„Im Lichte der Corona-Krise gewinne ich Sympathie für ein Grundeinkommen“ – dass es einer solchen Krise bedarf,…

…um die Möglichkeiten eines Bedingungslosen Grundeinkommens sympathisch finden zu können, zeigt womöglich am deutlichsten, wie schwer es ist, sich vom Erwerbsgebot mit all seinen Folgen zu verabschieden. Jedenfalls steht Heribert Prantl in der Süddeutschen Zeitung nun der Idee aufgeschlossen gegenüber, ohne eine gewissen Skepsis aufzugeben. Aufhänger für seine Ausführungen ist das neue Buch von Papst Franziskus:

„Der Papst fordert ein bedingungsloses Grundeinkommen! Das ist, wie man so sagt, ein Hammer, das könnte auch die Debatte darüber in Deutschland befruchten. Schwierig wird es, wenn man die Details des bedingungslosen Grundeinkommens zu formulieren versucht, wenn’s also konkret wird – sie verlangen nach einer ad-hoc-Umstellung des ganzen Steuersystems. Zu schwierig? Eine starke Idee ist es trotzdem.“

Wie eine solche Umverteilung am bestehenden System andocken könnte, wird ja schon viele Jahre diskutiert. Ein wichtiger Ansatzpunkt ist die Umdefinition des Grundfreibetrags in der Einkommenssteuer von einem Besteuerungsvorbehalt in eine Ausschüttungsbetrag im Allgemeinen.

Papst Franziskus, auf den sich Prantl in der Folge bezieht, bemüht offenbar viele Argumente, die in der Debatte allzu bekannt sind:

„‚Das Grundeinkommen könnte die Beziehungen auf dem Arbeitsmarkt umgestalten und den Menschen die Würde garantieren, Beschäftigungsbedingungen ablehnen zu können, die sie in Armut gefangen halten würden.‘ Das Grundeinkommen würde ‚den Menschen die benötigte grundlegende Sicherheit geben, das Stigma des Wohlfahrtsstaates beseitigen und den Wechsel zwischen Arbeitsplätzen erleichtern, wie es technologiegetriebene Arbeitsweisen zunehmend erfordern‘. Und das Grundeinkommen ‚könnte dazu beitragen, dass die Menschen dazu frei werden, das Verdienen des Lebensunterhaltes und den Einsatz für die Gemeinschaft zu verbinden'“.

Prantl schreibt dann:

„Corona bringt neue Argumente in die Grundeinkommensdebatte auch in Deutschland, weil Corona so vielen Menschen – zumal im Bereich der Kultur – die Arbeits- und Lebensgrundlage entzogen hat. Der Charme der Utopie vom bedingungslosen Grundeinkommen liegt in seinem Menschenbild. Seine Befürworter rechnen weniger mit der Faulheit des Menschen als mit der Freude eines Jeden daran, zu arbeiten, sinnvolle Dinge zu tun, kreativ zu sein und sich nützlich zu machen für die Allgemeinheit.“

Neue Argumente? Die kann ich eher nicht erkennen, es sind Argumente, die seit langem angeführt werden und sie sind noch älter, wenn man etwas tiefer schürft. Die nicht selten veralberte Menschenbildfrage (siehe auch hier) ist eben eine grundlegende Frage, die aber gar nicht abstrakt oder theoretisch daherkommt. Ein Blick in die freiheitlich-demokratische Grundordnung Deutschlands kann einen darüber aufklären, dass dort genau das Menschenbild formuliert ist, das ein BGE in Anspruch nimmt (siehe hier). Dennoch wird einem immer wieder entgegengehalten, der Mensch sei nicht so, dabei sind die Bürger heute genauso, dass die Demokratie durch sie getragen wird. Manche sagen, das sei eine philosophische Betrachtung, dabei ist sie ganz praktisch. In Prantls Beitrag spielt das gar keine Rolle.

Prantl schreibt dann:

„Im Lichte der Corona-Krise gewinne ich Sympathie für ein Grundeinkommen: Es wäre eine schnelle und substanzielle Hilfe für diejenigen, die unter der Krise am meisten leiden – zumal eine Hilfe denen, die in den Bereichen von Kunst und Kultur arbeiten und in der Corona-Zeit praktisch keine Arbeitsmöglichkeiten haben.“

Das ist nur die reaktive Seite, der Ausgleich dafür, nicht erwerbstätig sein zu können.

„Ihnen ist mit einem bedingungslosen Grundeinkommen ganz unbürokratisch geholfen, viel besser als mit den vielen Förderprogrammen, die jetzt aufgelegt werden. In der Vision eines bedingungslosen Grundeinkommens für jedermann ist die Überzeugung enthalten, dass der Mensch sich seine Existenz nicht verdienen muss. Er hat ein Recht auf das Lebensnotwendige: Einfach weil er Mensch ist und weil er was zu essen braucht – und nicht, weil er arbeitet oder zumindest seine Bereitschaft zu arbeiten unter Beweis stellt.“

Ja, das ist eine vielleicht katholische Formulierung dafür, worum es geht. Der Gedanke ließe sich konkreter ausdrücken, wenn er Bezug auf die Lebensverhältnisse nähme, hier wieder entscheidend: die Demokratie, die Stellung der Bürger in ihr und ihr Verständnis von Souveränität und Selbstbestimmung. Deswegen bliebe eine globale BGE-Diskussion auch immer recht abstrakt, weil sie die konkreten Lebensverhältnisse nicht einbezöge, wir können diese Debatte hingegen ganz konkret führen, dann aber nicht global.

Siehe unseren früheren Beiträge zu Heribert Prantls Gedanken zum deutschen Sozialstaat hier.

Sascha Liebermann