Das ist sie wieder von unerwarteter Seite: Wirtschaft als Beschäftigungspädagogik und Erziehungsanstalt

…so Christoph Keese in einem Interview mit dem Kurier (Österreich). Darin geht es in einer Passage auch um das Bedingungslose Grundeinkommen. Die Überleitung, die Johanna Hager von der Digitalisierung zum BGE nimmt, kommt etwas überraschend, da Keese das Thema gar nicht einführt, zumindest nicht direkt, allenfalls vermittelt, und zwar wegen etwaiger Folgen der Digitialisierung auf die Arbeitswelt. Hager fragt:

Hager: „Wer ist wir? Die Zivilgesellschaft, die Politik, die Medien?
Keese: Die Gesellschaft muss mehr in Bildung investieren. Sie muss sich darum kümmern, dass Menschen keinen Anschluss verlieren und aktiv darauf hinwirken, dass Kompetenzen erworben werden. Das passiert nicht von alleine. Nehmen wir als Beispiel den Lkw-Fahrer. Der sitzt 10 Stunden am Tag hinter dem Steuer. Der fährt die Autobahn zwischen Wien und Salzburg hin und her und wird bald keinen Job mehr haben, weil autonom fahrende Lkws das erledigen. Genau dieser Lkw-Fahrer sollte sich aber über digitale Entwicklungen informieren, weil sie sein Leben mehr beeinflussen, als ihm das jetzt bewusst ist.“

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"Als Steuerzahler sage ich da 'Gute Nacht'" – Grundeinkommen im ZDF Nachtstudio

In der Sendung vom 31. Januar, die sich mit der Agenda 2010 beschäftigte, kam das Grundeinkommen (ab Minute 49) kurz zur Sprache. Schon früher kam im Nachtstudio die Rede darauf, so in einer Sendung vom Mai 2007 mit Hans-Olaf Henkel und Götz W. Werner. Ein Mitschnitt der Passage der jüngsten Sendung, in der es Thema war, findet sich auch bei Youtube.

Zweierlei ist überraschend. Zum einen zeigen sich Hans Ulrich Jörges und Christoph Keese informiert, sie kennen die Diskussion um das bGE sowie darin vorgebrachte Argumente. Gleichwohl sind sie nicht auf der Höhe der Argumentation, wie sich an ihren Ausführungen zeigt – der Moderator, Volker Panzer, war da besser informiert. Aber festhalten können wir: als Journalist muss man sich offenbar damit beschäftigen. Ines Pohl (taz), die die Sprache auf das Grundeinkommen brachte und offenbar das bGE meinte, warf aber ebenfalls manches durcheinander – vielleicht ist das dem Gesprächsgedränge geschuldet. Sie hebt damit an, über das Grundeinkommen zu sprechen, kommt dann auf das Problem von Zuverdienst und Anrechnung von Schonvermögen zu sprechen, da müsse nachgebessert werden. Das kann sich allerdings nur auf die heutige Grundsicherung beziehen, denn mit dem bGE soll es ja weder eine Anrechnung von Zuverdienst noch von Vermögen geben.

Interessant ist, wie offen und unverstellt die Vorbehalte gegenüber dem bGE benannt werden. Christoph Keese bemüht sich sogleich, die mögliche Diskussion über das Menschenbild abzuwehren – um eine solche Frage gehe es nicht. Gleichwohl greift er sie dann auf, um festzustellen, wie es darum bestellt sei. Immer, so Keese, wenn der Staat „Geld auf die Tischkante“ lege, werde es abgeholt, und es werde mehr abgeholt, als entgegengenommen (siehe zu dieser Behauptung auch „Kostgänger des Staates“).
Wer ist der Staat, müssen wir uns fragen, wenn nicht die Bürger selbst?! Weshalb sollten sie nicht nehmen, was das Gemeinwesen bereithält, damit ihr Auskommen gesichert ist? Er unterstellte natürlich, dass damit nichts Vernünftiges angestellt werde, Belege für seine Thesen blieb er schuldig. Wer Leistungen erhält, so können wir nüchtern festhalten, macht damit ja etwas. Gibt er sie aus, zahlt er Steuern, auch heute schon, und der Staat erhält seinen Anteil. Spart er einen gewissen Teil, landen sie auf der Bank. Allerdings: wer Leistungen bezieht (ALG I und II, Sozialhilfe), dem bleibt wenig, wohl eher nichts zum Sparen. Darüber verlor Herr Keese kein Wort.
Ehrenamtliche Tätigkeit sei schön und gut – auch hier ist er offenbar über ihr Ausmaß in keiner Form informiert, dass z.B. viele Einrichtungen gar nicht bestehen könnten, wenn es die Ehrenamtlichen nicht gebe -, doch für den Staat(!) sei sozialversicherungspflichtige Beschäftigung entscheidend, sonst komme kein Geld in die Kasse. Das, so können wir hier sagen, liegt nicht am fehlenden Engagement der Bürger, sondern am Finanzierungsprinzip der Sicherungssysteme. Für den Staat, für das Gemeinwesen, ist Wertschöpfung entscheidend, nicht sind es Beschäftigungsverhältnisse. Den Beschäftigungssektor kann man künstlich aufblähen, indem man das Ehrenamt in ein Beschäftigungsverhältnis umwandelt. Was hätte die Gemeinschaft dadurch nun gewonnnen? Nur eine aufgemotzte Statistik, nicht aber Werte.

Hans Ulrich Jörges, der sich als kritischer Geist versteht, sei als Steuerzahler („als Steuerzahler sage ich da ‚Gute Nacht'“) nicht bereit, ein Grundeinkommen mitzufinanzieren, das bedingungslos gewährt werde. Es holten ohnehin die Falschen das Geld ab, so Jörges. Sind die Bürger im allgemeinen denn die Falschen, denn sie sollen das bGE ja erhalten (Volker Panzer warf an dieser Stelle zurecht ein, dass er, Jörges, es doch auch erhalte)? Diesen Zusammenhang hat er nicht begriffen und pflegt statt dessen das verbreitete Klischee von einem umfangreichen Missbrauch (auch eine solche Debatte gäbe es mit einem bGE ohnehin nicht). Zugleich hält er unausgesprochen am Bedürftigkeitsprinzip fest, denn nur es kennt ‚Richtige‘ und ‚ Falsche‘.
Selbst wenn ein bGE zum Sinken von Erwerbstätigkeit führte, so ein weiterer Einwand, wäre das nicht als solches ein Schaden, solange weiterhin Werte erzeugt würden – von ihnen hängt es ab, ob ein bGE möglich ist. Darüber hinaus wäre eine Reduktion der Erwerbstätigkeit zu begrüßen, wenn man bedenkt, wie sehr Familien unter dem Erwerbsdruck leiden.

Auf die vielfältigen Chancen, die ein bGE bietet, wurde kein Gedanke verschwendet, nur Ines Pohl äußerte sich hier aufgeschlossen.

Fazit: Wenn nun schon etablierte Journalisten sich des Vorschlags erwehren müssen, sind die Grundeinkommensbefürworter auf einem guten Weg.

Sascha Liebermann