„Grundeinkommen ins Fernsehen“ – Musterschreiben verfügbar

Anfang Oktober haben wir auf eine Aktion von ForMoreDemocracy2011 hingewiesen, der mit einem Einspielfilm dafür wirbt, das Bedingungslose Grundeinkommen in Talkshows hineinzutragen. Diese Aktion hat Karl-Heinz Blenk, von der BGE-Initiative Allgäu (Website bei Facebook) aufgegriffen und ein Musterschreiben entworfen, das an Fernseh- und Hörfunkredaktionen geschickt werden kann. Mit leichten Veränderungen lässt es sich allerdings für viele Aktionen verwenden.

Musterschreiben:

„Sehr geehrte…,

in Ihrer Talksendung werden vielfach aktuelle politische Themen diskutiert, die aufgrund der Komplexität unserer Gesellschaft immer nur ein Symptom unserer derzeitigen Gesellschaftspolitik betrachten. Die vielen Reformen zeigen, dass die politischen Systeme aus der Gründerzeit der Bundesrepublik trotz ihrer Umgestaltungen den heutigen gesellschaftlichen Anforderungen nicht mehr gewachsen sind und keinen Spielraum für grundsätzliche Veränderungen lassen. Wir müssen uns die Frage stellen, in welcher Gesellschaft wir leben wollen. In den politischen Diskussionen Ihrer Sendung klingt immer wieder durch, dass ein „weiter so“ nicht gehen kann. Aber eine entscheidende Lösung oder Idee zu einer gesellschaftlichen Veränderung, die uns zum Besseren führen kann, erhält kaum Raum.

Eine Möglichkeit, unser Gemeinwesen auf neue Beine zu stellen, bietet das bedingungslose Grundeinkommen. Dabei ist die materielle Absicherung der Existenzsicherung nur ein Randaspekt. Basis ist unser heutiges humanistisches Menschenbild, das auf Freiheit und Verantwortung baut. Ein Unterschied zur aktuellen Gesellschaft liegt in der systemischen Verankerung dieser Werte, die wir heute zwar vermissen, uns aber darüber meist nicht im Klaren sind. Das Grundeinkommen bietet nicht für alles eine Lösung, legt aber den wesentlichen Grundstein für ein respektvolles Zusammenleben, in dessen Mittelpunkt die Menschen und nicht die Märkte stehen. Das Thema wird – nicht erst seit der Piratenpartei – schon seit Jahren über alle Berufsstände und Parteien hinweg diskutiert. In der Schweiz wurde dieses Jahr dazu sogar eine Volksinitiative gestartet. Das zeigt, dass großes Interesse an gesellschaftlichen Veränderungen besteht und die Zeit mehr als reif ist, die Frage nach der grundsätzlichen Ausrichtung unserer Gesellschaft zu stellen. Konkret heißt das, wir gewähren allen einen großen Vertrauensvorschuss mit Freiräumen, die der Gesellschaft in vielen Facetten nur Vorteile bringen (das entsprechende Menschenbild vorausgesetzt). Die politischen und organisatorischen Strukturen für eine erfolgreiche Realisierung sind heute schon vorhanden.
Ich würde mich freuen, wenn Sie diesen Trend auch in Ihrer Sendung aufnehmen könnten und über die Diskussion in der Öffentlichkeit das Für und Wider einer Gesellschaftsreform anregen würden. Als Diskutanten zum Thema bedingungsloses Grundeinkommen kommen Personen wie Prof. Götz Werner, Dr. Sascha Liebermann, Unternehmer Daniel Häni, Filmemacher Enno Schmidt, Dipl.Kfm Ralf Welter (FH Aachen), Katja Kipping (MdB – Die Linke) und andere in Frage. Ich bedanke mich für Ihr Interesse und wünsche uns allen eine anregende Diskussion, die in einer nachhaltigen Politik mündet, die auch den folgenden Generationen ein Leben in Freiheit, Frieden, Gesundheit und Wohlstand ermöglicht.

Mit freundlichen Grüßen…“

Bürgergeld und Hartz IV – alles beim Alten

In der Phoenix-Runde vom 14. Oktober wurde über die Frage „Bürgergeld statt Hartz IV – Ist das sozial?“ diskutiert (Sendung als Videostream oder Podcast). Gäste waren Norbert Blüm, CDU (Ehem. Bundesarbeitsminister), Andreas Pinkwart, FDP (Stellv. Bundesvorsitzender), Michael Schlecht (ver.di, Bereichsleiter Wirtschaftspolitik, seine Sicht auf das bedingungslose Grundeinkommen) und Wolfgang Engler (Kultursoziologe). Was gibt es zu berichten? Deutlich wurde, wie sehr das FDP-Bürgergeld den Druck auf die Bürger, die es beziehen, erhöhen soll – die FDP will Hartz IV lediglich „unbürokratischer“ gestalten. Auch hält die FDP an der Statussicherung, auf die die Sicherungssysteme wie Arbeitslosengeld bislang ausgerichtet sind, beibehalten. Gekrönt wurden Andreas Pinkwarts Ausführungen durch den Spruch „Solidarität ist keine Einbahnstraße“ – den hätten Norbert Blüm und Michael Schlecht sofort unterschreiben können. Frühere Kommentare zur FDP im Bundestagswahlkampf siehe hier.

Wundern kann einen, wie ungenau Wolfgang Engler über das Grundeinkommen spricht, das er einfach mit einer Negativen Einkommensteuer gleichsetzt, die letztlich nur eine sehr liberale Form der Ersatzleistung darstellt. Früher schon hat er verlauten lassen, dass ein Grundeinkommen auf jeden Fall an eine Bildungsverpflichtung gekoppelt sein sollte. Einen Mindestlohn hält er für unabdingbar, denn er sei kein blauäugiger Grundeinkommensbefürworter. Ohne Mindestlohn geschehe, was Götz Werner vorhabe: Löhne durch den Arbeitgeber um das Grundeinkommen zu kürzen. Bitte, wie? Gewiss, Herr Werner hat sich schon missverständlich geäußert, doch in seinem Buch „Einkommen für alle“ (S. 100 f.) bleibt die Aushandlung der Löhne beiden Verhandlungsparteien aufgegeben. Von einer direkten Verrechnung auf Arbeitgeberseite ist keine Rede. Dass die Verfügbarkeit des Grundeinkommens zu jeder Zeit sich auf die Verhandlungen auswirkt, ist selbstverständlich. Außerdem: Weshalb, sofern das Grundeinkommen ausreichend hoch ist, soll der Arbeitnehmer nicht auch niedrige Löhne akzeptieren dürfen? Nieman wäre gezwungen, sich darauf einzulassen.

Wie sieht es mit Norbert Blüm und Michael Schlecht aus? Das alte Lied.

Blüm kann die Welt nur in Erwerbsarbeit denken. Zwar redet er auch von Erziehungsarbeit usw., doch wie soll die möglich sein, wenn es kein Grundeinkommen gibt? Und wie wird sie ohne Grundeinkommen davon befreit, nur zweite Wahl zu sein gegenüber der Erwerbsarbeit? Gar nicht. Weil das so ist, sind Erwerbstätige das Maß aller Dinge. Es sei eine Ungerechtigkeit, dass Erwerbstätige, die dreißig Jahre eingezahlt haben, nach einem Jahr ALG I denselben Status haben, wie jemand, der nie eingezahlt hat – Erwerbsfixierung und Statusdenken fallen zusammen. Wer nur Erwerbstätige kennt, kann auch „Teilhabe“ nur als Erwerbsteilhabe denken und erklärt dann, subsidiär solidarisch sei nur, wer versucht, sein Einkommen selbst zu erzielen. Eine verbreitete Darstellung, die mit dem Subsidiaritätsgedanken jedoch gar nichts zu tun hat.

Michael Schlecht fordert, was die Gewerkschaften schon lange fordern: Arbeit, Arbeit, Arbeit. Es werde einfach nicht genügend Arbeit angeboten, das müsse geändert werden. Es geht natürlich nur um Erwerbsarbeit. Für die Herrschaften gilt es mehr, Kinder gegen Bezahlung betreuen zu lassen, als selbst für sie zu sorgen. Was stört Michael Schlecht eigentlich an der ausgleichenden Wirkung des bedingungslosen Grundeinkommens, fragt man sich, wenn er sich vehement dagegen ausspricht, Unternehmen darin zu unterstützen, niedrige Löhne zahlen zu können? Hat er noch nicht davon gehört, dass, ganz gleich welche Kosten einem Unternehmen aufgebürdet werden, ganz gleich, welche Mindestlöhne eingeführt würden, sie ohnehin vor allem der Verbraucher tragen müsste?

Also, doch alles beim Alten, keine Denkbewegung, kein Fortkommen.

Sascha Liebermann