„Klug, liberal, gerecht, effizient“, so ist ein Interview mit Thomas Straubhaar in kreuzer – Das Leipzig-Magazin übertitelt.
In diesem Interview klingt es wieder so, als sehe Straubhaar doch nicht vor, dass das BGE eine eigenständige Einkommensquelle sei, die nicht verrechnet wird. Er antwortet an einer Stelle:
„Eine Steuerreform ist es in dem Sinn, dass es alle heute geleisteten Zahlungen an den Staat und Unterstützungsleistungen vom Staat an die Menschen in einem einzigen Instrument, dem BGE zusammenfasst. Alle Einkommen werden gleichermaßen besteuert, egal ob Arbeits- oder Kapitaleinkommen. Das sind die laufenden Einzahlungen an den Staat. Auf der anderen Seite ist es so, dass alle Menschen den gleichen Betrag vom Staat erhalten. Als würde man einen Vorschuss vom Staat erhalten, der dann am Ende des Jahres mit den Einkommensteuerleistungen zu verrechnen ist.“
Ein BGE, das von der Wiege bis zur Bahre bereitgestellt wird, wird eben gerade nicht verrechnet, sonst folgte es einer Negativen Einkommensteuer. Oder meint Straubhaar etwas anderes an dieser Stelle?
Eine bemerkenswerte Antwort gibt er auf die folgende Frage:
kreuzer: Wer würde dann noch investieren?
STRAUBHAAR: Kapital ist gar kein so scheues Reh, wie viele behaupten. Das ist ein Mythos. Finanzkapital mag andernorts hingehen, aber Realkapital, also Firmenanlagen, Fließbänder, Fabrikgebäude können nicht so schnell verlagert werden. Andere Faktoren, wie politische Stabilität, Rechtssicherheit und eine gute Qualität der Infrastruktur, sind viel wichtiger als Steuersätze.
In der folgenden Passage folgt dann das bekannte Anreiz-Denken:
kreuzer: Menschen reagieren auf Anreize, so formuliert es Ihre eigene Disziplin die Volkswirtschaftslehre. Wird noch jemand arbeiten, wenn der Anreiz wegbricht zu arbeiten?
STRAUBHAAR: Es gibt empirisch ein Paradoxon. Fragen Sie Menschen, ob sie selber bei einem Grundeinkommen noch weiter bereit wären zu arbeiten und etwas dazu zu verdienen, sagt die überwiegende Mehrheit, dass sie mehr als das Existenzminimum haben möchte. Fragen Sie dieselben Menschen noch mal, wie sich deren Nachbarn verhalten würden, antworten sie, dass diese sicherlich aufhören würden zu arbeiten.
kreuzer: Also wissen wir nicht allzu viel.
STRAUBHAAR: Es gibt keine empirische Evidenz, wie ein Systemwechsel die Motivation der Menschen zu arbeiten verändert. Aber man weiß ohnehin nicht, wie die Arbeitswelt von morgen aussehen wird, gerade in Bezug auf die Digitalisierung. Wenn man an den Anreizgedanken glaubt, dann müssen Menschen einfach entsprechend höhere Anreize geboten werden, damit es sich stärker als heute lohnt, arbeiten zu gehen.
kreuzer: Das bedeutet einen höheren Reallohn für alle.
STRAUBHAAR: Genau. Die Marktmacht der Beschäftigen gegenüber den Kapitalisten würde steigen. Und je mehr sie zunimmt, umso mehr müssen die Arbeitgeber aktiv werden, um Beschäftigte zu finden. Das würde zu steigenden Reallöhnen führen, was finanzierbar ist. Die Digitalisierung führt zu steigender Arbeitsproduktivität und höheren Reallöhnen.
Aber nicht der unpräzisen „Anreize“ wegen. Vielmehr zeichnet es die menschliche Praxis aus, gestalten und wirken zu wollen, allerdings nicht unter allen Bedingungen. Es geht also um Autonomie und Selbstbestimmung.
Sascha Liebermann