"Freiheit oder Vollbeschäftigung? Wie wollen wir leben? Zur Debatte um das Grundeinkommen" – Interview mit Sascha Liebermann

Das Interview ist in Tattva Viveka – der Zeitschrift für Wissenschaft, Philosophie und spirituelle Kultur, November-Ausgabe, veröffentlicht. > PDF-Datei

'You've got to find what you love'

Im Rahmen der akademischen Abschlussfeier an der Stanford Universität am 12. Juni 2005 hat Steve Jobs, CEO von Apple Computer und von Pixar Animation Studios, eine beeindruckende Rede (Video, Druckfassung) darüber gehalten, wie wichtig und schwierig es ist, das für sich richtige zu finden. Der Titel der Rede könnte zugleich das Motto für die Freiheitszumutung sein, die das bedingungslose Grundeinkommen mit sich bringt.

SPD Rhein Erft contra Grundwertekommission der SPD

Die SPD Rhein-Erft hat unter dem Titel „Solidarisches Grundeinkommen“ eine Erwiderung zur Kritik der Grundwertekommission („Geld allein genügt nicht“) beim SPD Parteivorstand am bGE verfasst. Vor kurzem hat der SPD Rhein Erft Vorsitzende Guido van den Berg seine Partei aufgefordert, sich mit dem bGE auseinanderzusetzen.

„Vollbeschäftigung, ein populistischer Wunsch“ – sagt der Bereichsleiter einer Agentur für Arbeit

So wird Roger Reckerwell in der Braunschweiger Zeitung zitiert. Er ist Bereichsleiter der Agentur für Arbeit Wolfenbüttel-Salzgitter-Braunschweig. Und er fordert eine Grundsicherung für alle Bürger ohne Bedürftigkeitsprüfung. Erstaunlich klare Worte. Hier ein älteres Dokument, in dem der Vorschlag von Reckewell schon dargelegt wird.

"Arbeit, Sinn des Lebens?" – Diskussion auf ARTE

Im Rahmen der Sendung „Paris – Berlin, die Debatte“ auf ARTE wurden über Arbeit und den Sinn des Lebens diskutiert. Auch über das bedingungslose Grundeinkommen ist Thema. Die Sendung ist online verfügbar (einzelne Teile beim Archiv Grundeinkommen mit Link zu Youtube).

Burnout – Themenabend bei ARTE

Im Fernseprogramm ARTE wurden heute drei Filme ausgestrahlt, die sich mit dem Thema Burnout beschäftigen. Eine Wiederholung ist für den 1. Dezember vorgesehen. Der Hauptfilm ist online verfügbar (einzelne Teile beim Archiv Grundeinkommen mit Link zu Youtube). Auch interessant ist der dritte Film. Er berichtet von Menschen, die in ihrem Beruf nicht mehr zurecht kamen und sich umorientierten. Die Verbindung zum bedingungslosen Grundeinkommen – wenn es auch nicht erwähnt wird – liegt auf der Hand.

Statt Hofberichterstattung – Hartnäckigkeit

Anlässlich der Pressekonferenz am 24. Oktober zur Vorstellung des Koalitionsvertrages hat sich ein niederländischer Journalist hervorgetan, der beharrlich die Bundeskanzlerin fragte, wie sie dem künftigen Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble vertrauen könne (zum Video), habe er doch in der Vergangenheit 100 Tausend DM Spenden anzugeben vergessen. Interessant ist die Hartnäckigkeit im Kontrast zu der unter deutschen Journalisten verbreiten Haltung, statt Meinungsbildung zu fördern, entweder Hofberichterstattung zu betreiben oder pubertierend trotzig zu nörgeln.

In einem Interview mit der Welt online äußert er sich so:

„WELT ONLINE
: Halten Sie die deutschen Journalisten für unkritisch?

Savelberg: Ich würde es anders bezeichnen. Vielleicht haben meine deutschen Kollegen zu viel Respekt. Mir fällt auf, dass es in Holland weniger Berührungsängste gibt. Das sind meine Kollegen härter. Die Regierung besteht nur aus gewählten Volksvertretern. Das sind keine Monarchen.“

Das scheinen wir allzuoft zu vergessen. Statt wie Bürger verhalten wir uns wie Untertanen und warten ab, was „die da oben“ uns wohl bringen werden.

Petition: Arbeitslosengeld II – Abschaffung der Sanktionen nach § 31 SGB II

Ralph Boes hat eine Online-Petition an den Deutschen Bundestag eingereicht, die noch bis zum 28. Oktober mitgezeichnet werden kann. Weitere Informationen auch hier.

Mitzeichner nach Ende der Zeichnungsfrist: 6316 .

Bedenkt man, was mit dem Bürgergeld der FDP, würde es umgesetzt, auf uns zukäme, hat diese PetitionSanktion an Bedeutung nichts eingebüßt.

Hartz IV: Verfassungsrichter bringen Regierung in Erklärungsnot

Als Niederlage der Bundesregierung kann die Einschätzung des Bundesverfassungsgerichts über die Methoden zur Ermittlung von Hartz IV-Regelsätzen gelten. Zahlreiche Zeitungen berichten darüber: die Süddeutsche, Spiegel Online, Frankfurter Rundschau.

Im Kommentar von Heribert Prantl in der SZ werden die Richter so wiedergegeben:

„Es geht um mehr, nämlich um das soziokulturelle Existenzminimum, also um den Betrag, den man benötigt, um am gesellschaftlichen Leben wenigstens ein wenig teilnehmen zu können. Eine moderne Sozialpolitik sorgt dafür, dass der Mensch Bürger sein kann; seine politischen Rechte brauchen ein soziales Fundament. Die Richter werden es beschreiben und befestigen.“

Doch, eines muss hier festgehalten werden: selbst ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts schafft noch keine Verbesserung. Sie ist nur politisch zu erreichen. Schon früher gab es Urteile des BVerG zum soziokulturellen Existenzminimum, die in der Hartz IV-Gesetzgebung nicht beachtet wurden.

Nur Engagement also wird zu Verbesserungen führen können, ein bedingungsloses Grundeinkommen gibt uns niemand, wir – die Bürger – müssen es schaffen.

Nachwuchsvergessene Hochschulpolitik – und ein bedingungsloses Grundeinkommen

Wer nicht in Forschung und Lehre tätig ist oder dorthin strebt, weiß in der Regel wenig über die Karrierewege von Wissenschaftlern. Abgesehen von Klischees über taxifahrende Geisteswissenschaftler erhält ihre Lage wenig öffentliche Aufmerksamkeit. Viele gehen davon aus, Wissenschaftler seien ohnehin verbeamtet oder auf Dauerstellen tätig. Das trifft auf einige (ca. 30%) in der Tat zu, auf die Mehrheit aber nicht. Hinzukommt eine enorme Zahl an Lehrbeauftragten an Universitäten und Hochschulen, die mit einem Hungerlohn abgespeist werden, aber für den laufenden Betrieb unerlässlich sind. Die meisten befristeten Mitarbeiter sind auf der Basis von Drei- bis Sechjahresverträgen angestellt. Die besonders schwierige Lage rührt allerdings nicht alleine daher, sondern aus der Eigenheit von Wissenschaft: sie bringt – vor allem in der Grundlagenforschung – nichts hervor, das direkt von Nutzen ist (siehe auch hier und hier). Deswegen bestehen auch so gut wie keine Möglichkeiten, außerhalb des Wissenschaftssystems weiter zu wirken. Dass es gerade in den letzten sieben Jahren zu einer gewaltigen Verschärfung der Situation gekommen ist, auch hier ein Ergebnis der Rot-Grünen Bundesregierung unter Kanzler Schröder, ist wenig bekannt, da die Universitäten samt ihrer Mitglieder, der Professoren, sich dagegen nicht wehren.

In seinem Beitrag „Weder Junior noch Professor“ (Die Zeit vom 15.10.2009) hat Martin Spiewak jüngst den Finger in die Wunden halbherziger, gar nachwuchsvergessener Hochschulpolitik gelegt. Anschaulich wird dies anhand von Qualifizierungswegen und Karriererisiken von jungen Wissenschaftlern im deutschen Universitätsbetrieb. Eines allerdings betrachtet der Autor nicht: die Folgen des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes, das seit 2002, in geänderter Fassung seit 2007, in Kraft ist und weithin in Vergessenheit geraten zu sein scheint. Dieses Gesetz (auch 12-Jahresregelung genannt) beschränkt eine befristete Anstellung von Wissenschaftlern auf die Gesamtdauer von 12 bzw. 15 Jahren. Die Zeit vor der Promotion, auch wenn ein Kandidat von einer Universität nur als Doktorand anerkannt und in keiner Form angestellt war, wird als Anstellung angerechnet. Die Änderung des Gesetzes in 2007 führte nur zu einer Lockerung insofern als die Befristungsregelung nunmehr nur für Haushaltsstellen gilt. Aus Drittmitteln kann eine Anstellung weiterhin erfolgen – das war zuvor so gut wie nicht möglich. Wer jedoch nach 12 bzw. 15 Jahren auf keinen Lehrstuhl berufen wird oder eine der wenigen anderen Dauerstellen (z.B. als akademischer Rat) erhält, der hat Pech, um es zynisch auszudrücken. Dieses Pech bedeutet meist das Ende von Forschung und Lehre, schlimm für den Einzelnen – für die Wissenschaft ein Verlust und für unser Gemeinwesen ebenso. Da muss es zynisch anmuten, wenn die Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin, Jutta Allmendinger, davon spricht, unter Akademikern herrsche Vollbeschäftigung (Erwerbslosigkeit bis 3%). Wem, der davon betroffen ist, nützt diese Statistik? Sie verhindert nicht, dass Wissenschaftler das aufgeben müssen, was sie am besten können, wenn sie keine Stelle erhalten. Für jeden Einzelnen ist das eine Katastrophe.

Nicht verwunderlich ist es also, dass Wissenschaftler sich im Ausland umschauen, die weiter lehren und forschen wollen. Ohnehin wird große Mobilität vorausgesetzt, denn selbstverständlich werden müssen Stellen immer bundesweit gesucht werden, sonst sind die Chancen noch schlechter.

Nun war es für einen Wissenschaftler schon immer ungewiss, ob er je auf eine Professur berufen wird, damit lebten und leben alle, die diesen Weg gehen wollen. Doch bevor die 12-Jahresregelung erlassen wurde, gab es immerhin noch befristete Verträge, die einen bis zur Rente tragen konnten und die es erlaubten, weiterhin zu forschen und zu lehren. Sie halfen auch die Zeit zu überbrücken, bis einen gegebenenfalls ein Ruf ereilte. Heute bleibt nur der Sprung ins Drittmittelrennen, das ist der einzige Ausweg und mit ebenso ungewissem Ausgang. Nur jeder dritte Forschungsantrag wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft bewilligt – auch das ist wiederum nur Statistik. Sie hilft demjenigen nicht, dessen Antrag abgelehnt wird oder der sogar die Erfahrung machen muss, dass mehrere Anträge abgelehnt werden. Ihnen gehen stets umfangreiche Vorarbeiten voraus, sie sind im Fall der Ablehnung oft vergebene Müh.

Es stellt sich unweigerlich die Frage, weshalb die ungewisse berufliche Zukunft von Wissenschaftlern noch durch die Befristungsregelung verschlechtert werden musste? Oder fragen wir anders: Wie war es möglich, dass eine solch aberwitzige Regelung ohne nennenswerten Widerstand durchgesetzt werden konnte? Weil offenbar, ganz wie in Sachen Hochschulreform im allgemeinen, die Universitäten wie auch die darin tätigen Professoren, Einzelne seien ausgenommen, sich nicht als Fürsprecher der Wissenschaft, ergo des wissenschaftlichen Nachwuchses, verstehen. Würden sie sich ernsthaft darum sorgen, was aus dem wissenschaftlichen Nachwuchs wird, dann hätte es anhaltende Proteste und Widerstand geben müssen. Innerer Widerstand, den manche geübt haben mögen, ist verantwortungslos. Der Protest, den es gab, ebbte jedoch schnell wieder ab, auch ging er vor allem vom wissenschaftlichen Nachwuchs aus.

Wer eine Professur ergattert hat, so könnte man meinen, kann die Befristungsregelung gelassen nehmen, selbst wenn er weiß, was sie für Folgen hat. Er muss nicht einen einzigen Drittmittelantrag stellen; stellt er einen und er wird abgelehnt, hat es für den Antragsteller keine Folgen, er hat ja eine Stelle. Wissenschaftlern, die schon mit einer befristeten Stelle zufrieden wären, damit sie wenigstens weiterforschen können, und die heute um ihre Zukunft bangen, kann es angesichts der mutwilligen Indifferenz und teils zynischen Haltung von Etablierten die Sprache verschlagen. Was könnte getan werden?

Ein erster Schritt zur Verbesserung wäre die Abschaffung der 12-Jahresregelung; ein weiterer die allfällige Forderung nach mehr Mitteln für die Universitäten. Sie hilft aber denen nicht, die nicht in den Wissenschaftsbetrieb hineingelangen. Eine dritter Schritt, und das würde die weitreichendeste Veränderung bedeuten, wäre die Einführung eines ausreichend hohen bedingungslosen Grundeinkommens für alle Bürger. Denn, was im allgemeinen, für die Bürger, gilt, gilt auch im besonderen, für die Wissenschaftler. Es eröffnete die Möglichkeit, auch ohne Anstellung weiter zu forschen und zu lehren. Sich einer Forschergruppe zu assoziieren wäre auf einfache Weise möglich, ohne von einer Anstellung abhängig zu sein. Darüber hinaus würde es zu einer Pluralisierung des Wissenschaftssystems führen und die zentrale Ausrichtung auf die Universität aufheben.

Sascha Liebermann