Zweimal bestand in dieser Woche die Möglichkeit, den Geist der Sozialgesetzgebung in seiner Lebendigkeit zu erfahren. In der ersten Sendung, Menschen bei Maischberger, war durch die Einladung von Ralph Boes und Katja Kipping (Die Linke) auch das Bedingungslose Grundeinkomen Thema (Sendung online verfügbar via youtube). Schon der Titel „Wer arbeitet, ist der Dumme“ zielte auf bestimmte Werthaltungen. So klischeehaft er ist, so sehr fasste er zuspitzend zusammen, weshalb wir Hartz IV haben. Enno Schmidt hat einen guten Kommentar zur Sendung verfasst. Alle vertraten in der Sendung, was sie zu vertreten hatten, eine Diskussion wurde daraus nicht. Schönfärberisch wurde über die Folgen der Sozialgesetzgebung gesprochen, die Anlass der Sendung war. Dabei hätte sachlich darüber diskutiert werden können, was es für unser Gemeinwesen bedeutet, eine solche Sozialgesetzgebung zu haben und ob wir sie zukünftig wollen. Ob wir damit nicht alles untergraben, was für unser Bestehen wichtigt ist: Freiheit, Demokratie, Solidarität und Leistung. Diese Frage ist keine juristische, es geht nicht um Rechtsauslegung, sie ist politisch, es geht um Gestaltung unseres Zusammenlebens.
Das Archiv Grundeinkommen hat einige Presseartikel und andere Stellungnahmen zur Maischberger-Sendung gesammelt.
In der zweiten Sendung, Anne Will, ging es ebenfalls um die Sozialgesetzgebung. Wie in der ersten Sendung erkennen Befürworter wie auch einige Kritiker der Sozialgesetzgebung nicht den Zusammenhang zwischen Anspruchs- bzw. Bedarfsprüfung und Stigmatisierung unter heutigen Bedingungen (mit einem BGE änderte die Bedarfsprüfung für Bedarfe über das BGE hinaus ihren Charakter). Selbst diejenigen, die eine Aufhebung von Sanktionen befürworten, meinen, damit wäre ein Sicherungssystem geschaffen, das Druck von den Menschen nähme (siehe hier und hier). Das kann getrost als naiv betrachtet werden, denn nicht die Sanktionen alleine erzeugen die Stigmatisierung, sie verstärken sie nur. Der Status der Notfallleistungen, die nach Anspruchs- bzw. Bedarfsprüfung stets nach Maßgabe des Vorrangs von Erwerbstätigkeit gewährt werden, ist es, der die Stigmatisierung bedingt. Wer aber, wie auch einige Kritiker der Sanktionen (die häufig den „alten“ Sozialstaat verteidigen), die das Sozialgesetzbuch vorsieht, den Vorrang von Erwerbstätigkeit für richtig erachtet, nimmt die Stigmatisierung in Kauf.
Wertvoll, wirkliche Arbeit ist eben nur Erwerbsarbeit – alles andere ist ein schönes Hobby. Markus Söder bemerkte gar nicht, wie er durch seine Ausführungen in der Maischberger-Sendung, das Engagement seiner Frau, die sich um ihre vier Kinder kümmert, herabwürdigte. Diese Herabwürdigung ist eine Folge der Überbewertung von Erwerbstätigkeit und degradiert Familie ebenfalls zu einer nachgeordneten Angelegenheit.
Sascha Liebermann