Wollen wir erfahren, wie in unserem Land über die Selbstbestimmungsfähigkeiten des Einzelnen gedacht wird und welche Vorstellung davon herrscht, weshalb Menschen sich für etwas engagieren, dann müssen wir uns nur betrachten, wie über „einfache Tätigkeiten“ gesprochen wird.
„Einfache Tätigkeiten“, so heißt es, ergreife jemand dann, wenn er nur geringe berufliche Qualifikationen vorweisen könne, wenn sie nur als Zuverdienst benötigt werden oder auch, weil er oder sie keine andere Wahl habe. Nicht selten wird denjenigen, die solche Tätigkeiten ausüben, attestiert, sich mit ihnen nicht zu identifizieren. Sicher, es wird Arbeitnehmer geben, für die das Geld wichtiger ist als die Sache, um die es geht. Nicht verwunderlich ist das, wenn jemand in Not ist, dennoch aber eine schlechte Voraussetzung dafür, eine Arbeit gut zu machen. Denn Geld selbst ist nicht sinnerfüllend, ist kein Inhalt, sondern lediglich Mittel dazu, sich etwas zu verschaffen. Wenn Geld den Vorrang hat und die Sache unbedeutend ist, mit der es verdient wird, dann ist zweifelhaft, welcher Qualität die Leistung ist, die erbracht wird. Voraussetzung für Leistung ist die Bereitschaft, sich mit einer Sache, ganz gleich welcher, auseinanderzusetzen. Person und Sache müssen sich entsprechen, soll dabei etwas Brauchbares herauskommen. Auch für einfache Tätigkeiten, können wir sagen, bedarf es also eines inneren Antriebes.
Was für diese Tätigkeiten gilt, gilt selbstverständlich im allgemeinen, wie sollte man sonst erklären, dass auch gegen Widerstände und unter widrigen Umständen Menschen dennoch an ihren Zielen festhalten. Die Rede von „einfachen Tätigkeiten“ ist auch irreführend, weil unsere Erfahrung lehrt, dass Automatisierung vor komplexen Tätigkeiten nicht halt macht. Entscheidend ist also, wie routineförmig ein Beruf ist, wieviel der Arbeitsgänge, die mit ihm verbunden sind, auf Maschinen übertragen werden können. Man denke nur an den Geldautomaten, der vor vielen Jahren qualifizierte Bankangestellte ersetzt hat.
Wer nun gegen das BGE den Einwand vorbringt, es werde sich niemand mehr finden, der bereit sei, einfache oder gar „schmutzige“ Tätigkeiten auszuführen, der geht davon aus, dass diese Tätigkeiten nicht sinnerfüllend sein können. Er geht davon aus, dass man keinesfalls damit etwas Positives verbinden könne. Wir kommt das?
Wir denken in festen Definitionen und bemerken es nicht. Wir sehen davon ab, dass die Frage, was sinnerfüllend ist, nur der Einzelne für sich beantworten kann, es gibt darauf keine allgemeine Antwort. Genau damit aber, es dem Einzelnen zu überlassen, tun wir uns schwer. Für das „Volk der Dichter und Denker“ scheint es so zu sein, dass der Mensch nur durch Bildungszertifikate und Arbeit zum Menschen werde, nicht aber durch Bildung, in deren Zentrum der Einzelne als Individuum steht. Eine solche Bildung bestimmt sich durch Erfahrungen, die dem Einzelnen ermöglicht werden. Weil aber Zertifikate Bildung schon ersetzt haben, streben wir danach, möglichst viele durch eine rigide und selektive Schule zu schleusen, einen großen Anteil davon dann wiederum durch ein Studium zu schleusen – und beides folgt mehr denn je den Maximen von Unterwerfung und Anpassung, nicht aber denen von Selbstbestimmung und Auseinandersetzung.
Aus diesem Grund, weil jemand ohne gehobenen Abschluß nichts ist, werten wir einfache Tätigkeiten und die Menschen, die sie ausüben, ab. Deswegen können wir uns nicht vorstellen, dass jemand eine solche Tätigkeit seinen Ambitionen entsprechend ausüben will. Mit einem BGE täten wir den ersten Schritt, um die Beantwortung dieser Frage dem Einzelnen zu überlassen.
Sascha Liebermann