„Bedingungsloses Grundeinkommen: Wir benötigen eine differenziertere Diskussionen(sic)“ – Differenzierung ist immer gut, aber den „Reicheren“ das Existenzminimum nicht vorbehaltlos gewähren?

Alexander Raiola hat einen Beitrag in Flaschenpost. Nachrichtenmagazin der Piraten veröffentlicht und zu einer differenzierteren Diskussion aufgefordert. Es ist dabei nicht ganz klar, ob er mit „wir“ die Piratenpartei oder die deutsche Öffentlichkeit vor Augen hat, womöglich beides. Diskussionen differenzierter führen zu wollen, ist natürlich immer gut und wünschenswert, das aber für ein Bedingungsloses Grundeinkommen zu fordern, scheint mir doch sehr gewagt. Selbst in der Piratenpartei hat es schon differenzierte Debatten gegeben, bevor sie sich selbst zerlegt hat. Die allgemeinere öffentliche Diskussion in Deutschland gibt es seit etwa 2004, sie hat in dieser Zeit erheblich an Differenzierung gewonnen, einmal ganz abgesehen von der internationalen Debatte. Raiola schlägt nun vor, den „Reicheren“ ein BGE nicht bedingungslos zu geben und fällt damit hinter den heutigen Stand ohne BGE zurück, denn den Grundfreibetrag in der Einkommensteuer erhält jeder genau deswegen bedingungslos, weil er das Existenzminimum absichern soll. Darüber hinaus würde sein Vorschlag hintenherum wieder eine Bedarfsprüfung einführen, wenn ein BGE von der Einkommenshöhe abhängig gemacht würde. Dass ein BGE eine stabilisierende Wirkung für die Binnenkaufkraft hat ist wiederholt gesagt worden, gerade zu Beginn der Corona-Krise wurde daran wieder einmal erinnert. Seine Forderung, dass Debatten wieder argumentativer und offener geführt werden müssen, ist wohlfeil, wer hätte etwas dagegen. Die eigentlichen Schwierigkeiten das BGE betreffend, liegen darin, dass es bislang nicht ernsthaft gewollt ist. Wäre es anders, würden sich manche Fragen leichter beantworten lassen.

Sascha Liebermann

„Wir brauchen den Anreiz zu arbeiten“…

…sagte die Unternehmerin Christine Ostermann in einem Gespräch mit Michele Marsching (Piratenpartei), das im Jahr 2012 in der Wirtschaftswoche zu lesen war. Das liegt zwar lange zurück, ist aber immer noch interessant, weil es den Paternalismus zeigt, der unter Unternehmern bzw. Managern nicht gering verbreitet ist. Nachstehend ein Kommentar zur entsprechenden Passage des Streitgesprächs, in der die Wirtschaftswoche die Sprache auf das BGE brachte:

„Stichwort bedingungsloses Grundeinkommen?
Marsching: Klar. Ich persönlich vertrete da einen Satz, der ungefähr bei Hartz IV plus Wohngeld liegt. Das würde verhindern, dass Menschen sich für diese Leistung ausziehen müssen bis aufs letzte Hemd in Bezug auf ihre Daten.
Ostermann: So weit gibt es das ja heute schon, nur dass es an Bedingungen geknüpft ist. Und das ist auch wichtig. Sonst fehlen die Anreize, sich Arbeit zu suchen.
Marsching: Die Arbeit muss gemacht werden.
Ostermann: Das sehen die Menschen nicht von allein, die nicht arbeiten gehen.
Marsching: Das werden sie aber, wenn der Müll sich vor ihrer Haustür stapelt. Bei einem Grundeinkommen wird es eine Umschichtung geben. Die Arbeit, die keiner machen will, wie die der Klofrau, müsste höher entlohnt werden, weil sie sonst liegen bleibt.
Ostermann: Wir brauchen den Anreiz zu arbeiten. Es gibt zu viele Menschen, die durch Sozialtransfers dazu verleitet werden, auf der faulen Haut zu liegen. Wir hatten einen Auszubildenden, der hat gekündigt, weil das Gehalt auf die Sozialhilfe des Vaters angerechnet wird.
Marsching: Das ist einfach dumm.
Ostermann: Aber so etwas erlebe ich fast täglich. Und wenn Sie die falschen Anreize setzen, wäre es noch öfter.“

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„Die SPD und ihre Angst vor dem bedingungslosen Grundeinkommen“

Ein Beitrag von Manfred Schramm über eine Veranstaltung mit Sigmar Gabriel (siehe auch hier) in Wesel. Dort äußerte sich der Bundesaußenminister auch zum Bedingungslosen Grundeinkommen – die Art und Weise spricht Bände. Wer kann – Gabriel ist ja keine Ausnahme – die SPD ernsthaft als eine Alternative betrachten, wenn sie in dasselbe Horn bläst wie der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder. Vorgestern war wieder zu erleben, wie der Kanzlerkandidat der SPD damit umgeht, wenn die Frage darauf kommt, wie denn Familien, im konkreten Fall eine Mutter mit sechs Kindern, so unterstützt werden können, dass sie nicht auf Altersarmut zusteuert. Die Antwort: es muss ausreichend Kinderbetreuung geben. Das ist aber keine Unterstützung von Familien, sondern eine des Arbeitsmarktes und der dort erreichbaren Wertschöpfung, es sei denn Eltern wollen ausdrücklich nicht zuhausebleiben für ihre Kinder.

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„Du bist uns als Mensch wichtig nicht nur als Arbeitskraft“

Dieses Wahlplakat trifft eine wichtige Aussage, dass nämlich der Mensch (als Bürger) um seiner selbst und um des Gemeinwesens willen im Zentrum stehen sollte – und nicht die Erwerbstätigen (siehe hier und hier). Der deutsche Sozialstaat ist jedoch einer, in dessen Zentrum Erwerbstätigkeit steht, von wenigen Ausnahmen abgesehen. Ein BGE erst würde das ändern können.

„Volksabstimmung per Wahlzettel?“ – Fortschritt oder Rückfall?

…so übertitelte Gernot Reipen seinen kritischen Beitrag vom 13. Oktober zur Gründung des Bündnis Grundeinkommen. Der Beitrag und die dazu verfassten Kommentare geben Einblick in den Stand der Grundeinkommensdiskussion.

Die Sorge Gernot Reipens um ein Scheitern der BGE-Partei ist zwar nachvollziehbar für jemanden, der sich lange und engagiert mit dem Vorschlag befasst. Doch sind sie berechtigt? In meinen Augen ist die Parteigründung nicht der „letzte Versuch“, wie ein Kommentator schreibt, um das BGE wieder in die Diskussion zu führen, sondern ein Versuch der anderen Art, ein Versuch innerhalb des Repräsentativsystems unserer Demokratie einen Weg zu nutzen. Ein Verdienst der Grundeinkommensaktiven der letzten zwölf Jahre ist es, dazu beigetragen zu haben, dass man am BGE als Alternative nicht mehr vorbei kann, ohne Stellung zu beziehen. Das sieht man in vielen medial angesehenen Diskussionsrunden. Bundesministerin Andrea Nahles z. B. hat sich wiederholt zum BGE geäußert, weil sie darauf angesprochen wurde. Der Präsident des Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher, hat sich ebenso wiederholt dagegen geäußert. Es mag nicht laut sein, kein Getöse und kein Feuerwerk, aber das BGE ist da. Es könnte durch die BGE-Partei mehr Aufmerksamkeit erlangen, wenn sie denn als Partei wird antreten können. Ob das nun gelingt, wird man sehen.

Wenn Gernot Reipen darauf hinweist, Bündnisse mit bestehenden Befürwortern sollten geschmiedet werden, dazu gäbe es schon erfolgreiche Ansätze, dann muss man fragen, wohin solche Bündnisse führen könnten? Würden sie die Pluralität der Diskussion fortführen helfen oder nicht? Welche Rolle spielt das BGE denn tatsächlich bei den Grünen, bei die Linke? Hat die Piratenpartei nicht erheblich an Glaubwürdigkeit verloren in 2013 – und hat sie das wieder ausgleichen können? Wären die Sorgen, die angesichts der BGE-Partei genannt werden, nicht auch solche, die sich gegen solche Bündnisse richten könnten?

Sascha Liebermann

Schiefe Vergleiche und unausgesprochener Paternalismus – eine Anhörung im NRW Landtag zum Bedingungslosem Grundeinkommen

Am 30. Juni fand auf Antrag der Piratenpartei eine Experten-Anhörung im Hauptausschuss des Landtages von Nordrhein-Westfalen zum Bedingungslosen Grundeinkommen statt. Nun steht das Protokoll (S. 5-25) der Anhörung online und erlaubt, Einblick in die Beiträge der Experten sowie in Antworten auf Fragen, die an sie gerichtet wurden, nachzulesen. Wer mit der Diskussion zum BGE vertraut ist, wird wenig Neues darin entdecken, allerdings finden sich hier und da Differenzierungen, die in der öffentlichen Diskussion selten vorkommen.

Interessant ist die nachfolgende Passage aus einer Antwort von Dominik Enste (TH Köln/ Institut der deutschen Wirtschaft) auf eine Frage aus dem Ausschuss. Er bezieht sich hierbei auf Ausführungen von Ute Fischer (Fh Dortmund/ Freiheit statt Vollbeschäftigung) zur Bedeutung bedingungsloser Anerkennung in vergemeinschaftenden Lebenszusammenhängen. Was sagte er?

„Eine völlige Bedingungslosigkeit gibt es vielleicht in der Familie, manchmal noch bedingungslose Liebe – danach sehnen wir uns alle – und selbst die ist meistens nicht gegeben, denn die Eltern lieben ihr Kind vor allem dann, wenn es zurücklächelt. Insofern ist auch dort eine gewisse Reziprozität vorhanden. Und diese ist dann eben auch in der Form der Bedürftigkeit bei diesem Einkommen Voraussetzung.“ (Protokoll der Anhörung, S. 16)

Überraschend ist, wie Enste zwei Dinge zusammenführt, die nicht vergleichbar sind. Die Eltern-Kind-Beziehung, die er zum Vergleich wählt und von ihr aus die Bedürftigkeitsprüfung herleitet (Reziprozität), ist eine asymmetrische. Kinder sind von den Eltern in vielerlei Hinsicht abhängig, Eltern treffen Entscheidungen für die Kinder, solange diese noch nicht entscheidungsfähig sind. Das ist nun in keiner Form vergleichbar mit der Beziehung Erwachsener zueinander, die sich in ihrer Selbstbestimmung frei begegnen. In einem Gemeinwesen begegnen sie sich darüber hinaus noch als Angehörige qua Staatsbürgerschaft, dadurch sind sie Gleiche unter Gleichen. Diese Beziehung ist eben nicht asymmetrisch, sie ist symmetrisch. Von hier aus gelangt man eben nicht zur Begründung der Bedürftigkeitsprüfung, stattdessen eröffnet es den Weg zum BGE. Enste sucht sich zur Veranschaulichung dessen, dass er die Bedürftigkeitsprüfung für richtig hält (Werturteil) ein ungeeignetes Beispiel, das der Analyse nicht standhält. Dass dadurch der Erwerbstätigkeit eine vorrangige Wichtigkeit zugesprochen wird und andere Tätigkeiten unter den Tisch fallen, sieht er nicht oder will er nicht sehen. Genau darauf wies jedoch Ute Fischer hin.

Eine zynische Note erhält das Ganze, indem er – und das ist eine Unterstellung – behauptet, dass „meistens“ Eltern ihr Kind vor allem dann liebten, wenn es zurück lächele. Nehmen wir einmal an, dass dies so sei, was folgte daraus? Wir hätten es dann mit einem Phänomen zu tun, das für entsprechende sozialisatorische Folgen sorgte. Denn die für einen gelingenden Bildungsprozess unerlässliche bedingungslose Hinwendung zu den Kindern zeigt diesen gerade, dass sie, so wie sie sind, angenommen werden. Diese Hinwendung ist eine, die keine bestimmte Gegenleistung voraussetzt. Ein Kind macht dadurch die Erfahrung, dass es ganz gleich, was es tut, geliebt wird. Was nun passiert, wenn diese Bedingungslosigkeit nicht einschränkungslos gegeben ist, lässt sich leicht veranschaulichen. Kinder machen die Erfahrung, dass es nicht um sie als solche geht, sondern darum, sich wohlzuverhalten, elterlichen Erwartungen zu entsprechen, sich also anzupassen an das, was den Eltern gefällt, nicht aber ihre Bedürfnisse zu artikulieren. Sollte eine solche Haltung der verbreitete Normalfall sein, müssten wir uns ernsthaft Sorgen machen. Dass sie vorkommt, steht außer Frage, ist aber gerade problematisch, weil sie die Herausbildung des Selbstvertrauens in die eigene Person als ganze beeinträchtigt (zur Lektüre dazu siehe z. B. hier). Wenn Enste das nun zum Regelfall erklärt, argumentiert er gerade gegen die Anerkennung der Person um ihrer selbst willen und erhebt einen Missstand zum Ideal. Das ist zynisch.

Was hatte denn Ute Fischer eigentlich gesagt, worauf Dominik Enste reagierte? Ute Fischer unterschied zwei Begriffe von Reziprozität, um deutlich zu machen, dass die verbreitete Rede von Reziprozität als Verhältnis von Leistung und Gegenleistung verkürzt sei:

„Wir haben das Prinzip des Äquivalententausches. Das ist die zweckgerichtete Leistung für die Ökonomie, für den Arbeitsmarkt – da verwenden wir Leistung und Gegenleistung als Äquivalent. Es gibt aber daneben den Bereich der sittlichen Reziprozität, der zweckfreien Gegenseitigkeit. Das verwenden wir immer da, wo wir als ganze Menschen eingebunden sind – in Familien und im politischen Gemeinwesen. Es sind zwei verschiedene Arten, Gegenseitigkeit zu verstehen. Für den ökonomischen Bereich ist der Äquivalententausch genau richtig: Leistung auf Gegenleistung. Für den anderen Bereich – und wir reden hier über das Sozialsystem, das ist der Bereich der politischen Vergemeinschaftung – ist die Gegenseitigkeit als zweckfreie Kooperation entscheidend.“ (S. 10)

Es gibt ein Verständnis von Reziprozität, das seinen Ort dort hat, wo Leistung bzw. -svermögen getauscht wird, z. B. am Güter- und Arbeitsmarkt. Diese Austauschlogik ist mit zweckgerichteter Reziprozität gut umschrieben, weil auch die Leistungsersteller in Gestalt von Mitarbeitern nicht um ihrer selbst willen eingestellt werden, sondern weil sie einem Zweck dienen sollen. Sie übernehmen eine Aufgabe oder Rolle. Deswegen sind sie ja auch austauschbar, ohne dass der Zweck, dem sie dienen sollen, darunter leiden würde. Es macht diese Tauschform aus, dass es nicht um die Person um ihrer selbst willen geht. Um die Person um ihrer selbst willen geht es woanders, und zwar gilt dort ein Verständnis von Reziprozität im Sinne eines zweckfreien Tauschs. Nicht Leistung wird dort getauscht, Personen als ganze tauschen sich miteinander aus und erkennen sich darin um ihrer selbst willen an. Deswegen ist es auch unangemessen, dies als Rolle zu bezeichnen, vielmehr sind es Positionen, die an Personen hängen, z. B. Vater, Mutter, Staatsbürger. Dieser zweckfreie Tausch, anders als häufig dargestellt, ist die Basis dafür, dass der zweckgerichtete verlässlich möglich ist. Normbindung, Bindung an Regeln und damit auch Verträge wird durch die Erfahrung des zweckfreien Tauschs als Grundlage von Bildungsprozessen erst ermöglicht. Die zweckfreie Reziprozität vollzieht sich in zwei Gemeinschaftsformen: in Familie bzw. familienähnlichen Sozialgebilde und in Gemeinwesen. In der Familie ist es die bedingungslose Anerkennung des Gegenübers als Angehöriger eines Verwandtschaftsgebildes (Gatte-Gattin, Eltern-Kind), im Gemeinwesen ist es die bedingungslose Anerkennung der Bürger als Legitimationsquelle politischer Ordnung (GG Art 20, (2)).

In der Diskussion um das BGE wird diese Differenzierung selten vorgenommen, sie ist jedoch wichtig, um zu verstehen, dass ein Gemeinwesen auf anderen Grundlagen steht als ein Erwerbsverhältnis. Solange das nicht genügend auseinandergehalten wird, scheint nicht nur das BGE eine Angelegenheit von einem anderen Stern zu sein, unser Verhältnis zu uns selbst als Bürger eines Gemeinwesens, die die Basis von allem sind, bleibt ebenso verstellt. Wir übersehen uns selbst, könnte man auch sagen. Wie soll es da Veränderungen geben können, die dazu führen, die Bedeutung der Bürger mehr zu achten?

Sascha Liebermann

„Das BGE und die Industrie von morgen“…

…unter diesem Titel steht die Themenwoche der Piratenpartei zum Bedingungslosen Grundeinkommen vom 27. Februar bis zum 6. März. Ein ausführlicher Artikel von Gernot Reipen dazu findet sich hier. Veranstaltungen und Termine finden sich auf dieser Website.

Damit greift die Themenwoche einen Aspekt auf, der in den letzten Monaten sehr häufig mit dem BGE verknüpft wurde: Digitalisierung und „Industrie 4.0“. Einige Studien prophezeien Umbrüche nicht nur in der Arbeitswelt, die durch die digitalen Technologien möglich sein könnten. Erwerbsarbeitsplätze, so die Behauptung, werden in einem Umfang verloren gehen, ohne dass sie durch neue im gleichen Maße ersetzt werden würden. Solche Szenarien sind nicht neu, sie wurden in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder einmal gezeichnet und die Entwicklung des Arbeitsvolumens in Deutschland, wie sie der Historiker Gerhard Schildt (siehe hier und seinen Beitrag in diesem Sammelband) dargelegt hat, könnte diese Behauptungen zumindest stützen. Wie sie zu beurteilen ist und ob es technologische Arbeitslosigkeit und in welchem Maße gibt, ist umstritten.

Ob BGE und Digitalisierung überhaupt miteinander verknüpft werden sollten, ist eine andere Frage, die allerdings von grundsätzlicher Bedeutung ist (siehe frühere Beiträge dazu hier). In vielen Äußerungen von verschiedener Seite, die in letzter Zeit zu vernehmen waren, wird das BGE für notwendig erachtet, weil die Digitalisierung die genannten Folgen haben werde. Dieses Argument folgt derselben Logik wie dasjenige, das ein BGE für notwendig erachtet, weil das Arbeitsvolumen stetig abnehme und es nicht mehr genügend Erwerbsarbeitsplätze geben werde. Auch für dieses Argument galt, was für das Digitalisierungsargument gilt: Wer diesen Zusammenhang herstellt, betrachtet das BGE zuallererst als Reparaturmaßnahme, es wird zur Kompensation eines Verlusts an Einkommensplätzen erklärt. Das soll nicht heißen, dass ein BGE das nicht leisten könnte, das könnte es sehr wohl. Doch strenggenommen sind es zwei unterschiedliche Begründungsstränge, ob das BGE als kompensatorische Leistung verstanden wird oder als eigenständnige Einkommensquelle, die aus der demokratischen Verfasstheit unseres Landes herzuleiten wäre. Im ersten Fall müsste das BGE dann wieder aufgehoben werden, wenn der Grund der Reparatur wegfiele, der Arbeitsmarkt wieder entspannt wäre. Wir wissen nicht ob, das je der Fall sein wird, aber auf diese Konsequenz läuft die erste Begründung hinaus (siehe auch hier). Die zweite hingegen ist davon ganz unabhängig und stellt das BGE damit auf ein anders Fundament als die erste. Die Herleitung über die Demokratie führt zu anderen Schlussfolgerungen und stärkt weitere Zusammenhänge, insofern ist sie die viel stärkere und zu unserem Lebensgefüge besser passende. Über Digitalisierung würden wir entsprechend ganz anders diskutieren, wenn wir sie aus dem Zusammenhang der Entwicklung am Arbeitsmarkt lösen würden. Mit einem BGE wäre das ganz einfach.

Sascha Liebermann