So könnte ein Streitgespräch zwischen Henning Vöpel und Thomas Straubhaar überschrieben werden, das vom Handelsblatt initiiert wurde. Die Zeitangabe des Beitrags täuscht allerdings darüber hinweg, dass es nur in einem Teil von etwa 20 Minuten um ein BGE geht, der andere ist mit Finanznachrichten und Werbeeinblendungen gefüllt.
Thomas Straubhaar spricht sich hier klar dafür aus, mit einem BGE alle Sozialleistungen zu ersetzen und lässt offen, was mit Härtefällen wird, mit Personen, die besondere Hilfeleistungen benötigen, die nicht mit einem BGE gedeckt wären. Begründet wird das von ihm damit, dass es sich nicht bewährt habe, Sozialleistungen an Einzelfallgerechtigkeit auszurichten, weil der Staat nicht angemessen darüber befinden könne, was im Einzelfall gerecht ist. Hier scheint mir doch ein erhebliches Missverständnis vorzuliegen, der die verbreitete Rede von der Einzelfallgerechtigkeit zuarbeitet. Es liegt doch auf der Hand, dass der Gesetzgeber mit seiner Ausgestaltung des Sozialgesetzbuches ein Leistungsspektrum definieren muss, in dessen Rahmen dann Ansprüche geprüft und bewilligt werden. Diese Regelungen sind immer allgemeine Regelungen und können auf die konkrete Person nur so weit Rücksicht nehmen, wie es allgemeine Regelungen eben zulassen.
Hilfreich sei ein BGE wegen dreier Herausforderungen: Disruption, Digitalisierung und Datenwirtschaft. Wirklich ausgeführt wird das nicht, zumal das neue Zauberwort Disruption nichts anderes benennt als Wandlungsprozesse, die in den modernen Industriegesellschaften nicht neu sind. Dem Einwand, ein BGE erhielten auch diejenigen, die es nicht brauchten, entgegnet er mit dem Verweis darauf, dass ihr Nettoanteil am Steueraufkommen höher sei, als das BGE, das sie erhielten. Wie schon in früheren Ausführungen spielt auch hier für Straubhaar überhaupt keine Rolle, ein BGE von der Verfasstheit der Demokratie aus zu betrachten, das ist angesichts unserer Lebensverhältnisse immerhin bemerkenswert.
Henning Vöpels Ausführungen bewegen sich im Rahmen dessen, was er schon vor etwa zwei Jahren in einem Beitrag für Die Welt dargelegt hatte. Auch er hält es angesichts von Disruption für notwendig, dass der Staat aktiver eingreife, das sei nötiger denn je. Die „Erwerbsgesellschaft“ solle er „hochhalten“, sich um das Individuum „kümmern“, statt sich durch Bereitstellung eines BGE zurückzuziehen. Weshalb er die „Erwerbsgesellschaft“ beinahe bedroht sieht, sonst müsste sie ja nicht hochgehalten werden, erschließt sich aus seinen Ausführungen nicht recht und schon gar nicht angesichts der Erwerbstätigenquoten und der sozialpolitischen Forcierung von Kita- und Ganztagsschulen. Dass der Staat sich dann zurückziehe, nachdem ein BGE bereitgestellt wird, ist nur eine Befürchtung, die Vöpel hat. Befürchtungen kann man haben, als Argument taugen sie nicht, denn wenn ein solcher Rückzug drohen sollte, dann müssten die Bürger sich eben dagegen wenden. Das gilt allerdings heute schon und ist keine Zukunftsmusik. Wenn er dann sagt, der Staat müsse „in Bildung reingehen“ und Weiterqualifizierung fördern, stellt sich die Frage, was Vöpel da wohl im Auge hat. Denn Bildung ist nicht gleich Bildung, es kommt also darauf an, sich zu fragen, welche Bildung denn dem Leben in einer Demokratie förderlich ist – mit einem BGE hat das nur mittelbar zu tun. Von einem Rückgang des Arbeitsangebots geht er als Auswirkung eines BGEs nicht aus, denn „Menschen wollen beitragen“. Für problematisch hält er Straubhaars Stoßrichtung, mit einem BGE alle sozialstaatlichen Leistungen zu ersetzen, und damit trifft er einen wichtigen Punkt, denn die Folge wäre, dass es in Straubhaars Vorschlag keine Bewilligung von Sonderbedarfen mehr gäbe – das wäre eine deutliche Einschränkung. Was allerdings Vöpel nicht sieht, wie so häufig in der Debatte, dass ein BGE im Grunde ein ausgeschütteter Grundfreibetrag ist, wie er heute im Einkommensteuergesetz geregelt ist. Damit ist ein Rechtsanspruch formuliert, der das Existenzminimum im allgemeinen steuerlich unverfügbar macht, er greift allerdings nur bei steuerbarem Einkommen. Ein BGE würde mit einer dauerhaft gesicherten Verfügbarkeit des Existenzminimums ernst machen.
Zwar taucht nun in dem Gespräch oft das Individuum auf, dem der Staat verpflichtet sein müsse, doch das Individuum ist nicht irgendeines, es ist als Bürger Träger der politischen Ordnung. Doch dieser Zusammenhang scheint für keinen der Gesprächspartner relevant.
Sascha Liebermann