Irrwegige Begründungen für „so etwas wie ein Grundeinkommen“

Von Anerkennung der Bürger um ihrer selbst und des Gemeinwesens um seiner selbst willen, ist keine Silbe zu vernehmen. Die Begründungen, die Richard David Precht für das Grundeinkommen, vom BGE spricht er gar nicht, anführt, beziehen sich auf die Arbeitsmarktsituation. Damit bliebe das BGE jedoch eine Kompensationsleistung, wobei nicht einmal klar ist, ob er ein solches vor Augen hat (genauso wenig wie bei Jean-Claude Juncker oder dem früheren Bundespräsidenten Horst Köhler). Das wird in einem anderen Interview deutlich, wenn er Grundeinkommen und Bürgergeld in einem Atemzug nennt. Prognosen über die Entwicklung des Bedarfs an menschlicher Arbeitskraft sind immer provokant, aber letztlich genauso wenig tragfähig, wie alle Prognosen. Dass BGE in seiner systematischen Bedeutung ist davon jedoch ganz unabhängig. Ganz gleich wie sich das Arbeitsvolumen entwickelt (siehe „Geht der Gesellschaft die Arbeit aus?“), selbst wenn „Vollbeschäftigung“ wieder erreicht würde, wäre es in keiner Form hinfällig. Werden jedoch BGE und Arbeitsvolumen in einen Begründungszusammenhang gebracht, verliert das BGE gerade dann sein Existenzrecht, wenn das Arbeitsvolumen bzw. die Nachfrage nach Arbeitskraft wieder zunimmt. Hilft es der Diskussion weiter, wenn solch, wohlwollend ausgedrückt, missverständliche Argumente vorgebracht werden? Eher nicht.

Sascha Liebermann

Jean-Claude Juncker für ein Bedingungsloses Grundeinkommen?

Seitdem deutlich wurde, dass Jean-Claude Juncker zum Kommissionspräsident gewählt werden könnte, kursieren Hinweise auf seine Äußerungen zum Grundeinkommen aus dem Jahr 2006. War er damals tatsächlich Befürworter eines BGE? Was hat er genau gesagt? In dem Interview „Wir brauchen in Europa ein Grundeinkommen für alle“, das die Frankfurter Rundschau damals abdruckte, heißt es:

„…Frankfurter Rundschau: Welche Mindeststandards halten sie in der EU für unerlässlich?
Jean-Claude Juncker: Ein Grundeinkommen. Das heißt: Jeder, der in einem EU-Mitgliedsland wohnt, hat Anspruch auf ein Mindesteinkommen. Dieses muss natürlich nicht überall gleich sein. Brüssel kann nicht die Höhe festlegen, sollte aber prinzipielle Regeln für eine soziale Grundsicherung formulieren…“

Juncker kritisiert in den Ausführungen vor dieser Passage ganz offen die Entwicklung zu mehr befristeten Beschäftigungsverhältnissen und die Sorge der Arbeitnehmer, nicht mehr ausreichend Einkommen für das Auskommen ihrer Familien erzielen zu können. Doch, von einem BGE ist nicht die Rede, es geht um eine Grundsicherung, die – wie heute – bedarfsgeprüft sein könnte. Seine Ausführungen sind so allgemein, dass er sich die verschiedensten Ideen hineininterepretieren ließen.

Wie er, so sprach sich der ehemalige Bundespräsident Horst Köhler in 2005 ebenfalls für ein Grundeinkommen aus: „Wer nichts verdient, erhält eine Grundsicherung vom Staat“. Auch hier indes geht es nicht um ein BGE. Wo von Grundeinkommen die Rede ist, muss also genau hingesehen werden, was damit gemeint ist.

Sascha Liebermann