Das Elterngeld und seine Versprechungen – ein Segen dagegen wäre ein bedingungsloses Grundeinkommen

Ein aktueller Beitrag mit dem Titel „Der Preis des Elterngeldes“ in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 30. August 2008 weist auf praktische Schwierigkeiten hin, die den Versprechungen, die einst gemacht wurden, entgegenstehen.

Ziel des Elterngeldes ist es, wie wir der Website des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, entnehmen können: „Die Entscheidung für Familie und für Kinder und für ihre Betreuung ist immer individuell und privat. Der Staat kann und will jungen Eltern nichts vorschreiben.“

Genau dies aber macht das Elterngeld indirekt, in dem es ein Ideal errichtet: Eltern, die berufstätig waren, werden anders behandelt als solche, die es nicht waren.

Das Hin und Her in der Diskussion, die Bedingungen, an die wiederum die Gewährung von Leistungen wie das Elterngeld gebunden sind, haben eine Möglichkeit ganz verschüttet. Wenn die Eltern sich entscheiden können sollen, wie sie sich zur Elternschaft stellen, ob sie Beruf und Familie vereinbaren wollen oder nicht, dann sollten wir ihnen doch viel mehr Möglichkeiten zur Entscheidung geben. Nur das Kindergeld gewähren wir bislang, ohne es ins Verhältnis zur Erwerbsarbeit zu setzen. Beim Elterngeld sieht dies schon anders aus, wir schaffen zwei Klassen von Eltern, ehemals Erwerbstätige und andere. Damit signalisieren wir, dass erwerbstätige Eltern einen größeren Wert für uns haben als andere. Wir haben mit dem Elterngeld nun zwei Klassen von Eltern, besser und schlechter verdienende, und damit Kinder, die in besser und schlechter gestellten Familien aufwachsen.

Wie viel einfacher und weitreichender könnte unsere Familienpolitik sein, wenn wir diese Verbindung aufgäben. Ein bedingungsloses Grundeinkommen von der Wiege bis zur Bahre für jeden Staatsbürger, Eltern wie Kinder gleichermaßen, erlaubte eine andere Politik. Eine Familie mit zwei Kindern erhielte, unabhängig von Erwerbsleistung, vier Grundeinkommen. In ausreichender Höhe könnten Eltern damit wirklich frei entscheiden, ob sie für ihre Kinder zuhause bleiben oder das Grundeinkommen nutzen wollen, um vielleicht auch aus eigener Initiative, Betreuungsplätze zu organisieren und zu bezahlen, wo öffentliche fehlen. Mit dem Grundeinkommen wären sie dazu imstande. Die Familienpolitik würde näher an die Familie heranrücken, Entscheidungen wirklich in ihre Hände legen.

Nun könnte eingewandt werden, dieser Vorschlag sei weit weg, gar utopisch. In der Tat, denn noch haben wir ein bGE nicht. Doch, wie die öffentliche Diskussion zeigt, in der die Stimmen lauter geworden sind, die eine Diskussion darüber wünschen, könnte die Utopie bald gegenwärtig sein.

Mögliche erste Schritte könnten sein: Bloße Feststellung des Bedarfs für ALG II, aber keine weiteren Kontroll- und Zwangsmaßnahmen; Abschaffung der Anrechnung von Zuverdiensten auf ALG II; Erhöhung des Kindergeldes auf eine Höhe, dass Eltern mit ihm auch in der Lage wären, Betreuungsplätze zu finanzieren; Erhöhung der ALG II-Regelsätze. Weitere ließen sich nennen, doch bei all den Überlegungen zum Einstieg bleibt es entscheidend, wo diese Schritte denn hinführen sollen. Sie können also nur ein Einstieg sein, mehr nicht. (Vgl. auch die Diskussion um die Vorschläge von Götz W. Werner sowie seinen jüngsten Beitrag in der Frankfurter Rundschau zum Grundeinkommen für Kinder)

Die Erwerbsarbeit würde Schritt um Schritt vom Podest geholt, auf das wir sie heute stellen, Eltern wie Kinder wären als Eltern und Kinder gleichgestellt. Wir brächen zu anderen Ufern auf, an denen das bedingungslose Grundeinkommen schon auf uns wartet. Wir müssen nur wollen.

Sascha Liebermann

Woche des Grundeinkommens vom 15.-21. September

In der Woche vom 15.-21. September findet das erste Mal eine Woche des Grundeinkommens statt, die das Netzwerk Grundeinkommen ausgerufen hat:

„Mit der Woche des Grundeinkommens will das Netzwerk Grundeinkommen diesen Impuls durch zeitgleich internationale Aktivitäten stärken und öffentlich sichtbar machen. Unserem Aufruf haben sich die Grundeinkommensnetzwerke in der Schweiz und in Österreich spontan angeschlossen, positive Reaktionen gibt es auch vo unseren Partnern im globalen Grundeinkommens-Netzwerk BIEN (Basic Income Earth Network) von Schweden bis Südafrika“.

Zahlreiche Veranstaltungen in Deutschland sind von verschiedenen lokalen und regionalen Initiativen organisiert worden. Auch in der Schweiz und Österreich wird es Veranstaltungen geben. Eine Übersicht findet sich im Kalender des Forum Aktion Grundeinkommen (Seite stillgelegt) oder auch auf der Website der Woche des Grundeinkommens.

"Grundeinkommen" – ein Film von Enno Schmidt und Daniel Häni

Der Film von von Enno Schmidt und Daniel Häni wird an verschiedenen Orten vorgeführt. Am 17.9. ist Premiere in Basel im „Kult.Kino Atelier“. In vielen deutschen Städten wird er ebenfalls aufgeführt. Weitere Informationen finden Sie hier.

Zum Trailer geht es hier und das Heft zum Film gibt es hier.

Zu einer Besprechung des Films geht es hier, eine Ankündigung zur Premiere in Basel, zum Beitrag im Schweizer Radio DRS2.

"Wir brauchen härtere Maßnahmen" – Familienpolitik und Bevormundung

Unter diesem Titel äußert sich der Soziologe Hans Bertram in der taz vom 23. Juli dazu, dass nach wie vor viele Männer am Ernährermodell festhalten und die Möglichkeiten des Elterngelds nicht nutzen. Folglich bleibe die Hauptlast an den Frauen hängen. Im Interview wird allerdings erwähnt, dass viele Frauen mit dieser Aufteilung zufrieden seien und sich entsprechende Partner suchen. Sicher, wir wissen nicht, ob bei Verfügbarkeit von mehr Betreuungsplätzen nicht auch mehr Frauen ihren Beruf beibehalten würden, statt zuhause zu bleiben – das hängt von der Familienpolitik ab, die wir betreiben. Bis hierin würde Hans Bertram als Förderer von Selbstbestimmung gelten können, will er doch die Aufteilung der Verantwortung weitgehend den Eltern überlassen, zumindest an einer Stelle im Interview ist das zu lesen:

„Eine faire Arbeitsteilung hängt zunächst mal allein von dem Paar ab, wie es das untereinander aushandelt. Aber die Gesellschaft muss sicherstellen, dass sich dabei nicht immer der Stärkere durchsetzt. Das heißt, wir müssen dafür sorgen, dass Frauenberufe genauso gut bezahlt werden wie Männerberufe. Und wir müssen irgendwie sicherstellen, dass die Wertigkeit der Fürsorge für andere genauso wichtig ist wie der ökonomische Erfolg. Solange es unterschiedliche Gehälter und schlecht beleumundete Fürsorge gibt, ist ein fairer Aushandlungsprozess faktisch ausgeschlossen.“

Selbst aber, wenn diese Bedingungen gegeben wären, wäre es doch aber immer noch eine Entscheidung des Paares, wie es leben will, da ist der Mann nicht einfach „der Stärkere“.

In der Folge plädiert Hans Bertram dann auch für „härtere Maßnahmen“, um Väter zur Übernahme von mehr Verantwortung in der Familie zu bewegen, „sonst werden wir das mit ihnen [den Männern, SL] nie hinkriegen“. Es gilt also, sie zu erziehen. Damit stößt er ins selbe Horn, wie es in den vergangenen Jahren gang und gäbe war. Warum aber nicht auf Selbstbestimmung setzen, wie es das bedingungslose Grundeinkommen ermöglicht? Statt den Eltern vorzuschreiben, wie sie zu leben haben, sollten wir ihnen die Möglichkeiten geben, darüber selbst zu entscheiden. Wie Eltern mit der Verantwortung umgehen, ist doch zuallererst ihre Sache, solange das Kindeswohl nicht gefährdet ist. Wir sollten ihnen also Möglichkeiten geben, sich für das entscheiden zu können, was sie für vernünftig halten, vielleicht würden ja beide sogar für die Kinder zuhausebleiben wollen, wenn es möglich wäre. Dazu bedarf es aber u.a. eines Einkommens, und zwar eines bedingungslosen Grundeinkommens.

Stünde ein solches zur Verfügung, wäre die Verhandlungsmacht von Eltern auch gegenüber Arbeitgebern gestärkt. Diese würden dann um Mitarbeiter werben müssen, und auf diese Weise könnte manches erreicht werden.

Es ist bezeichnend für unsere politische Debatte, dass wir überwiegend zu dirigistischen Überlegungen greifen, wenn es darum geht, Veränderungen in Gang zu bringen. Immerzu soll den Bürgern vorgeschrieben werden, nach welchen Zielen sie zu streben haben. Solange wir diese Haltung nicht aufgeben, wird sich nichts in unserem Land zugunsten einer freiheitlicheren Politik ändern.

(Siehe auch die Kommentare zum Beitrag in der taz)

Sascha Liebermann

"Zwischenbilanz zum Grundeinkommen" – von Götz W. Werner

Unter diesem Titel ist ein Text von Götz W. Werner online gestellt worden. Er wird als Nachwort der Taschenbuchausgabe von „Einkommen für alle“ abgedruckt werden, die in diesem Herbst erscheinen soll. Der Text bietet einen Rückblick auf die Diskussion der vergangenen Jahre aus der Sicht des Verfassers, zeigt Veränderungen sowie Entwicklungen auf und nimmt zu manchen Vorurteilen Stellung.

Statuserhalt oder Gleichheit der Bürger?

Welche dieser Aufgaben ein System sozialer Sicherung erfüllen muss, diese Frage stellt sich seit der Agenda 2010, aber auch durch die Diskussion um ein bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) von neuem. Die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe unter der Regierung Schröder hat zwar einen Schritt dahin unternommen, die Gleichheit der Bürger als Prinzip sozialer Sicherung zu stärken, sie hat es aber auf eine Weise getan, die den Schritt nach vorne mit einem zurück verbindet. Zugleich ist das Arbeitslosengeld als Transferleistung, die im Verhältnis zum Erwerbseinkommen bezahlt wird, beibehalten worden. Konsequent ist dies, da sich die Sicherungssysteme am Erwerbsprinzip orientieren und nach wie vor einen deutlichen Unterscheid zwischen Erwerbstätigen und Nicht-Erwerbstätigen vollziehen, der bis in den Rentenanspruch hineinreicht. Ist aber diese Unterscheidung einem bürgerschaftlichen Gemeinwesen angemessen?

Diskutiert man z.B. mit Vertretern von Gewerkschaftern, dann richtet sich ein Einwand gegen das BGE der (Einkommens-) Gleichmacherei von Erwerbstätigen und Nicht-Erwerbstätigen, es geht hierbei vor allem um den relativ großen Abstand (für alle, die ein hohes Erwerbseinkommen beziehen) zwischen dem heutigen Arbeitslosengeld und einem BGE (1). Außerdem, ein weiterer Einwand, sei das BGE selbst in ausreichender Höhe etwa von 1000 € (Achtung Hausnummer) nicht hoch genug, um jemanden in die Lage zu versetzen, eine Stelle wegen schlechter Arbeitsbedingungen aufzugeben (2). Die Freiheitsversprechen, die BGE-Befürworter im Munde führen, werden also nicht erfüllt.
Aus Sicht eines BGEs aus dem Geiste einer die Bürger als Souverän anerkennenden Einkommensgarantie lässt sich hierzu folgendes erwidern.

  1. Welchen Lebensstandard oberhalb eines kulturellen Existenzminimums jemand erreichen will, ist eine private Entscheidung. Sie hat er auch als private Entscheidung zu verantworten. Wer also unter Bedingungen eines BGEs sich gegen eine Arbeitsstelle entscheidet, muss den Statusverlust in Kauf nehmen, der aufgrund der Differenz zwischen Erwerbseinkommen und BGE womöglich entsteht. Aber: Die Gewährung des BGEs pro Kopf, für Kinder und Erwachsene gleichermaßen, von der Wiege bis zur Bahre verändert die Lage. Denn selbst bei Statusverlust bleiben Freiräume erhalten, sofern das BGE ausreichend hoch ist. Selbst für Alleinlebende würde das BGE solche Freiräume erhalten.
  2. Ob jemand Freiräume, die ein BGE verschafft, nutzen wird, ob er also eine Stelle aufzugeben bereit ist, hängt auch davon ab, wie wichtig dem Einzelnen Freiheit und Selbstbestimmung auf der einen und Lebensstandardsicherung auf der anderen Seite sind. Wer Freiheit stärker gewichtet, wird auch bereit sein, einen etwaigen Statusverlust in Kauf zunehmen; wer hingegen Statussicherung für wichtiger erachtet, der wird auch widrige Arbeitsbedingungen womöglich akzeptieren, ganz gleich wieviele Freiräume er hat.

Mit der Diskussion um ein BGE sind also grundsätzliche Fragen aufgeworfen, die unser Selbstverständnis als Gemeinwesen betreffen. Das BGE in seinen Auswirkungen macht nicht, wie manche Gewerkschafter glauben, vor den Werkstoren halt. Da es Arbeitnehmern größere Verhandlungsmacht verleiht, wird es sich mittelbar auf die Arbeitsbedingungen sei es in Unternehmen, sei es in öffentlichen Einrichtungen auswirken. Wie sehr es sich auswirken wird, hängt von uns Bürgern ab – wie alles andere auch.

Sascha Liebermann

"Bringing UBI into the National Debate" – Vortrag von Sascha Liebermann

Anlässlich des 12. Kongresses des Basic Income Earth Networks in Dublin, vom 21.-22. Juni, hat Sascha Liebermann einen Vortrag über Erfahrungen in der Verbreitung der Idee eines Bedingungslosen Grundeinkommens in Deutschland berichtet. Aus der Sicht eines Aktivisten wird in dem Vortrag zuerst sehr knapp der gegenwärtige Stand der Debatte referiert; dann werden Anfangsprobleme geschildert, vor denen die Initiative vor 5 Jahren stand, welche Mittel zur Verbreitung hilfreich waren, wie in der Öffentlichkeit auf die Plakataktionen reagiert wurde und welche Einwände gegen ein BGE noch heute prominent sind. Der Vortrag enthält zahlreiche Fotos und steht zum Herunterladen bereit .



Freiheit und Selbstbestimmung statt bevormundender Integration – Replik auf Julian Nida-Rümelin

Der nachstehende Beitrag wurde der Frankfurter Rundschau zum Abdruck angeboten, die Redaktion hat ihn jedoch abgelehnt. Wir dokumentieren ihn in einer überarbeiteten Fassung an dieser Stelle.
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Eine „fundamentale Spaltung“ des Gemeinwesens befürchtet Julian Nida-Rümelin (Nida-Rümelin, Frankfurter Rundschau vom 5. Juni) durch die Einführung eines Bedingungslosen Grundeinkommens (BGE). Aus diesem Grund plädiert er für eine „Erneuerung der Idee der Arbeitsgesellschaft“, für eine „Integration durch Erwerbstätigkeit“. Er will also die Freiräume der Bürger zum Wohle unserer demokratischen Ordnung nicht maximieren, sondern auf ein bestimmtes Ziel kollektiv ausgerichtet sein lassen, das auch bislang dominiert: die Erwerbsverpflichtung. Damit wird aus der Bürgergemeinschaft eine von Werktätigen. Schon die Maxime „Integration durch Erwerbstätigkeit“ lässt aufhorchen. Sind wir als Bürger nicht immer schon integriert, Angehörige unseres Gemeinwesens und Souverän? Sind wir nicht Legitimationsquelle unserer politischen Ordnung und von daher ohnehin „integriert“? Es bedarf dazu keiner Erwerbsverpflichtung, die im Duktus von Nida-Rümelin zum Hilfs- und Fürsorgeprogramm für die Stärkung des Zusammenhalts wird. Statt einer solchen bevormundenden Integration, benötigen wir lediglich ein Einkommen, um auch auf Erwersarbeit verzichten zu können.

Was progressiv klingt und im Dienste der Bürger sein soll, setzt indes nur fort, woran unser Land krankt: dem Einzelnen vorschreiben zu wollen, wo er sich einzubringen hat. „Integration durch Erwerbstätigkeit“ heißt in aller Konsequenz auch, dass jegliches Engagement jenseits von Erwerbsarbeit eines zweiter oder dritter Klasse ist und auch bleiben soll. Bei allem Lob in Sonntagsreden für ehrenamtliches Engagement, bei allem Respekt vor der elterlichen Sorge für die Kinder – anerkannt wird dies nur, wenn zuerst Erwerbseinkommen erzielt worden ist. Nicht Freiheit und Selbstbestimmung stehen im Zentrum, sondern bevormundende Integration, bevormundend, weil das Ziel vorgeschrieben wird, wodurch sie erfolgen soll.

Wenn alle Bürger unseres Gemeinwesens (und davon abgeleitet alle Personen mit dauerhafter Aufenthaltsberechtigung) ein Bedingungsloses Grundeinkommen erhalten, dann kann von einer Spaltung gar keine Rede sein, vielmehr wird der Zusammenhalt mittelbar gefördert. Als Bürger – und nicht als Arbeitnehmer – werden die Bürger durch das BGE anerkannt. Der Volkssouverän ist grundlegender als der Zusammenhalt der Erwerbstätigen. Das BGE schafft Freiräume – stets vorausgesetzt, dass es hoch genug ist –, die in voller Verantwortung auch genutzt werden können. Schon heute überlassen wir es dem Einzelnen weitgehend, sein Leben in die Hand zu nehmen, das ist heute schon die Grundlage unserer demokratischen Ordnung. Das BGE allerdings erweitert diese Freiräume noch erheblich. Von der Freiheit Gebrauch machen muss aber niemand, es kann sehr wohl sein, dass sie ungenutzt bleibt. Wer nun darin einen Einwand erblickt, träumt davon, Freiheit „sicherzustellen“, ganz so wie manche meinen, die Erwerbsbetätigung könne sichergestellt werden – das ist nicht nur eine Illusion, sondern noch Ausdruck eines Kontrollbedürfnisses. Auch heute wird niemand einem Arbeitsplatz zugewiesen. Es könnte also Bürger geben, die nur vom bGE leben, weil das, wofür sie sich einsetzen, im Gütermarkt nicht den rechten Ort hat. Andere, die sich auch heute mit ihrem Beruf identifizieren, werden sicher weiter erwerbstätig sein, vielleicht aber auch sich selbständig machen, mit einem BGE im Rücken wäre das viel einfacher. Unterschiedliche Lebenspräferenzen haben mit Spaltung nichts zu tun, sie stehen für Vielfalt. Offenbar sind wir uns darüber noch nicht ausreichend klar geworden, wovon das Fortbestehen unseres Gemeinwesens abhängt: von der Loyalität der Bürger. Wo sie sich mit dem Gemeinwesen identifizieren können, werden sie sich auch einbringen, das belegt das umfangreiche ehrenamtliche Engagement. Wenn heute Resignation zunimmt, sollte uns das nicht wundern. Wer glaubt, durch das Anziehen der Daumenschrauben die Bürger zu mehr Loyalität bewegen zu können, irrt. Um ihre Gefolgschaft muss geworben werden, und zwar durch eine freiheitliche Politik.

Für uns als Gemeinwesen muss doch entscheidend sein, dass wir Bürger als Bürger – nicht als Erwerbstätige – auf gleicher Augenhöhe stehen, dazu leistet das BGE einen maßgeblichen Beitrag. Darüber hinaus verleiht es in jeder Lebenslage Verhandlungsmacht, denn mit einem Einkommen im Rücken, müssen keine faulen Kompromisse eingegangen werden. Das BGE als solches ist schon Ausdruck von Solidarität, da bedarf es keiner Appelle mehr.

Statt eines dirigistischen Elterngeldes, das Prämien auf Fürsorge für die Kinder aussetzt, würde ein bGE fördern, was immer Eltern tun: ob sie zuhause bleiben oder erwerbstätig sein wollen, das wäre in ihre Hände gelegt. Das BGE ist keine Prämie auf ein bestimmtes Handeln, es ist allenfalls eine Ermöglichungsprämie für Bürger, ohne vorzusehen, wozu sie genutzt werden soll.

All diese Freiheiten seien schön und gut, sagen die Kritiker. Sie verweisen auf Studien zum ehrenamtlichen Engagement, die angeblich belegen, dass es Menschen in unserer Mitte gibt, die sich gerade nicht engagieren. Zum einen wird es solche immer geben, ja, und? Zum anderen, und das ist entscheidend, müssen wir eine Politik für die Regel, nicht für die Ausnahme machen. Außerdem – und das ist genauso bekannt wie diese Studien – wissen wir, welch demotivierende Auswirkungen der Bezug von Transferleistungen hat: die Stigmatisierung leistet ganze Arbeit. Wer kann schon durch die Straßen laufen und sich damit brüsten, arbeitslos zu sein angesichts einer Vergötterung der Erwerbsverpflichtung? Was aber, wenn die Stigmatisierung durch ein BGE aufgehoben wird? Das lässt sich erahnen.

Alle Einwände gegen das BGE zeigen, womit wir hadern: Die Vorstellung aufzugeben, dass die Bürger bestimmte Lebensziele zu verfolgen haben. Dazu denken wir uns alle möglichen Programme aus, sie sind gut gemeint und kommen doch Erziehungsprogrammen gleich. Deswegen stellen sie die eigentliche Gefährdung unserer demokratischen Ordnung dar, sie nehmen uns Bürger als Bürger nicht ernst. Ein BGE hingegen macht ernst mit der Stellung der Bürger in unserer Demokratie: Es eröffnet ihnen Freiräume, gibt ihnen Verantwortung zurück und sichert sie zugleich ab. Selbstbestimmung und soziale Sicherung sind kein Gegensatz, wie oft behauptet wird. Ermöglichung statt fürsorgender Hinführung, das muss unsere Maxime sein. Erst wenn wir ihr folgen, werden wir die Bevormundung im Geiste hehrer Ziele aufgegeben haben. Das BGE ist ein Schritt dahin.

Sascha Liebermann