…sagt Bosch-Geschäftsführer Christoph Kübel im Gespräch mit Zeit Online. Wichtig sei dies angesichts des Wandels in der Arbeitswelt und die Bedeutung der Roboterisierung bei Bosch. Besonders interessant sind zwei Passagen, hier die erste:
„Kübel: Unsere Vision ist auf jeden Fall nicht die menschenleere Fabrik. Die Kombination von Menschen und Robotern bringt die besten Ergebnisse. In der Fertigung müssen wir jeden Tag neue Lösungen finden und gemeinsam mit Kollegen Abläufe optimieren. Das kann der Mensch viel besser als jeder Roboter. In einigen Werken haben wir bereits sehr weit automatisiert. Dort zeigt sich, dass wir produktiver werden bei gleichbleibender Zahl an Arbeitern. Und nicht zu vergessen: Arbeit stiftet auch Identität.“
Die Bemerkung am Ende ist es, auf die ich aufmerksam machen möchte. In der Tat hat das Tätigsein, auch in der Form von Erwerbstätigkeit, eine große Bedeutung, und zwar aus mehreren Gründen:
1) In der Auseinandersetzung mit einer Sache, hier einer Aufgabe am Arbeitsplatz, macht der einzelne Erfahrungen nicht nur mit einer Sache, sondern an der und durch die Sache auch mit sich. Er erfährt darin viel über sich selbst durch diese Auseinandersetzung. Zugleich ist das Bewältigen einer Aufgabe eine Erfahrung des Gelingens, heute oft mit dem Schalgwort „Selbstwirksamkeit“ benannt. Erfahrungen im Sinne von „ich bin dazu oder zu etwas fähig“ sind von großer Bedeutung für unsere Welt- und Selbstwahrnehmung.
2) In der Auseinandersetzung mit einer Sache trage ich etwas zum Zweck des Unternehmens bei, für das ich tätig bin, es entsteht so etwas wie ein gemeinsames Werk.
3) Der Einzelne folgt und bekräftigt eine Norm, die in der politischen Vergemeinschaftung, in der er lebt bzw. der er angehört, in Geltung ist. Die Normbefolgung ist zugleich eine Normbekräftigung – der Einzelne trägt damit zum Gemeinwohl bei. Nun sind diese Normen nicht etwas uns Äußerliches, Bildungsprozesse im Zuge der Sozialisation vollziehen sich an Regeln und Normen. Normen sind immer konkret und nicht abstrakt, sie bestehen in einer konkreten Vergemeinschaftung und werden von bestimmten Überzeugungen getragen, die in verschiedenen Ländern ebenso verschieden sind.
4) Nun gilt es aber den spezifischen Zusammenhang zu beachten, um den es hier geht. Das Tätigsein ist bedeutend, das bleibt, aber unter welchen Bedingungen? In Sozialbeziehungen, in denen der Einzelne der Bewältigung von Aufgaben zu dienen hat, wird sein Beitrag genau daran gemessen, ob er der Aufgabe dienlich ist. Falls das nicht der Fall ist, wird er nicht weiterbeschäftigt (oder besser: sollte nicht weiter beschäftigt werden). An seine Stelle tritt ein anderer Mitarbeiter oder eine Maschine. Er ist also im besten Sinne austauschbar, nicht als Mensch, aber als Mitarbeiter. Wie könnte das nun mit seiner Identität zusammenhängen? Die Fähigkeiten, die jemand hat oder entwickelt, sowie die Erfahrungen, die er macht, zeichnen ihn als Person aus. Sie kann man ihm nicht nehmen, allenfalls kann man ihre Entfaltung behindern oder zu unterbinden versuchen. Was Kübel sagt, gilt also nur für letzteres, nicht aber für den Arbeitsplatz als solches, denn sonst dürfte niemals ein Mitarbeiter entlassen oder ausgetauscht werden. Genau das aber, dass er ausgetauscht wird, ist Alltag, er gehört zu modernen Arbeitszusammenhängen und erlaubt es erst, dass diese in Absehung von Personen fortbestehen können.
Die Identität, die Kübel meint, ist nicht von einem Arbeitsplatz abhängig, sondern davon, sich tätig entfalten zu können.
Weiter sagt er:
„ZEIT ONLINE: Was ändert sich für Ihre Angestellten?
Kübel: Es wird nicht jeder den gleichen Job behalten können. Deshalb legen wir großen Wert auf die Weiterbildung unserer Mitarbeiter. Ein Ingenieur, der heute Software für Verbrennungsmotoren entwickelt, kann das künftig für Elektromotoren tun. In anderen Bereichen müssen wir mehr machen. An unserem Standort in Reutlingen bieten wir beispielsweise Mitarbeitern aus der Fertigung eine Weiterbildung im Programmieren an. Bis zu 500 Mitarbeiter können das wahrnehmen. Wir werden jedoch nicht jeden Mitarbeiter so qualifizieren können.“
Und was geschieht mit denjenigen, die nicht qualifiziert werden können? Darauf bietet er keine Antwort. Dass Bosch auf Weiterbildung im Allgemeinen setzt, ist verständlich, wenn die Arbeitswelt sich verändert. Kübel sieht das Leben jenseits dieser Arbeitswelt jedoch gar nicht, von dem Bosch als Unternehmen abhängig ist. Es gibt in seinen Ausführungen keine Optioin dafür, anders zu leben als durch Erwerbstätigkeit.
Und dann:
„ZEIT ONLINE: Sie sprechen von Fachkräften. Für Menschen mit schlechter Qualifikation wird es durch die Automatisierung aber schwieriger, eine Arbeit zu finden.
Kübel: Es ist gemeinsame Aufgabe unserer Gesellschaft, die Menschen für die Arbeitswelt fit zu machen. Wir konzentrieren uns dabei überwiegend auf unsere eigenen Mitarbeiter. Dabei leisten wir unseren Beitrag durch eine qualitativ hochwertige Ausbildung und Weiterbildung. Jedes Jahr stellen wir allein in Deutschland 1.500 Azubis ein und investieren weltweit 250 Millionen Euro in die Weiterbildung unserer Mitarbeiter.“
Hier wird nun deutlich, dass er der Tendenz nach „von oben“ denkt, so als könne „die Gesellschaft […] Menschen […] fit machen“. Ausbildung oder Weiterbildung ist kein Trichter, in den man oben Menschen hineinsteckt, die dann unten qualifiziert herauskommen – es ist ein Bildungsprozess, der zwei Seiten hat: ein Angebot auf der einen und Bereitwilligkeit auf der anderen Seite. Das klingt trivial, kommt in Kübels Formulierung aber gerade nicht zum Ausdruck, in der die Gesellschaft wie ein Fitmachungsapparat erscheint. Und wieder wird nichts über die Bedingungen gesagt, unter denen Aus- und Weiterbildung heute erfolgen müssen, nämlich in der Abhängigkeit von Erwerbseinkommen. Aus- und Weiterbildung sind grundsätzlich auch jenseits davon möglich, sofern eine Einkommensabsicherung besteht, die heute die Ausnahme ist, mit einem BGE aber zur Regel würde. Dass genau dies die Bedingungen für Aus- und Weiterbildung, für Bildung überhaupt, grundsätzlich verändern würde, wäre eine eigene Betrachtung wert (siehe hier und hier).
Sascha Liebermann