„Ein Grundeinkommen hilft allen“…

…so der SAP-Vorstand Bernd Leukert in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Auch er stellt den Zusammenhang zur „vierten industriellen Revolution“ her, der unter dem Stichwort Digitalisierung gerade durch die Medien gereicht wird. So weit, so gut. Näheres wird nicht ausgeführt, nicht zur Ausgestaltung und nicht dazu, was ein BGE möglich machen sollte. In der folgenden Passage sagt Leukert:

„…So weit zur Bestandsaufnahme. Was kann man nun tun?
Ich bin der Meinung, dass man die Bedingungen für ein faires Einkommen nicht der Wirtschaft überlassen sollte. Hier ist die Politik gefragt, den richtigen Rahmen zu setzen.
Bis hin zu einem bedingungslosen Grundeinkommen?
Ja, davon würden langfristig auch diejenigen profitieren, die weiterhin höhere Gehälter beziehen. Wenn wir an dieser Stelle nichts tun, droht die Gesellschaft auseinanderzubrechen.
Die Zukunft heißt also Einkommen ohne Arbeit?
Zum einen reden wir natürlich über sehr langfristige Entwicklungen. Zum anderen muss das System so strukturiert sein, dass man auch künftig noch gute Anreize hat, um etwas zu erreichen. Durch Arbeit. Vom Aufstieg mancher Volkswirtschaften im asiatischen Raum kann Europa sich einiges abschauen.“

Bemerkens- und bedenkenswert ist, dass er der die „Bedingungen für ein faires Einkommen nicht der Wirtschaft“ überlassen will. Denn, so kann angeschlossen werden, sie kann nicht für die Sicherung eines Mindesteinkommens sorgen, wenn dieses nicht auf Mitarbeiter beschränkt sein soll. Außerdem, ließe sich fragen, ob sie denn überhaupt für die Sicherung dieses Einkommens legitimiert wäre oder dies nicht Aufgabe eines Gemeinwesens ist, dafür zu sorgen. Das ist konsequent gedacht. Leukert fordert damit, die Funktion der Existenzsicherung von der des Lohnes zu trennen. Heute geschieht dies nur für den Fall, dass jemand erwerbslos ist in Gestalt des Arbeitslosengeldes I und II, der Sozialhilfe, der Rente und anderen Ersatzeinkommen (relativ zum Erwerb), wobei bei manchen dieser Leistungen die Arbeitgeber Teilbeiträge in die Versicherungen abführen.

Auch diejenigen, die höhere Gehälter bezögen, würden vom BGE profitieren, meint Leukert, ohne weiter auszuführen, was er im Sinn hat. Er könnte vieles damit meinen. Auf jeden Fall geht es ihm um Solidarität, denn er sieht die Gefahr, dass die „Gesellschaft“ aufgrund der technischen Entwicklungen und ihrer Folgen auseinanderbrechen könnte.

Wichtig ist nun der nächste Absatz, denn hier stößt man auf etwas, das in der gesamten Diskussion um Digitalisierung und Grundeinkommen dominiert. Das BGE wird vorwiegend als Ausgleichsmaßnahme für die Folgen der Digitalisierung betrachtet (siehe hier, hier und hier). So wurde und wird ja auch stets in der Debatte über das „Ende der Arbeit“ argumentiert. Wenn es nicht mehr genügend Erwerbsarbeitsplätze gäbe, dann bräuchte man ja…, was umgekehrt bedeutet: Wenn es wieder genügend Erwerbsarbeitplätze gibt, brauchen wir es nicht mehr. Leukert, wie andere auch  (siehe hier und hier) meint, wir „reden […] natürlich über sehr langfristige Entwicklungen“. Wenn das BGE erst dann zur Alternative wird, wenn diese Folgen tatsächlich eingetreten sind, dann hängt das eine vom anderen ab. Und damit steckt diese Diskussion in einer Engführung fest.

Das BGE ist hingegen von seinem Charakter her keine Reparaturmaßnahme. Seine Grundlage ist weitreichender und tiefgehender.  Das BGE hat sein eigenes Recht, weil es unsere demokratische Grundordnung mit ihrem Verständnis des Souveräns auf der einen und den Sozialstaat auf der anderen Seite in Einklang bringen würde, der bisher in einer arbeitsgesellschaftlichen Deutung gefangen ist.

Ja, aber müssen wir nicht auf die Digitalisierung eine Antwort haben, könnten nun eingewandt werden, und wäre das BGE nicht eine gute?

Durchaus wäre es eine, doch müssen wir uns vor Augen führen, wie wir wohl über Digitalisierung reden würden, wenn wir schon ein BGE hätten. Wir würden uns gründlich mit der Entwicklung befassen sowie offener und gelassener den Herausforderungen ins Auge sehen, statt das Schwinden von Arbeitsplätzen zu befürchten.

Sascha Liebermann