„Die Debatte über die Sanktionen war überzogen“…

…ein sehr interessantes Interview mit der Leiterin des Frankfurter Jobcenters in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (Bezahlschranke). Sie sagt zwar nichts, was einen überraschen kann, wenn man sich mit der Materie ein wenig befasst hat, aber ihre Ausführungen sprechen aus Erfahrung, sind bodenständig und verklären nicht die Asymmetrie zwischen Jobcenter und Leistungsbezieher zu einem Verhältnis „auf Augenhöhe“.

Sie bedauert, dass das Bürgergeld in einer veränderten Variante zur Entscheidung steht, weil dem Jobcenter damit Möglichkeiten verloren gehen, auf Sanktionen zu Beginn zu verzichten. Sie erkennt darin dennoch eine neue Grundlage für ihr Handeln und hält es auch für wichtig „Menschen dauerhaft aus der Arbeitslosigkeit zu holen“, das sei „das richtige Ziel“. Hier ist sie der gängigen Deutung treu, als müssten sie herausgeholt werden, statt sie dort hinausgehen zu lassen, wenn sie es für richtig erachten.

Vollkommen klar sieht sie die Lage derer, mit denen das Jobcenter zu tun hat. Unter denjenigen, die das Jobcenter aufsuchen, sind Langzeitarbeitslose gemäß der Definition des Sozialgesetzbuches:

„Darunter sind viele Menschen, die schon sehr lange arbeitslos sind, viele Alleinerziehende, viele Ausländer, viele Geringqualifizierte ohne eine abgeschlos­sene Berufsausbildung. Neu hinzugekommen sind die Soloselbständigen, deren Einkommen in der Pandemie plötzlich wegbrach. Daneben gibt es nicht wenige, die Vollzeit arbeiten, aber ergänzend Grundsicherung beziehen, weil das Geld sonst für sie und ihre Familie nicht reicht.“

Ungeschminkt, von Arbeitsverweigerung, Hängematten usw. ist keine Rede. Und sie fährt fort:

„Da kommen oft mehrere Probleme zusammen: Ein großer Teil der Langzeitarbeitslosen hat Schulden oder eine schwere Erkrankung, zum Beispiel eine Suchtproblematik oder psychosoziale Nö­te. Auch eine fehlende Qualifizierung und mangelnde Motivation können eine Rolle spielen. Und manchmal ist es alles auf einmal. Dann haben die Menschen gar nicht den Kopf dafür frei, sich eine Arbeit zu suchen.“

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