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Am 27. Juni wurde in der Phoenix-Runde über das Bedingungslose Grundeinkommen diskutiert. 45 Minuten waren dafür vorgesehen, das ist nicht viel, aber auch nicht nichts.
Am 27. Juni wurde in der Phoenix-Runde über das Bedingungslose Grundeinkommen diskutiert. 45 Minuten waren dafür vorgesehen, das ist nicht viel, aber auch nicht nichts. Mit Anke Hassel (Hertie School of Governance/ WSI Hans Böckler Stiftung) und Ulrike Herrmann (taz) waren zwei Kritikerinnen eingeladen, die sich schon öfter zur Sache geäußert haben. Daniel Häni und Michael Opielka (Ernst-Abbe-Hochschule Jena) auf der anderen Seite sind erfahrene Befürworter. Die Diskussion zeigte, dass zwischen beiden „Lagern“ keine Brücken gebaut werden konnten, das hatte auch mit Werthaltungen zu tun. Frau Hassel und Frau Herrmann finden es eben falsch, Geld mit der „Gießkanne“ (Herrmann“) zu verteilen. Sie plädieren für eine – wie ich es nennen würde – Befreiung von oben zur Erwerbstätigkeit durch Bildung (Hassel, Herrmann), nicht aber für eine Befreiung des Individuums als Bürger eines Gemeinwesens durch „Machtumverteilung“ (Häni), also eine Befreiung von unten durch Erweiterung von Handlungsmöglichkeiten ohne Richtungsweisung. Während Häni und Opielka darauf hinwiesen, dass ein BGE durch Einkommenssicherheit zu einer Machtumverteilung führe, zu einer Ermächtigung, betonten Hassel und Herrmann, dass Teilhabe durch Bildung entscheidend sei. Sie stellten aber nicht die Frage, auf welcher Basis Bildungsprozesse sich am besten entfalten können, denn dann hätten sie im Grunde zum BGE gelangen müssen, wenn das Bildungswollen ernst gemeint ist. Sonst bleibt es eine Bildungsverordnung. Weil beide aber eher die Verordnungshaltung vertraten, war der Weg zueinander versperrt. Deswegen stieg wahrscheinlich keine von beiden auf den Hinweis Opielkas wie Hänis ein, dass ein Verständnis von Arbeit, das sich auf Erwerbsarbeit fokussiere, andere Tätigkeitsformen schlicht unter den Tisch fallen lasse. Hassel „glaube“ daran, dass ein Arbeitgeber eben den Lohn eines Mitarbeiters, der ein BGE erhalte, kürzen würde. Dass dies nicht ohne Zustimmung des Mitarbeiters möglich ist, darauf wurde nicht eingegangen oder anders gesagt: die Machtumverteilung wurde nicht ernst genommen. Wie überhaupt der Einzelne in seinen Selbstbestimmungsfähigkeiten und in seiner tatsächlichen Selbstbestimmung, wie sie der politischen Ordnung der Demokratie zugrundeliegt, nicht ernst genommen wurde. Darauf konnte Häni noch so emphatisch hinweisen, er erreichte Hassel und Herrmann nicht. Aufregung verursachte auch das Taschenrechner-Beispiel, dass eine Familie mit zwei Kindern über ein Haushaltseinkommen von 48 Tausend Euro pro Jahr verfügen würde, wenn das BGE mit 1000 Euro angesetzt wäre. Da war offenbar auch Opielka mulmig zumute. Dabei wurde vergessen zu erwähnen, dass dieser Fall nur für einen bestimmten Zeitraum gelten würde, solange nämlich, wie die Kinder zuhause wohnen, nicht aber, wenn sie das Elternhaus verlassen haben. Und worin besteht eigentlich der Skandal dieser Höhe, wenn die mittleren Einkommen in Deutschland betrachtet werden, wie dies die Hans Böckler Stiftung einst getan hat:
Wer einen Boden einziehen will, auf dem jeder sicher stehen kann, der kommt nicht umhin, über den Bedarf von Familien zu reden, ein Bedarf an Zeit frei von anderen Verpflichtungen – und der ist hoch.
Insgesamt war die Diskussion in der Sendung etwas zu aufgeregt, so dass Argumente nicht in Ruhe vorgebracht werden konnten, vielleicht war diese Aufregung jedoch eine Reaktion darauf, wie wenig sich auf die befürwortenden Argumente eingelassen, wie sehr sie verkürzt wurden.
Sascha Liebermann
Nachtrag: Michael Opielka hat einen auch selbstkritischen Kommentar zur Diskussion veröffentlicht und weist auf die mangelnde Bereitschaft zur Auseinandersetzung hin.