„Im Lichte der Corona-Krise gewinne ich Sympathie für ein Grundeinkommen“ – dass es einer solchen Krise bedarf,…

…um die Möglichkeiten eines Bedingungslosen Grundeinkommens sympathisch finden zu können, zeigt womöglich am deutlichsten, wie schwer es ist, sich vom Erwerbsgebot mit all seinen Folgen zu verabschieden. Jedenfalls steht Heribert Prantl in der Süddeutschen Zeitung nun der Idee aufgeschlossen gegenüber, ohne eine gewissen Skepsis aufzugeben. Aufhänger für seine Ausführungen ist das neue Buch von Papst Franziskus:

„Der Papst fordert ein bedingungsloses Grundeinkommen! Das ist, wie man so sagt, ein Hammer, das könnte auch die Debatte darüber in Deutschland befruchten. Schwierig wird es, wenn man die Details des bedingungslosen Grundeinkommens zu formulieren versucht, wenn’s also konkret wird – sie verlangen nach einer ad-hoc-Umstellung des ganzen Steuersystems. Zu schwierig? Eine starke Idee ist es trotzdem.“

Wie eine solche Umverteilung am bestehenden System andocken könnte, wird ja schon viele Jahre diskutiert. Ein wichtiger Ansatzpunkt ist die Umdefinition des Grundfreibetrags in der Einkommenssteuer von einem Besteuerungsvorbehalt in eine Ausschüttungsbetrag im Allgemeinen.

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„Demokratie und Sozialstaat gehören zusammen“ – aber wie genau?

Diese Deutung, die wir mit unseren Stellungnahmen schon lange vertreten, äußert Heribert Prantl in der Süddeutschen Zeitung anlässlich des Urteils des Bundesverfassungsgerichts, dem er vorhält, eine Chance verpasst zu haben. Prantl schreibt unter anderem:

„Das war und ist aber ein grober Irrtum, denn bei der Hilfe für Menschen, die nicht genug Arbeit oder genug Arbeitslohn zum Leben haben, geht es um die Konkretisierung von Artikel 1 Grundgesetz. Und dort steht nicht, dass die Würde der Banken, sondern dass die Würde des Menschen unantastbar ist. Dazu passt es nicht, dass Hartz IV die Schuld an der Arbeitslosigkeit an diejenigen abschiebt, die arbeitslos sind. Dazu passt es nicht, dass die Hartz-IV-Gesetze die Arbeitslosen kontrollieren und sanktionieren und mit Unterstützungsleistungen unglaublich knausern. Dazu passt es nicht, dass Hartz IV, trotz Mindestlohn, hilft, die Löhne zu drücken.“

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„Sozial schwach“ – nein, ökonomisch schwach träfe es besser…

„Arbeitslosigkeit und Gesundheit: Immer mehr Hartz-IV-Bezieher sind arbeitsunfähig“ – zwei gegenläufige Schlussfolgerungen…

…lässt diese Meldung von O-Ton-Arbeitsmarkt zu. Darin heißt es unter anderem:

„Aus Sicht der Wissenschaft gibt es einen kausalen Zusammenhang zwischen der tatsächlichen Beschäftigungslosigkeit und Gesundheit bzw. Krankheit. So erhöhen nicht nur vorhandene physische und psychische Einschränkungen das Risiko, arbeitslos zu werden. Mehrere Studien deuten auch darauf hin, dass sich Arbeitslosigkeit negativ auf die psychische Gesundheit der Betroffenen auswirkt. Hierauf weist beispielsweise der Fehlzeiten-Report 2018 der Krankenkasse AOK hin.“

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„Das kalte Herz des Hartz IV-Gesetzes“ oder die Verklärung des alten Sozialstaats

So könnte Heribert Prantls Beitrag in der Süddeutschen Zeitung überschrieben werden, der sich mit der bevorstehenden Verhandlung des Bundesverfassungsgerichts über Sanktionen im Sozialgesetzgebuch, die das Existenzminimum beschneiden, befasst. Prantl schreibt dazu:

„Darf der Staat das Existenzminimum minimieren? Die schwarze Pädagogik, die in der Kindererziehung verpönt ist, hat Hartz IV bei erwachsenen Menschen wieder eingeführt. Bei Verletzung der „Mitwirkungspflicht“ droht jedenfalls die „Absenkung der Grundsicherung“, wie das im Behördenjargon heißt.“

So treffend auf den Punkt gebracht wird, was gesetzlich festgeschrieben ist, so ungenau ist Prantl hier. Was genau soll durch Hartz IV eingeführt worden sein? Das Bundessozialhilfegesetz sah mit § 25 genau solche Sanktionen ebenso schon vor (siehe auch hier):

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„Minimalisierung des Minimums“…

…unter diesem Titel nimmt Heribert Prantl in der Süddeutschen Zeitung Stellung zu einem Urteil des Sozialgerichts in Gotha, das die Kürzung bei Arbeitslosengeld II im Falle von Pflichtverstößen für verfassungswidrig erklärt hatte. Nun muss das Bundesverfassungsgericht prüfen, wie es sich mit dem Sanktionsregime verhält. Doch was kann eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bringen?

Selbst wenn die Verfassungswidrigkeit festgestellt würde, wer wäre zum Handeln aufgefordert, um die Missstände zu ändern? Das Parlament natürlich, denn nur es kann ein Gesetz ändern und ein neues verabschieden. Die Verfassung schwebt nicht über dem politischen Souverän, sie ist eine Richtschnur, kein ehernes Gesetz. Zum Glück ist das so, sonst wäre das Parlament überflüssig und tatsächlich nur eine „Schwatzbude“, zu der manche es schon erklärt haben. Ist das Bundesverfassungsgericht also, auch wenn dieser Weg in Deutschland gerne beschritten wird, der richtige Adressat, um eine solche Frage wie die der Sanktionen zu klären? Es geht dabei doch darum, was politische Souveränität ist, und die wird nicht durch ein Gericht hergestellt, sie wird lediglich durch Recht geschützt. Wenn aber diese Souveränität keinen Rückhalt im Selbstverständnis der Bürger hat – da helfen alle Verweise auf das Grundgesetz nichts -, was ist die Verfassung dann wert? Wenn eine Mehrheit das Sanktionsregime trägt, und sei es nur durch passive Duldung, dann sagt sein Fortbestehen etwas darüber aus, wie wir zueinander als Bürger stehen. Was würde eine Beseitigung des Sanktionsregmies (das es auch vor der Agenda 2010 gab) per Gerichtsentscheid erreichen, wenn der Geist davon weiterhin wirkte? Dasselbe gilt umgekehrt für den Fall, dass das BVerfG das Sanktionsregime für verfassungsgemäß erklärt. Was folgt daraus? Wäre dann alles gut, weil das BVerfG so entschieden und die Verfassungskonformität erklärt hätte? Udo di Fabio, ehemaliger Richter am BVerfG, hat sich zu dieser Überhöhung geäußert und sie mit dem nicht gerade starken Vertrauen in die politische Kompromißbildung erklärt (siehe hier).

Die entscheidende Veränderung ist nur politisch zu erreichen, durch öffentliche Auseinandersetzung, also öffentliche Willensbildung. Wem daran liegt, dass sich die Bürger als Bürger begreifen und begegnen, das Bürgerethos leben oder entwickeln, das für eine lebendige Demokratie notwendig ist, der muss auf eine politische Entscheidung hinwirken, nicht auf eine juristische. Eine Verfassung kann kein Bürgerethos hervorbringen, sie kann es allenfalls schützen oder in ihr kann es zum Ausdruck kommen. Wie wir miteinander umgehen und leben, ist eine Frage der Selbstbestimmung. Die Politikwissenschaftlerin Ingeborg Maus hat dieser Frage interessante Überlegungen gewidmet. 

Zu einem BGE, um diesen Bogen zu schlagen, wird es nur durch Willensbildung kommen, nur dann wird es den Rückhalt haben, den es braucht. Ganz gleich, was das BVerfG entscheidet.

Sascha Liebermann

„10 Jahre Hartz IV. Schikane per Gesetz“ – und die Alternative?

So ist ein Kommentar von Heribert Prantl in der Süddeutschen Zeitung übertitelt, der deutliche Worte findet. Hier ein Auszug:

„…Der Sanktionsparagraf des Sozialgesetzbuchs II ist Kern und Zentrum des gesamten Hartz-Gesetzes – der längste Paragraf und offenbar der wichtigste: Wie kann man die Hartz-IV-Empfänger zwiebeln? Der Paragraf behandelt die Leute als potenzielle Faulpelze, denen man die Faulpelzerei auf Schritt und Tritt austreiben muss. Das trifft seit der Einführung des Gesetzes vier bis fünf Millionen Menschen jährlich.
Die schwarze Pädagogik, in der Kindererziehung verpönt, hat Hartz IV also bei erwachsenen Menschen wieder eingeführt. Das Gesetz hat wieder eingeführt, was das Bundesverfassungsgericht abgeschafft hat: Der Betroffene steht in einem besonderen Gewaltverhältnis zum Staat; er ist mehr Untertan als Bürger, er ist Objekt von staatlichem Paternalismus…“

So deutlich Prantl hier wird, was folgt daraus, worin besteht die Alternative? Man schaue nur einmal in das Arbeitsförderungsgesetz von 1969 (Bundesgesetzblatt von 1969, § 118 (S. 603)), das bis Ende der neunziger Jahre galt und erkennt sofort den Sanktionsgeist, der mit den „Gesetzen für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“ eine besonders drastische Gestalt erhalten hat.

Es gibt nur eine Alternative, wenn die Vorrangstellung von Erwerbsätigkeit aufgegeben wird, wenn Einkommenssicherung auf einem Mindestniveau nicht mehr von Erwerbstätigkeit abhängig ist. Das Bedingungslose Grundeinkommen leistet genau das.

Sascha Liebermann