„Die falsche Gerechtigkeit“ und die Frage der Individuierung…

…damit befasste sich ein Beitrag in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, der auf ein Gespräch mit dem Soziologen Stefan Liebig (Universität Bielefeld/ Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung) zurückgeht. Darin ging es um die Frage, ob der Vorstellung von Verteilungsgerechtigkeit, also der Verteilung von Einkommensströmen, nicht ein anderes Gerechtigkeitsmoment an die Seite gestellt werden müsse, denn in jüngerer Vergangenheit hätten Vorschläge zu einer stärkeren Umverteilung im klassischen Sinne nicht die entsprechende Resonanz erhalten. Liebig, folgt man dem Bericht, macht damit auf einen interessanten Punkt aufmerksam, ob nämlich der heutige Sozialstaat und seine Vorstellung von Umverteilung nicht einem anderen wichtigen Moment des modernen Lebens entgegensteht: Selbstbestimmung und individuellem Freiraum. Diese Frage führt direkt, ohne dass es im Beitrag erwähnt würde, zum Bedingungslosen Grundeinkommen, das genau damit gerechtfertigt werden könnte. Dabei ist mit der Stärkung des Individuums nicht der Marktteilnehmer gemeint. Im Zentrum steht dabei eine Existenzvoraussetzung der modernen Demokratie: der mündige, autonome Bürger.

Ulrich Oevermann gehörte in den achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts zu den wenigen, die genau diese Seite schon starkmachten (siehe hier), dass sich die Frage stelle, welcher Modus der Verteilung mit welchem Zweck der modernen Lebensführung am angemessensten sei. Zwar sprach er dabei noch nicht vom Bedingungslosen Grundeinkommen, hat dies dann aber später getan (in diesem Band). Wenn also der bisher existierende Sozialstaat aufgrund seiner paternalistischen Ausgestaltung diesem Moment wenig Raum gibt, wäre das BGE dafür wie geschaffen.

Sascha Liebermann