…dieses Zitat stammt aus einem treffenden Kommentar zur Hartz IV-Diskussion auf der Website des Satire-Magazins titanic. Der Originalbeitrag von Henrike Roßbach in der Süddeutschen, auf den Bezug genommen wird, findet sich hier. Der scharfe Ton des titanic-Autors ist nachvollziehbar, da Roßbach nur am Ende erwähnt, was den Alltag der ständigen Drohung ausmacht, mit Sanktionen überzogen werden zu können – und zwar wegen Kleinigkeiten.
Wenn Roßbach schreibt:
„Natürlich ließe sich mehr Teilhabe erkaufen mit höheren Hartz-IV-Sätzen. Gerecht aber wäre auch das nicht. Weder gegenüber denen, die in der Grundsicherung feststecken, noch gegenüber denen, die gerade so noch ohne sie zurechtkommen. Ziel staatlicher Fürsorge sollte eigentlich sein, sich überflüssig zu machen. Besser als Hartz IV ist nicht mehr Hartz IV, sondern kein Hartz IV mehr zu brauchen. Die Welt der Regelbedarfe sollte für niemanden ein Zuhause werden, in dem er dann vergessen werden kann.“
Das klingt gerade so, als könne man es sich im Arbeitslosengeld II-Bezug gemütlich einrichten. Auch sie kommt nicht auf den Gedanken, dass die Ziele dieser Leistungen womöglich das Problem sind, der Irrläufer, da sie an den Problemlagen der Bezieher vorbeigehen. Was wäre also die Alternative? Roßbach müsste die Problemlagen abschaffen wollen, die zum Bezug führen, das geht aber gerade im Bereich der Langzeitarbeitslosigkeit an der Realität vorbei.
„Aus Hartz IV herauszukommen ist schwierig und, auch das gehört zur Wahrheit, nicht immer attraktiv. Für eine Familie mit zwei oder drei Kindern ergeben Regelbedarf und die vom Jobcenter übernommenen Wohn- und Heizkosten eine Summe, die auf dem Arbeitsmarkt nicht so einfach zu verdienen ist – vor allem nicht, wenn die Betroffenen schon länger arbeitslos und schlecht qualifiziert sind. Umgekehrt würden jene, die es heute aus eigener Kraft knapp über die Grundsicherung schaffen, in Hartz IV rutschen, wenn die Leistungen deutlich erhöht würden.“
Nun ist die entscheidende Frage, ob „attraktiv“ hier schmähend oder im Sinne praktischer Vernunft verwendet wird. Wir können hier sehen, wie fest gefahren die Diskussion ist, wenn es auf der einen Seite immer darum geht, möglichst aus dem Bezug überhaupt herauszukommen, auf der anderen „Teilhabe“ durch Beschäftigungsprogramme zu schaffen. Dahinter steht immer das durchaus schon ideologische Ziel, dass Abhängigkeit von anderen grundsätzlich zu überwinden sei oder zumindest es so sein muss, dass ein Mindestbeitrag an Erwerbstätigkeit erbracht wird. Weshalb nicht anerkennen, dass Abhängigkeit aller von allen in einem Gemeinwesen der Normalfall ist? Dann wäre als nächstes anzuerkennen, wie wenig unser individueller Leistungsanteil Grund für Wohlstand ist und dazu noch, dass es keineswegs alleine die Leistung in Erwerbstätigkeit ist, die dazu beiträgt? Das zu sehen ist aber dann unmöglich, wenn Selbstbestimmung immer nur als Form des „von eigener Hände Arbeit leben“ verstanden wird.
Sascha Liebermann