„Mutter zu werden kostet Frauen ein Vermögen“ – die gleichen Befunde, dieselben Empfehlungen wie stets – und dazu eine Studie?

Johannes Pennekamp berichtet in der Frankfurter Allgemeine Zeitung über eine neue Studie der BertelsmannStiftung, die im Titel angefügte Anmerkung zu den gar nicht überraschenden Ergebnissen macht er allerdings nicht. Man kann sich bei manchen Studien und noch mehr bei den Empfehlungen fragen, ob es denn der Studie bedurft hätte. In der Kurzdarstellung zur Studie heißt es auf der Seite der BertelsmannStiftung:

„Insgesamt bilden die Ergebnisse zum Gender Lifetime Earnings Gap und zur Motherhood Lifetime Penalty einen eindrücklichen Nachweis der immensen Ungleichheiten, die auf dem deutschen Arbeitsmarkt zwischen den Geschlechtern und zunehmend auch innerhalb der Gruppe der Frauen bestehen. Diese doppelte Ungleichheit ist nicht nur ungerecht, sondern geht auch mit einer gesamtwirtschaftlichen Ineffizienz einher, die sich die deutsche Wirtschaft insbesondere angesichts des demografischen Wandels und des anhaltenden Fachkräftemangels nicht erlauben kann. Wenn Frauen – und insbesondere Mütter – nur rund die Hälfte der für Männer möglichen Lebenserwerbseinkommen erwirtschaften, obwohl sie ihnen in Leistungsfähigkeit und Bildung in nichts nachstehen, wird ein großer Teil des Arbeitskräftepotenzials nicht ausgeschöpft.

Für die Politik gibt es ein vielseitiges Tableau an Handlungsoptionen, um der doppelten Ungleichheit nicht nur Einhalt zu gebieten, sondern auch aktiv entgegenzuwirken. Die Optionen reichen von Maßnahmen, die eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglichen (unter anderem durch einen kompromisslosen[!] Ausbau der Betreuungsinstitutionen), über eine Reform des Ehegattensplittings und der Minijob-Regelungen bis hin zu einer besseren Entlohnung und verstärkten tarifvertraglichen Abdeckung der als systemrelevant eingestuften Berufe.“

Kann dieser Befund überraschen? Nein. Alleine die Zeitverwendungsstudien des Statistischen Bundesamts weisen schon aus, wer die Hauptlast „unbezahlter Arbeit“ (siehe auch hier) trägt – so erklären sich auch die entsprechenden Konsequenzen für die Alterssicherung und die wiederkehrende Diskussion über Altersarmut bei Frauen.

Können dann wenigstens die Handlungsempfehlungen der Studie überraschen? Nein. Denn wer Familie nur als Konkurrenz zur „Ausschöpfung des Arbeitskräftepotentials“ betrachtet, wie es heute nicht selten heißt, und die ihr eigene Beziehungsdynamik und -logik nicht für sich gelten lässt, wird immer zu Empfehlungen gelangen, die zu Lasten von Familie gehen. Deswegen wiesen in den vergangenen Jahren beinahe alle Empfehlungen in die Richtung eines „kompromisslosen Ausbaus der Betreuungsinstitutionen“, der Aufhebung des Ehegattensplittings und natürlich alles im Dienste der Steigerung der Frauenerwerbsquote. Das allein, so die Studie in der Langfassung im Fazit am Schluss, reiche allerdings nicht aus. Überhaupt einmal über eine andere Absicherungsform nachzudenken, die Einkommen nicht von Erwerbstätigkeit abhängig macht – Fehlanzeige. Dabei wäre es nur so möglich, den Eltern anheim zu stellen, wie lange sie es für richtig erachten, vorrangig oder ausschließlich für ihre Kinder dazusein. „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“, auf die auch die Bertelsmann-Studie abzielt, ist die schönfärberische Formel dafür, Familie hintanzustellen, worauf ironischerweise der Achte Familienbericht mit dem Titel „Zeit für Familie“ hinausläuft: Ganztagsbetreuung, Ganztragsbetreuuung, Ganztagsbetreuung – natürlich immer ganz zum Wohl der Familien. Wer beides – Beruf wie Familie – ernst nehmen will, muss andere Wege gehen, die können aber nicht in einer immer weiter voranschreitenden Vorherrschaft von Erwerbstätigkeit über die anderen Lebenssphären liegen. Sie können aber auch nicht auf Volkserziehung hinauslaufen, die Leistungen an Wohlverhalten bindet (wie bei den zusätzlichen Elterngeldmonaten). Welche Alternative bleibt dann? Nur ein Bedingungsloses Grundeinkommen in ausreichender Höhe eröffnet wirklich eine Alternative.

Apropos – im Beitrag von Pennekamp wird noch die Frage nach der Zufriedenheit durch Kinder aufgeworfen: sie haben „keinen messbaren Einfluss auf Zufriedenheit“, so der zitierte Sozialwissenschaftler Martin Schröder. Na, dann kann darauf ja verzichtet werden.

Sascha Liebermann