist die Argumentation gegen ein BGE schon in ein bestimmtes Fahrwasser geraten, so dass es folgerichtig heißt:
„Das bedingungslose Grundeinkommen stellt demgegenüber den Arbeitgeber teilweise von dieser Verpflichtung frei, denn die Verantwortung für die Existenzsicherung wandert zum Staat, der sich die Kosten aber – nach einem auszuhandelnden Schlüssel – letztlich von den Wirtschaftssubjekten zurückholen oder mit der Notenpresse finanzieren müsste, mit erwartbar negativen Folgen.“
Auch hier wird eine Wertposition formuliert. Ist es denn überhaupt angemessen, diese Aufgabe dem Arbeitgeber zu übertragen? Weshalb hätte ein BGE hier „negative Folgen“, die bestehenden Sozialleistungen aber nicht?
Ohne Worte die folgende Passage:
„Der existenzsichernde Lohn kann notfalls mit Streik und Protest vor dem Werkstor eingefordert werden. Der Adressat ist anwesend und greifbar – und durch den Arbeitskampf beeinflussbar. Der Adressat für das bedingungslose Grundeinkommen ist weit weg und in den Arbeitsprozess nicht involviert.“
Und auch das:
„Arbeit, so steht zu befürchten, würde entwertet statt anerkannt, Komplexität gesteigert statt reduziert, Verantwortung verwischt statt klar zugeordnet, wenn wir uns tatsächlich entscheiden sollten, zu einem solchen System überzugehen.“
Entwertet oder angemessen bewertet? Erwerbstätigkeit würde dadurch ja nicht überflüssig oder uninteressant, sie wäre nur nicht mehr die herausragende Form sich einzubringen.
„Doch ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle macht für eine Arbeitsgesellschaft keinen Sinn: Arbeit ist ein Grundelement menschlicher Existenz. Und die primäre Verantwortung für das Arbeitsverhältnis liegt bei Arbeitgebern, Beschäftigten und ihren Organisationen.“
Damit ist alles gesagt, ein treffendes Fazit zur Wertposition des Beitrages mit einseitiger, teils irreführender Analyse.
Sascha Liebermann