„Teilzeitfalle“…

… – so wird in der öffentlichen und sozialpolitischen Diskussion das Phänomen bezeichnet, wenn Eltern nicht voll erwerbstätig sein können, weil es an Betreuungsangeboten fehle. Deswegen, so auch die neue Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas laut Bericht der Frankfurter Allgemeine Zeitung, müsse etwas unternommen werden. Die Diskussion hat schon einige Jahre auf dem Buckel und wird stets von der Warte der Vollerwerbstätigkeit als Ziel geführt, demgegenüber Teilzeittätigkeit ein Problem darstelle (siehe hier und hier). Dass es gute Gründe für Teilzeit- oder gar keine Erwerbstätigkeit geben kann, z. B. den nicht unerheblichen, mehr Zeit für Familie zu haben, scheint nicht von Belang.

Dabei ist gerade in den vergangenen Jahren der Illusion von der Vereinbarkeit von Familie und Beruf mehr Aufmerksamkeit zuteil geworden. Als Antwort darauf wurden alternative Arbeitszeitmodelle vorgeschlagen, ohne allerdings eine Abkehr vom Erwerbsvorrang anzustreben, denn daran will kaum jemand ernsthaft rütteln. Genau das aber ist der Grund, dass immer wieder dieselben Vorschläge gemacht werden – die Abschaffung des Ehegattensplittings darf hier genausowenig fehlen wie die Verbesserung von „Anreizen“ -, es geht stets um die heilige Vollerwerbstätigkeit, als sei sie das höchste aller Ziele und nicht nur eine Aufgabe neben anderen.

Allerdings, so muss man festhalten, ist das innerhalb des bestehenden Gefüges von Sozialversicherungen und dem Selbstverständnis einer „Arbeitsgesellschaft“  konsequent, alles, was nicht Erwerbstätigkeit betrifft, als zweitrangig zu betrachten. Familie wird so zu einer Freizeitangelegenheit, die man nur gut organisieren und planen müsse, dann gehe das schon. Dadurch jedoch bleibt Familie als Form der Beziehung zueinander auf der Strecke. Vielleicht wäre es dann besser, statt an einer Attrappe festzuhalten, gleich den ganzen Begriff abzuschaffen, das wären dann ehrliche Verhältnisse, man wüsste, woran man wäre, Familie wäre eben eine Nebensache. Zugleich könnten all die wiederkehrenden Diskussionen um „sozialen Zusammenhalt“, „Empathie“, „Solidarität“ und wie die Schlagworte heißen mögen, beendet werden, denn wer braucht die schon, wenn es nicht einmal dazu reicht, der Familie in ihrer Eigensinnigkeit (im positiven Sinne) Raum zu lassen? Wer den Mangel des ersten beklagt und den Untergang der Demokratie kommen sieht, sollte sich nicht wundern, wenn er dem zweiten eben kaum Raum gibt. Sparen könnten wir uns auch die großartigen „role models“, die ob ihres Erfolges angepriesen werden, wie z. B. das karriereorientierte Elternpaar, in dem beide jeweils zu einem anderen Arbeitsort pendeln, auf Geschäftsreisen sind und dennoch das alles ganz toll unter einen Hut bekommen.

Wer daran zweifelt, dass das gelingen kann, der muss nur einmal einen ganz normalen Vollerwerbsarbeitstag durchrechnen: An- und Abfahrt zum Arbeitsplatz (insgesamt ca. eine Stunde – konservativ gerechnet), Arbeitszeit (acht Stunden), Mittagspause (eine Stunde) – dann werden die Zweifel noch größer. Er geht um 7 Uhr aus dem Haus und ist frühestens um 17 Uhr wieder zuhause. Familie ist etwas für die „Randzeiten“, mehr benötigt sie offenbar nicht – zumindest wenn man den Vollerwerbsapologeten Glauben schenken darf.

Sascha Liebermann