Lou Zucker schreibt im Spiegel Psychologie über den Stellenwert von „Care-Arbeit“ und will mit aufklärerischer Absicht darauf hinweisen, was wohl diese unbezahlte Leistung für einen Lohn mit sich bringen könnte. Denn schließlich seien wir, wie treffend herausgehoben wird, von ihr abhängig, um überhaupt erst erwerbstätig sein zu können. Die Wirtschaft ist also von ihr abhängig, denn ohne „Sorgearbeit“ keine Kinder, dasselbe – so muss ergänzt werden – gilt für die politische Gemeinschaft, denn auch sie kann nicht fortbestehen, ohne Bürger, die sich ihr verpflichtet fühlen, und die Kinder von heute sind die Bürger der Zukunft. Das erwähnt die Autorin überraschenderweise nicht, wie es überhaupt wenig Erwähnung findet in der Debatte um unbezahlte Arbeit.
Versuche, den Preis der umfangreichen Sorgetätigkeiten zu ermitteln, gibt es einige, die Autorin verweist auf manche, doch diese Versuche haben einen Haken: sie – wenn auch nur simuliert – verwandeln die Sorgetätigkeiten in ein Erwerbsverhältnis. Die gute Absicht, die volkswirtschaftliche Bedeutung sichtbar zu machen, die sonst leicht untergeht, hat genau diesen Preis. Es ist grundsätzlich etwas anderes, ob ich für jemanden sorge, weil ich ihm als Person um seiner selbst willen verbunden bin (siehe auch hier) oder ob ich eine Dienstleistung erbringe, in der das Gegenüber austauschbar ist, weil der Dienst für jeden erbracht wird, der ihn nachfragt. Nur für ersten Fall gilt, was im Familienleben insbesondere mit Kleinkindern aber auch später den Normalfall darstellt: immer verantwortlich zu sein, 24 Stunden am Tag, was dauernde „Rufbereitschaft“ mit sich bringt.
Für Dienstleistungen gilt das genau nicht. So sind auch die Angaben in den Zeitverwendungsstudien des Statistischen Bundesamtes oder anderer Studien mehr als ungenau, denn die aufgewandte Erziehungszeit pro Tag lässt sich nicht erfassen, es sei denn, sie wird willkürlich eingegrenzt. Doch selbst wenn mit Kindern nicht gespielt, sie nicht bekocht oder für sie geputzt und aufgeräumt wird, sondern die bloße Anwesenheit in der Nähe verbracht wird, neben ihnen sitzend, „nichts“ tuend, ist das Erziehungszeit – es ist Zuwendung und Aufmerksamkeit, verlässliche Sorge. Weil dies selbst nachts der Fall ist, müsste in die Berechnungen der gesamte Tag Eingang finden. Selbst der Aufenthalt im Kindergarten ist noch mit der Bereitschaft verbunden, ein Kind abzuholen, sobald es nötig ist. An einem Beispiel wird das durchdekliniert.
Was also mit guten Absichten verbunden ist, führt doch dazu, den Umfang und die Bedeutung unbezahlter Arbeit zu reduzieren, damit aber auch ihre Eigenheiten zu verstellen. Was aber folgt nun daraus? Keineswegs ein Schönreden der Verhältnisse, es stellt sich die Frage, wie dem begegnet werden kann, ohne diese Tätigkeiten in Dienstleistungen zu verwandeln, die entlohnt werden. Bezeichnend ist für die Diskussionslage, ich berufe mich auf die wiedergegebene Aussage von Uta Meier-Gräwe, mit welchen Einwänden sich gegen eine Entlohnung gerichtet wird. Nicht etwa wegen der hier schon genannten, vielmehr gelte es zu verhindern „dass Lohn für Hausarbeit dazu führen würde, dass noch mehr Frauen zu Hause bleiben“. Zum einen folgte das nicht notwendig aus einem solchen Lohn, zum anderen wäre es eine Frage, die ein Elternpaar selbst zu klären hätte. Was Meier-Gräwe stattdessen vorschlägt, läuft nur darauf hinaus, am Primat von Erwerbstätigkeit nichts zu ändern, sondern ihn lediglich etwas zu mildern durch eine reduzierte Normalarbeitszeit oder Rentenpunkte für Erziehungszeiten (die es schon in geringem Umfang gibt).
Daraus einen Ausweg weist nur ein Bedingungsloses Grundeinkommen, denn nur es hebt den Primat von Erwerbstätigkeit auf.
Sascha Liebermann