…schrieb Werner Enz schon im März in der Neuen Zürcher Zeitung als Kommentar zur Eidgenössischen Volksinitiative „Für ein bedingungsloses Grundeinkommen“. Dieser Beitrag ist insofern bemerkenswert, als er nicht nur die Argumente der Intitianten für das BGE verzerrt wiedergibt und Dinge unterstellt. Er bezeugt auf besonders deutliche Weise das Missverhältnis zwischen der Deutung der Lebensverhältnisse in der Schweiz und ihrer realen Ausgestaltung. Denn die Schweizer Demokratie mit ihren direktdemokratischen Verfahren bringt ausgesprochen viel Vertrauen in die praktische Vernunft der Bürger zum Ausdruck.
Wenn Enz der Volksinitiative vorwirft, dass ihr Vorschlag zur „Sinnentleerung“ von Arbeit führe, dann ist es im Grunde der Autor selbst, der ein sinnentleertes Verständnis von Arbeit äußert:
„Die grosse Mehrheit arbeitet nicht nur zum Zeitvertreib, sondern um die Familie über die Runden zu bringen und anderen nicht zur Last zu fallen.“
Arbeit „nicht nur“, aber vorwiegend als Zeitvertreib zu betrachten, ist so ziemlich die am wenigsten sachhaltigste Haltung zu Arbeit, die man sich vorstellen kann. Auch „anderen nicht zur Last zu fallen“ ist keine Motivierung, die etwas mit dem Inhalt von Arbeit zu tun hat. Sie hängt der Illusion an, jemand könne für sich selbst ganz alleine sorgen, würde also niemandem zur Last fallen, obwohl doch in allen Gemeinwesen gilt: alle sind von allen abhängig, alle fallen allen zur Last – und zwar notwendigerweise. Ganz ähnlich wie Enz hatte sich im März im WDR-Funkhausgespräch Gerhard Bosch von der Universität Duisburg-Essen geäußert, der das BGE mit der Begründung ablehnte, er wolle kein „Transferempfänger“ sein, als sei das der Inbegriff einer unwürdigen Existenz. Dabei macht dieser Status nur auf besondere Weise deutlich, wie groß die Abhängigkeit des Einzelnen in einem solidarischen Vergemeinschaftungszusammenhang ist.
Sascha Liebermann