…ist immer wieder zu hören. Im selben Atemzug wird häufig behauptet, das genau diese Frage eine Schwachstelle der BGE-Debatte sei – ganz ähnlich wie die „ungeklärte“ Finanzierungsfrage -, es werde sich damit, so die Behauptung, ja gar nicht beschäftigt. Wie diejenigen, die das behaupten, darauf kommen, ist ihr Geheimnis, denn die Frage, ob Inflation entstehen könne, begleitet die Debatte schon lange. Man müsste sich nur die Mühe machen, ein wenig zu recherchieren, aber dann wäre der gesamte Gestus des Aufklärens nur halb so viel wert. Aus etwa 17 Jahren öffentlichen Vorträgen zu der Thematik kann ich sagen, dass diese Frage immer gestellt wurde. In der Literatur fallen die Einschätzungen keineswegs so eindeutig aus, wie es die Aufklärer gerne hinstellen (siehe die Hinweise unten), so „hart“ scheinen die „Fakten“, auf die sich manche berufen, nicht zu sein. Klarerweise kann es mit einem BGE zu Inflation kommen, wie es auch heute Inflation gibt und immer wieder geben kann, sie wird sogar direkt angestrebt, z. B. die Zielinflation im Euro-Raum. Nicht Inflation als solche, erst unverhältnismäßige wäre bedenklich.
Weshalb wird daraus dennoch ein Schreckgespenst, das im Grunde immer dann drohen könnte, wenn Lohnerhöhungen erfolgen? Kürzlich hat der Wirtschaftshistoriker Carl-Ludwig Holtfrerich, der ein Standardwerk zur Inflation zwischen 1914 und 1923 geschrieben hat, der Wochenzeitung Die Zeit dazu ein Interview gegeben mit dem bezeichnenden Titel „Die Deutschen können nicht mit Schulden umgehen“.
So wenig notwendig es zu bedenklicher Inflation kommen muss, so wenig lässt sich darüber sagen, was die Bürger mit dem BGE tun werden, genau das aber ist der entscheidende Punkt auch in der Inflationsfrage, denn alles hängt von den „Verhaltensänderungen“ ab. Hier scheint nun der Abgrund sich zu öffnen, die ganze Fahrlässigkeit des Vorschlags tritt zutage. Erstaunlich ist daran nur, dass wir so tun, als wüssten wir heute, was die Bürger denn morgen tun werden. Wussten wir das etwa, als die Pandemie begann, wussten wir, ob die ergriffenen Maßnahmen denn überhaupt befolgt werden? Nein, das wussten wir nicht, wir konnten nur auf die Vernünftigkeit der Bürger setzen, nicht fahrlässig zu handeln. Diese ganze Offenheit der Zukunft ist also keine Eigenheit eines BGE, wenngleich die möglichen Veränderungen hier als viel weitreichender erscheinen – ja, eben, erscheinen. Sind sie es denn auch? Sie erscheinen dann so, wenn ein bestimmtes Verständnis davon vorausgesetzt wird, warum Menschen handeln, wie sie handeln. Wer meint, „Anreize“ spielten die entscheidende Rolle, die Ausrichtung an „extrinsischer Motivation“ sei führend, der muss zu diesen Schlüssen gelangen, weil doch angeblich alles an der Entschädigung durch Lohn bzw. Einkommen hängt. Wer allerdings davon nicht ausgeht und sich schlicht die heute schon leicht studierbaren Grundlagen unseres Zusammenlebens betrachtet, dass „Anreize“ (siehe auch hier) eben nur mit „Präferenzen“ im Zusammenhang zu etwas führen können, diese Präferenzen aber nicht individuell geschaffen werden, sondern sich in Auseinandersetzung mit kollektiv geltenden Normen und Regeln herausbilden, diese Präferenzen dann wiederum unterschiedlich sind usw., der gelangt durchaus zu anderen Schlüssen. Schon heute setzt das Gemeinwesen auf eine selbstverständlich bestehende Normbindung und es wird dies immer tun müssen (siehe Böckenförde-Diktum).
Hier wenige Beiträge, die sich mit der Frage, ob ein BGE zu Inflation führen könnte, beschäftigen. Die Auswahl ist sehr selektiv und rein zufällig:
Thieß Petersen argumentiert in seinem Beitrag vor allem in eine Richtung: steigende Inflation, allerdings nennt er Bedingungen, unter denen das passieren würde, zwingend ist sie keineswegs. Petersen macht deutlich, dass etwaige „Verhaltensänderungen“ darüber entscheiden, welche Folgen ein BGE haben wird und dass in der Standardtheorie hier Annahmen definiert sind.
Bernhard Neumärker hält es nicht für ein großes Problem, auch er gibt Bedingungen an, unter welchen Inflation entstehen und wie ihr begegnet werden könnte.
Sogar Heiner Flassbeck, vehementer Kritiker eines BGE, räumt ein, dass es eines ohne Inflation geben kann.
Philippe Van Parijs und Yannick Vanderborght gehen in „Basic Income. A Radical Proposal“ auf diese Frage ebenso ein und legen abwägend dar, unter welchen Bedingungen Inflation eintreten könnte.
Auf der Website des Basic Income Earth Network gibt es ebenfalls Beiträge dazu, siehe auch die Frequently Asked Questions hier und über das Suchergebnis hier.
Sascha Liebermann