„Staat soll in der Not helfen – nicht proaktiv umverteilen“…

…so ist ein Gespräch mit Ursula Nothelle-Wildfeuer auf katholisch.de überschrieben, das Einblick in eine bestimmte Deutung des Subsidiaritätsgedankens gibt. Frau Nothelle-Wildfeuer hatte sich in der Vergangenheit wiederholt zu Subsidiarität und dem Bedingungslosen Grundeinkommen geäußert, siehe unsere Kommentare dazu hier, zu Subsidiariät hier.

Gibt es Neues zu vermelden?

„Frage: In der Arbeitswelt des 21. Jahrhunderts reicht der Lohn der Arbeit immer häufiger nicht mehr zum Überleben, auf der anderen Seite konstatierte Hannah Arendt: Der Arbeitsgesellschaft geht die Arbeit aus. Hat sich das Konzept der Arbeit als Quelle von Sinn und Entfaltung im Leben überlebt?

Nothelle-Wildfeuer: Der momentane Fachkräfte- und Arbeitskräftemangel widerspricht der Annahme von Hannah Arendt schon einmal. Auch sonst sehe ich nicht, dass sich die Arbeitsgesellschaft überlebt hat. Geändert hat sich sicher die Akzentuierung hin zu einer durchaus problematischen Bevorzugung akademischer Bildung und einer Zurücksetzung von handwerklicher Arbeit in der Wertschätzung der Gesellschaft. Das macht deutlich: Die Arbeitsgesellschaft entwickelt sich immer weiter, die Verhältnisse müssen immer wieder neu ausgehandelt werden. Die Debatten um die Folgen der Digitalisierung etwa zeigen, dass Arbeit einen wesentlichen Ort menschlicher Selbstverwirklichung darstellt. Sie ist hoffentlich nicht der einzige Bereich, wo das passiert, aber ein zentraler. Die Arbeitsgesellschaft ist nie fertig oder perfekt, aber alle Weiterentwicklung und Reflexion kommen immer wieder zu dem Grundsatz zurück, dass Menschen an diesen Arbeitsprozessen teilhaben wollen.“

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„Bedingungsloses Grundeinkommen verletzt Subsidiaritätsprinzip nicht“

Siehe unsere, in dasselbe Horn blasenden Ausführungen, z. B. hier.

Immer wieder – Subsidiarität mit Geben und Nehmen verwechselt

Siehe auch unsere Beiträge zu Subsidiarität hier.

„Auch widerspreche… Subsidiarität nicht einem BGE“ – eine selten anzutreffende Einordnung,…

…obwohl die Idee der Subsidiarität genau dies nahelegt, nur stets verkürzt ausgelegt wird.

Sascha Liebermann

Milliardäre, Gießkannenprinzip, Subsidiarität und die egoistische Seite des Menschen…

…darum geht es in einem Beitrag von Domradio.de, der sich mit dem Bedingungslosen Grundeinkommen befasst und es ist nicht der erste zu dieser Thematik (siehe unsere früheren Kommentare hier). Dort heißt es an einer Stelle:

„Auch Elmar Nass, Sozialethiker und Professor an der Kölner Hochschule für Katholische Theologie (KHKT) verfolgt die Studie [das Pilotprojekt Grundeinkommen, SL] mit großem Interesse – und einiger Skepsis: ‚Wir haben auch jetzt schon ein System der Sozialtransfers, das die Ärmsten in unserer Gesellschaft schützt‘, sagt er und verweist auf die Grundsicherung. Vor allem das Gießkannenprinzip sieht er kritisch. Im Interview mit DOMRADIO.DE sagte er: ‚Auch der Milliardär bekommt dann ein Grundeinkommen. Ich halte es für besser, dass im Sinne der Subsidiarität nur diejenigen Sozialtransfers bekommen, die sie wirklich brauchen.'“

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Subsidiarität ohne Erwerbsgebot – oft übersehen,…

…das lässt der Beitrag von Tine Stein erkennen, der in „Starke Familie – Solidarität, Subsidiarität und kleine Lebenskreise“, einer Veröffentlichung der Robert-Bosch-Stiftung, im Jahre 2009 erschienen ist. Auch wenn der Begriff „Subsidiarität“ jünger ist, so reichen die Überlegungen, die zu ihm führten, bis in die antike Philosophie zurück. Siehe hierzu den Beitrag von Otfried Höffe, zur einseitigen Auslegung des Subsidiaritätsgedankens siehe meine früheren Beiträge hier.

In der Veröffentlichung der Robert-Bosch-Stiftung findet sich auch ein Beitrag von Claus Offe zum Verhältnis Bedingungsloses Grundeinkommen und Familie.

Sascha Liebermann

Bedingungsloses Grundeinkommen als Ausschlussinstrument sowie ein beschränktes Verständnis von Subsidiarität…

…so lässt sich resümieren, was ein Vorabdruck aus dem neuen Buch des Präsidenten des ifo-Instituts, Clemens Fuest, über seine darin geführte Auseinandersetzung mit einem Bedingungslosen Grundeinkommen erkennen lässt (Clemens Fuest, Wie wir unsere Wirt­schaft retten. Der Weg aus der Corona-Krise, Aufbau Verlag; die hier zitierten Absätzen bilden den Abschluss des siebten Kapitels „Wie wir die Überforderung des Sozialstaats verhindern“, S. 174-180). Abgedruckt war der Auszug in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Ob Fuest sich noch an anderen Stellen des Buches mit einem BGE befasst, ist daraus nicht ersichtlich. Auch das Inhaltsverzeichnis lässt dies nicht erkennen. Was schreibt er?

„Die vierte Leitplanke ist das Subsidiaritätsprinzip. Es besagt, dass jeder Bürger zunächst selbst für seine wirtschaftliche Existenz verantwortlich ist. Erst wenn das scheitert, springt der Sozialstaat ein.  Zur Eigenverantwortung gehört, dass die Bürger sich gegen absehbare Risiken absichern. So lässt sich begründen, dass Arbeitnehmer verpflichtet werden, Beiträge an die Sozialversicherungen zu entrichten. Bei Selbständigen und Unternehmern geht man davon aus, dass sie ohne gesetzliche Verpflichtung für Risiken vorsorgen. Den Bürgern steht darüber hinaus das soziale Netz der Grundsicherung zur Verfügung.“

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Würde des Menschen, nicht der Erwerbstätigen

Beachten Sie auch die Diskussion zum Tweet, dort verknüpft ein Kommentator Würde mit Eigenverantwortung und schließt auf die Berechtigung von Hartz IV. Damit verkehrt er allerdings das Würdeprinzip, denn Würde enthält nicht die Verpflichtung zu Eigenverantwortung, dann gälte sie nicht vorbehaltlos, vielmehr geht Würde davon aus, dass „Eigenverantwortung“ übernommen werden kann und es auch wird. Daraus folgt aber nicht, dass Eigenverantwortung heißt, erwerbstätig sein zu müssen, sondern sein Leben so weit es geht, in die eigenen Hände zu nehmen. Wie weit es geht, darüber hat nicht der Gesetzgeber zu befinden, sondern die betreffende Person. Diese Verkehrung des Würdeprinzips entspricht der häufig anzutreffenden Umdeutung des Subsidiaritätsgedankens dahingehend, dass aus ihm die Verpflichtung folge, Einkommen mittels Erwerbstätigkeit erzielen zu müssen, siehe meinen früheren Kommentar dazu hier und hier.

Sascha Liebermann

Subsidiarität, Bedürftigkeit und Mündigkeit – wie steht die Demokratie dazu? Wie das Bundesverfassungsgericht?

Diese Frage wirft ein interessantes Gespräch mit Wolfgang Neskovic, ehemaliger Richter am Bundesgerichtshof, übertitelt, in neues deutschland auf. Veröffentlicht wurde es wegen des bevorstehenden Urteils des Bundesverfassungsgerichts (Beiträge zur Stellung des Bundesverfassungsgerichts von uns hier) zu Sanktionen im Sozialgesetzbuch. Neskovic ist sehr deutlich und sieht die Sanktionen im Widerspruch zur Unverfügbarkeit des Existenzminimums, die das BVerfG selbst in Urteilen festgestellt hatte. Neskovic sagt, dass Juristen selten die Verbindung zwischen dem Rechtsstaats- und dem Sozialstaatsprinzip herstellen und deswegen bislang Sanktionen für verfassungskonform gehalten wurden. Er erwartet hier kein umstürzendes Urteil in dieser Hinsicht, aber hält sich mit einer Prognose zurück. An einer Stelle äußert er sich indirekt zum Bedingungslosen Grundeinkommen. Er sagt auf die Frage:

Gibt es weitere Urteile [über das von 2010 hinaus, SL] des Bundesverfassungsgerichts, aus denen Sie ableiten, dass das Existenzminimum nicht gekürzt werden darf?
Ja. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 2012 zum Asylbewerberleistungsgesetz verdeutlicht, dass das Recht auf Gewährleistung des Existenzminimums zwar nicht bedingungslos ist, aber nur eine Bedingung beziehungsweise Einschränkung kennt: die Bedürftigkeit. Danach ist das Recht auf Gewährleistung des Existenzminimums gerade kein Recht auf ein bedingungsloses Grundeinkommen. Das Bundesverfassungsgericht hat in dieser Entscheidung allerdings unmissverständlich klargestellt, dass es neben der Bedürftigkeit keine weiteren Voraussetzungen oder Bedingungen für die Inanspruchnahme dieses Rechts gibt. So heißt es in der Entscheidung, dass »migrationspolitische« Gründe keine Kürzungen rechtfertigen. Konsequenterweise müsste das auch für die Gründe gelten, mit denen Sanktionen gerechtfertigt werden: Demnach können auch »pädagogische Gründe«, wie das Prinzip des »Förderns und Forderns«, Kürzungen nicht legitimieren.“

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„Grundeinkommen: Aus der Traum?“ – Subsidiarität und Bedingungsloses Grundeinkommen

…ein Beitrag von Ursula Nothelle-Wildfeuer, Professorin für praktische Theologie an der Universität Freiburg, in der Tagespost.

Dass auch eine Theologin diese Frage stellt:

„Wer würde die einfachen Arbeit noch erledigen wollen, wenn man auch mit weniger oder ganz ohne Arbeit seinen Lebensunterhalt bekäme?“

kann einen doch erstaunen. Dann heißt es:

„Aus der Perspektive des sozialethischen Grundprinzips der Subsidiarität gilt, dass jeder das Recht auf selbstbestimmte Teilhabe und auch die primäre Verpflichtung hat, für den eigenen Lebensunterhalt zu sorgen.“

Das ist zumindest eine Auslegung des Subsidiaritätsprinzips, die sich nicht mit der entsprechenden Enzyklika „Quadragesimo Anno“ deckt. Siehe meinen Beitrag dazu hier.

Sascha Liebermann