„Garantierter Job oder garantiertes Einkommen?“ – bestimmte Annahmen führen zu bestimmten Schlussfolgerungen, ohne die Annahmen zu hinterfragen…

…das zeichnet den Beitrag von Maurice Höfgen auf Jacobin aus. Alleine schon die im Untertitel vorgenommene Gegenüberstellung von „Vollbeschäftigung“ vs. „Konsumchecks“ lässt deutlich werden, dass der Autor eine entscheidende Dimension nicht zu sehen scheint. Selbstverständlich soll ein BGE eine Einkommenssicherheit verschaffen, und da sich Geld nicht essen lässt, zum Erwerb von Waren und Dienstleistungen dienen. Damit aber und wie es das tut, ist das grundlegende Ziel Handlungsmöglichkeiten zu erweitern und normativ zu egalisieren, was eine Job Guarantee eben genau nicht leisten kann, weil am normativen Vorrang von Erwerbsverhältnissen festhält. Diese Gegenüberstellung hat ihren Grund darin, dass der Autor nicht ergründet, weshalb die Folgen von „Arbeitslosigkeit“ heute so sind, wie sie sind, woher Stigmatisierung rührt usw., wie hier abzulesen ist:

„Damit werden die nichtmonetären, gesellschaftlichen und psychologischen Kosten von Arbeitslosigkeit, die schwerer wiegen als der bloße Einkommensverlust, beim BGE vernachlässigt.“

Hätte er die normative Stellung von Erwerbstätigkeit in ihren Wirkungen betrachtet, hätte er zu anderen Schlussfolgerungen kommen müssen. Die Folge ist, ganz konsistent in diesem Verständnis, dass letztlich Erwerbstätigkeit als solche zu etwas Bedeutsamem wird, womit sie beinahe per se etwas Sinnvolles und Erhaltens- bzw. Schaffenswertes ist. Workfare lässt grüßen, aber natürlich unter guten Bedingungen, wie auch häufig bei den Gewerkschaften anzutreffen, aber bei den Arbeitgebern ebenfalls.

Dass Erwerbstätigkeit oder allgemeiner gesprochen, die Erzeugung und Bereitstellung standardisierter Dienstleistungen, die gegen Geld erworben werden können, nur mittelbar von menschlicher Arbeitskraft abhängig, ihr Einsatz aber kein Selbstzweck ist, fällt damit unter den Tisch. Höfgen eliminiert damit ein wichtiges Kriterium, und zwar ob eine Aufgabe mit menschlicher Arbeitskraft bewältigt werden muss.
„Die JG bildet die Untergrenzen für akzeptable Löhne und Arbeitsbedingungen und ist damit ein Hebel, um die Arbeitsbedingungen im Privatsektor zu verbessern. Das BGE hingegen wirkt eher als Kompensation für niedrige Löhne sowie schlechte Arbeitsstandards und geht unter Umständen gar mit einem Anpassungsdruck nach unten einher…“

Wie kann die JG die Untergrenze bilden, wenn sie denn nur dann zur Wirkung kommt, wenn jemand ein Erwerbsverhältnis aufnimmt? Soll die JG doch dauerhaft bereitstehen? Dann wäre sie aber nicht an ein Erwerbsverhältnis gebunden. Auflösen lässt sich dieser Widerspruch nur, wenn die JG tatsächlich dazu führen muss, immer in einem Erwerbsverhältnis zu stehen, das der Staat vorhalten muss, ganz gleich ob dieser „Arbeitsplatz“ benötigt wird oder nicht. Er würde also unabhängig davon geschaffen werden müssen, ob es eine Aufgabe gibt, deren Bewältigung er dient. Und weiter heißt es:

„…Da das Risiko, in die Arbeitslosigkeit zu rutschen, bei Einführung eines BGEs in gleicher Weise bestehen bliebe, korrigiert das BGE nicht die asymmetrische Machtverteilung der Akteure auf dem Arbeitsmarkt. Die JG hingegen verbessert die Verhandlungsposition der Arbeitenden und der Arbeitssuchenden, insbesondere derjenigen, die bisher die meisten Benachteiligungen durch die neoliberale Wirtschaftspolitik erfahren haben.“

Wie kann die JG denn die Machtverteilung korrigieren, wenn es eine Erwerbsverpflichtung gibt, der allgemein nachzukommen ist, sofern die JG denn greifen können soll? Auch hier scheint die JG wieder ganz unabhängig davon bereitzustehen, ob ein Arbeitsplatz tatsächlich benötigt und von menschlicher Arbeitskraft aufgefüllt werden muss. Man gewinnt fast den Eindruck, als rede der Autor doch von einem BGE, ohne es so nennen zu wollen. Dann heißt es:

„Mit einer JG können die Arbeitenden inakzeptablen Arbeitsbedingungen oder diskriminierendem Vorgesetztenverhalten den Rücken kehren und im Idealfall am selben Tag einen neuen Job finden. Damit hat die JG für diejenigen, die, bildlich gesprochen, ganz hinten in der Schlange am Arbeitsamt stehen, mehr zu bieten als das BGE.“

Die „Arbeitenden“ – wie können sie Arbeitsbedingungen ausschlagen, wenn sie zugleich von Einkommenserzielung über Erwerbstätigkeit abhängig sind? Und die Nicht-Arbeitenden, was ist mit denen? Was heißt „Idealfall“? Beim BGE hingegen ist der Realfall der Idealfall, denn es steht immer zur Verfügung. Darauf folgt ein altbekannter Einwand:

„Zwar ermöglicht das BGE den Empfängern einen erhöhten Grad an Freiheit in Hinblick auf deren Konsumentscheidungen, indem das verfügbare Einkommen gemäß den persönlichen Präferenzen ausgegeben werden kann, allerdings wird die Produktionsseite der Welt völlig ignoriert. Dabei ist klar, dass es die Güter und Dienstleistungen, die das BGE kaufen kann, ohne die Produktionsseite gar nicht gäbe. Es muss jemanden geben, der arbeiten geht und die nachgefragten Güter und Dienstleistungen produziert. Überspitzt kann das BGE also zu einer Demokratie an Konsumenten und einer Aristokratie an Produzenten führen – die Jeff Bezos dieser Welt betreiben Großfabriken mit schlechten Arbeitsstandards und produzieren die Güter, die den Konsumhunger der Gesellschaft stillen. Idealerweise sollte die Produktionsseite aber genauso demokratisch und freiheitsorientiert sein wie die Konsumseite.“

Äh, gilt das unter Bedingungen einer JG nicht auch? Höfgen unterstellt einfach, dass das Innehaben eines Arbeitsplatzes selbstverständlich mit guten Arbeitsbedingungen schon zur Entstehung von Gütern und Dienstleistungen beiträgt. Er übergeht, dass hierzu die Interessen und Neigungen von Erwerbstätigen – wie im Allgemeinen auch – die entscheidende Voraussetzung sind. In seinen Ausführungen spielen sie interessanterweise keine Rolle. Wenn diese Neigungen und Interessen sich entfalten können sollen, dann muss dies in jede Richtung möglich sein, ob es in Erwerbstätigkeit führt oder nicht, dazu bedarf es aber der grundsätzlichen Einkommenssicherheit.

Wo ignoriert ein BGE denn die Produktionsseite? Das ist ein Märchen, es stellt diese Frage danach, wie sie bedient wird, lediglich anders, indem der Einzelne als Bürger eines Gemeinwesens ins Zentrum gerückt wird und nicht als Erwerbstätiger oder Werktätiger. Man könnte es als symptomatisch für die gegenwärtige Lage bezeichnen, dass genau dieser Unterschied offenbar nicht in seiner Tragweite verstanden wird, obwohl er schon heute Grundlage der politischen Ordnung ist. An der folgenden Passage wird nun deutlich, dass ein Beitrag zum Gemeinwohl mit Erwerbstätigkeit gleichgesetzt wird:
„Das Beisteuern zur Produktion, zum materiellen Wohlstand der Gemeinschaft, sollte kein Privileg werden, über das Privatunternehmen hoheitlich bestimmen – so wie es die gegenwärtige Wirtschaftspolitik erfordert und wie es ebenso ein BGE erforderte. Die JG hingegen ermöglicht jedem, etwas zum Gemeinwohl beizusteuern. Sie befördert, dass die Welt des Produzierens ähnlich demokratisch wie die Welt des Konsumierens wird.“

Damit ist dann alles gesagt und die Welt moderner Arbeitsteilung im Beruf mit den elementaren Prinzipien von Demokratie verwechselt. Das moderne Berufsleben zeichnet gerade aus, dass der Einzelne nicht als solcher wichtig ist, sondern als einer, der bestimmte Aufgaben übernimmt. Für eine Demokratie ist es der Einzelne um seiner selbst und um des Gemeinwesens selbst willen, der entscheidend ist. Diese fehlende Differenzierung von Sozialbeziehungen oder Beziehungsgefügen in ihrem grundsätzlichen Charakter ist auch eine Schwierigkeit in der Care-Diskussion. Und weiter:

„Dies wirft die Frage auf, bis zu welchem Grad es gerechtfertigt ist, dass diejenigen, die körperlich und mental fähig wären, zu arbeiten und damit zur Produktion beizutragen, Anspruch auf die Früchte der Arbeit Anderer haben, ohne selbst etwas dazu beigesteuert zu haben?“

Warum nicht gleich so? Was heißt das in der Folge, gleicht das nicht einem sanktionsbewehrten Grundsicherungssystem?

Und welche Versprechungen da gemacht werden, schon erstaunlich:

„Während die JG dies ändert, indem sie die Menschen mit zur Qualifikation und zur Motivation passenden, bedeutungsvollen Jobs zum Gemeinwohl beitragen lässt und sogar das Vorschlagen eigener, selbstständiger Projekte inkludieren kann, ändert das BGE an diesem Umstand nichts.“

Höfgen drückt sich schlicht darum, die Bedingungen zu nennen, die zur Inanspruchnahme einer JG gehören. Gibt es nun Sanktionen oder nicht für diejenigen, die keine JG anstreben? Erhalten sie Einkommensabsicherung frei von Stigmatisierung oder nicht? Im Beitrag finden sich dazu keine Ausführungen, nur die bekannten Lobpreisungen des Erwerbstätigseins finden sich dort, gepaart mit bekannten Einwänden gegen ein BGE und seine vermeintlichen unerwünschten Auswirkungen. Ein wenig wirkt die JG wie die Forderung nach einer repressionsfreien Mindestsicherung, ohne die Erwerbsverpflichtung aufzugeben.

Siehe unsere früheren Beiträge zu job guarantee hier. Wie der Autor argumentiert auch das Manifest „Arbeit demokratisieren…„.

Sascha Liebermann