…sagte die Unternehmerin Christine Ostermann in einem Gespräch mit Michele Marsching (Piratenpartei), das im Jahr 2012 in der Wirtschaftswoche zu lesen war. Das liegt zwar lange zurück, ist aber immer noch interessant, weil es den Paternalismus zeigt, der unter Unternehmern bzw. Managern nicht gering verbreitet ist. Nachstehend ein Kommentar zur entsprechenden Passage des Streitgesprächs, in der die Wirtschaftswoche die Sprache auf das BGE brachte:
„Stichwort bedingungsloses Grundeinkommen?
Marsching: Klar. Ich persönlich vertrete da einen Satz, der ungefähr bei Hartz IV plus Wohngeld liegt. Das würde verhindern, dass Menschen sich für diese Leistung ausziehen müssen bis aufs letzte Hemd in Bezug auf ihre Daten.
Ostermann: So weit gibt es das ja heute schon, nur dass es an Bedingungen geknüpft ist. Und das ist auch wichtig. Sonst fehlen die Anreize, sich Arbeit zu suchen.
Marsching: Die Arbeit muss gemacht werden.
Ostermann: Das sehen die Menschen nicht von allein, die nicht arbeiten gehen.
Marsching: Das werden sie aber, wenn der Müll sich vor ihrer Haustür stapelt. Bei einem Grundeinkommen wird es eine Umschichtung geben. Die Arbeit, die keiner machen will, wie die der Klofrau, müsste höher entlohnt werden, weil sie sonst liegen bleibt.
Ostermann: Wir brauchen den Anreiz zu arbeiten. Es gibt zu viele Menschen, die durch Sozialtransfers dazu verleitet werden, auf der faulen Haut zu liegen. Wir hatten einen Auszubildenden, der hat gekündigt, weil das Gehalt auf die Sozialhilfe des Vaters angerechnet wird.
Marsching: Das ist einfach dumm.
Ostermann: Aber so etwas erlebe ich fast täglich. Und wenn Sie die falschen Anreize setzen, wäre es noch öfter.“
Marsching vertritt einen eher defensiven Vorschlag eines BGE, die Frage wäre hier, meint er das als Individual- oder als Haushaltsleistung? Dass er das BGE angesichts der volkswirtschaftlichen Leistung so gering ansetzt, wodurch letztlich ohne Erwerbstätigkeit kein Auskommen zu erzielen ist, ist nicht nachvollziehbar, er wird dafür womöglich andernorts Begründungen vorgelegt haben.
Ostermann, wenig unternehmerisch, kontert sogleich mit den „Anreizen“, einer ziemlich kruden Vorstellung davon, wie Handeln entsteht, warum Menschen tun, was sie tun. Wer so denkt, benötigt grundsätzlich Kontrolle, Kontrolle sollen hier „Anreize“ liefern. Unternehmerische Initiative? Müsste ein Fremdwort sein für sie, es sei denn, die „Anreiz“-Behauptung gilt nur für bestimmte Gruppen.
Wenn Marsching nun mit „Die Arbeit muss gemacht werden“ darauf reagiert, fragt man sich, wie das gemeint ist, stimmt er zu, damit würde er sich widersprechen. Oder zielt er auf etwas anderes? Welche Arbeit muss denn von wem gemacht werden? Was heißt hier „muss“? Plädiert er deswegen für ein niedriges BGE? Das würde passen, so bliebe der Arbeits-„Anreiz“ erhalten.
Ostermann scheint sich überhaupt nicht zu fragen, was den diejenigen machen, die nicht „arbeiten“ und warum sie nicht „arbeiten“? Will man das verstehen, muss diese Frage aber gestellt werden, denn Entscheidungen werden nicht einfach so getroffen.
Marsching ändert dann die Richtung und geht von einer Verhandlungsmacht aus, die ein BGE verleihe, aber doch nicht ein so niedriges, besonders nicht für eine alleinstehende Person. Die Vorstellung ist illusionär, auf dieser Basis besonders gut verhandeln zu können, es sei denn, der Arbeitsmarkt wäre so leergefegt, das dies möglich wäre. Das hängt dann aber nicht vom BGE, sondern von der Lage am Arbeitsmarkt ab. Ein BGE will gerade davon unabhängig Entscheidungen ermöglichen.
Das Verführung-zur-Faulheit-durch-Sozialtransfers-Argument darf nicht fehlen, Ostermann kennt diese Gefahr offenbar aus eigener Erfahrung. Wie es mit Erfahrung aber manchmal so ist, sie kann auch trügerisch sein, weil man bestimmte Schlüsse aus ihr zieht, die nicht zwingend sind. Belege gibt es für Ostermanns Behauptung in dieser Form keine (siehe z. B. die Arbeiten von Gebauer, Petaschauer und Vobruba). Ostermanns Beispiel ist interessant: war der Grund, den sie nennt, der wahre oder steckte etwas Anderes dahinter? Liegt hier womöglich ein Ablösungsproblem vor, also mangelnd Abnabelung vom Elternhaus (siehe auch hier)? Und davon einmal abgesehen, gäbe es genau die Anrechnung, die sie hier moniert, mit einem BGE gerade nicht. Ostermann lässt sich in ihrer Haltung nicht beirren und kommt nicht auf den Gedanken, dass ihre Schlussfolgerungen aus den Erfahrungen in eine andere Richtung weisen könnten. Will sie denn etwa auf Mitarbeiter bauen, die nicht bei ihr arbeiten wollen und nur durch Sanktionsandrohungen bzw. „Anreize“ den Weg zu ihr finden? Damit würde ihr Unternehmen sich eine Erziehungsanstalt verwandeln.
Sascha Liebermann