Die Diskussion um ein Bedingungsloses Grundeinkommen fördert ja manche offenbar tiefsitzende Vorstellung darüber zutage, was denn von der Mündigkeit und Autonomie der Bürger zu halten ist. Jüngst leistete der DGB-Vorsitzende Rainer Hoffmann hierzu einen wertvollen Beitrag:
„Hoffmann: Das Grundeinkommen ist doch ein Irrweg. Es ist nichts anderes als eine Abwrackprämie für Menschen, um den Arbeitsmarkt zu entlasten, weil man zu unkreativ für andere Lösungen ist. Aber Arbeit ist mehr als Broterwerb. Sie hat eine hohe sozialintegrative Funktion. Wir sind und bleiben eine Erwerbsgesellschaft. Deshalb kann ich es nicht verantworten, Leute einfach mit einer Prämie von 1000 Euro stillzulegen. Unabhängig davon würde es unsere sozialen Sicherungssysteme völlig auf den Kopf stellen. Da würde ich selbst als Gewerkschafter die Frage stellen, ob das finanzierbar ist.“
Wertvoll ist diese Äußerung, weil an ihr abgelesen werden kann, wie der DGB-Vorsitzende die Fähigkeiten der Bürger einschätzt, ihre Interessen wahrzunehmen und gegen Missstände vorzugehen. Sie tendiert offenbar gegen Null. Damit ist er in guter Gesellschaft, wenn all diejenigen in Erinnerung gerufen werden, die schon dem BGE attestiert haben, dass es eine Stillhalte- bzw. Stilllegungsprämie sei. Nun ist es ja durchaus möglich, dass ein BGE-Befürworter die leise Hoffnung haben könnte, die Bürger damit zu pazifieren, damit sie keinen Widerstand leisten. Doch solche Vorstellungen sind das eine, zu meinen, sie ließen sich derart „abschalten“ das andere. Um das noch zu steigern sei gesagt, selbst wenn die Bürger sich stilllegen ließen wie einen alten Aufzug, dann wäre das immer noch ihr gutes Recht. Dann wären sie eben, wie sie wären.
Interessant ist noch, dass Hoffmann ein BGE für eine unkreative Lösung hält, dabei ist es diejenige mit der größten Breitenwirkung, weil sie grundsätzlich ansetzt. Ein BGE setzt den Hebel an entscheidender Stelle an, der unverhältnismäßig hohen Wertschätzung von Erwerbstätigkeit um den Preis, das Leben in seiner Gänze darauf zu reduzieren.
Das Märchen von der „sozialintegrativen Funktion“ von „Arbeit“ darf hier nicht fehlen, auch damit steht Hoffmann allerdings nicht alleine. Dabei gibt es keine Sphäre unseres modernen Lebens, in der der Einzelne in größerem Maße austauschbar ist als in Erwerbsverhältnissen, das macht ja gerade ihre Modernität aus im Unterschied zur Leibeigenschaft. In Erwerbsverhältnissen gilt die Leistungsorientierung, Aufgaben müssen bewältigt werden, ganz gleich, wer das tut. Mitarbeiter sind per se ersetzbar, sie dienen einer Aufgabe. Das ist auch eine Befreiung vor übermäßigen Loyalitätsverpflichtungen gegenüber einem Arbeitgeber. Erwerbstätigkeit ist aufgabenbezogen, das ist entscheidend und schützt vor Vereinnahmung. Wer aber denkt, wir seien eine „Erwerbsgesellschaft“, sollte einmal ins Grundgesetz schauen, in dem sich ausdrückt, was uns als politische Vergemeinschaftung auszeichnet.
Immerhin weiß man damit, wo der DGB steht.
Sascha Liebermann