„Wer glaubt denn, dass man so den Anreiz in einer Gesellschaft lebendig erhalten kann“ – eine Debatte im ZDF

In einem neuen Sendeformat des ZDF, Die Debatte, wurde über Generationengerechtigkeit diskutiert. Die Konfrontation misslang insofern, als alle Teilnehmer sie nicht so führen wollten, wie das ZDF es gerne gehabt hätte, um einen Knaller zu erzeugen. Die Diskussion war sachlicher, als der Titel erwarten ließ (siehe auch die Besprechung von Frank Lübberding).

An zwei thematischen Aufhängern allerdings wurde es aufschlussreich: am Bedingungslosen Grundeinkommen und an der Frage, wer für die Politik des letzten Jahrzehnts verantwortlich ist. Die Sprache auf das BGE brachte die politische Geschäftsführerin der Piratenpartei, Katharina Nocun zu Beginn und dann noch einmal als Reaktion (ab Minute 50’45) auf Kurt Beck, Ministerpräsident von Rheinland Pfalz a.D. Becks Entgegnung auf das BGE war drastisch und symptomatisch (ab Minute 48’35): „…Wer glaubt denn, dass man so [mit einem „bedingungslosen Mindesteinkommen“ oberhalb der Armutsgrenze, unabhängig davon, ob man „‚was schafft oder nicht“, SL] den Anreiz in einer Gesellschaft lebendig halten kann, das geht nicht, sie werden sehen, sie werden sicher scheitern…“. Drastisch ist diese Äußerung, weil Beck unserer Demokratie damit attestiert, scheitern zu müssen, obwohl sie gerade darauf beruht, die Bürger als ihr Fundament bedingungslos anzuerkennen – ohne Anreiz. Die bedingungslose Verleihung der Rechte als Bürger bringt genau zum Ausdruck, wovon Beck meint, das es nicht gehe. Seine Einschätzung geht also an den wirklichen Verhältnissen vorbei, sie verhöhnt sie geradezu. Er steht mit ihr allerdings nicht allein, sie ist allerorten anzutreffen (siehe diesen Beitrag oder auch hier). Genau diese Haltung des Bilanzierens ist es, die unser Gemeinwesen als Solidarverband zugrunderichten kann, weil sie nicht unterscheidet zwischen Leistung und Gegenleistung in einem Handeln, das auf einen bestimmten Zweck gerichtet ist (z.B. Tausch von Gütern und Diensten) und einem Handeln, das seinen Zweck in sich selbst trägt: die Anerkennung des anderen um seiner selbst, also eines Tausches um des Tauschens willen. Damit ist unsere Misere genau benannt: es mangelt an einem Bewusstsein davon, ein Solidarverband von Bürgern zu sein, der an erster Stelle steht und seinen Zweck in sich hat. Alles andere kommt danach. In der Grundeinkommensdiskussion wird, auch von Befürwortern immer wieder darauf hingewiesen, dass doch volkswirtschaftlich für das BGE argumentiert werden sollte. Damit würde allerdings der hier benannte Zusammenhang wieder übergangen, für ein Gemeinwesen ist die Solidarität die führende Dimension. Das entspricht dem Primat des Politischen in der Gestaltung unserer Lebensverhältnisse.

Heiner Geißlers Einwand gegen das BGE (ab Minute 52) zeugt auch nicht gerade von Nachdenklichkeit. Der „Zahnarztgattin“ – wiederum ein typisches Beispiel – ein BGE bereitzustellen, dafür sei kein Konsens zu erreichen, deswegen solle dieses Thema beseitegelegt werden. Außerdem habe angeblich Götz W. Werner während einer Zugfahrt mit Geissler selbst Zweifel am BGE geäußert. Angesichts der vehementen Befürwortung des BGE durch Herrn Werner bis heute kann man diese Anekdote getrost als strategische Instrumentalisierung abtun. Durch die Bezugnahme wollte er dem Thema womöglich den Wind aus den Segeln nehmen. Geißlers Beispiel Zahnarztgattin wiederum lässt tief blicken. Er unterschlägt, dass auch für sie ein Grundfreibetrag in der Einkommensteuer gilt, der sich aus der Verpflichtung des Gemeinwesens ableitet, das Existenzminimum unversteuert zu lassen. Sie erhält also heute schon etwas (wenn sie selbst kein Einkommen hat, dann über das Ehegattensplitting), das sie nicht braucht und dennoch haben wir dafür einen Konsens, deswegen gibt es diesen Freibetrag ja. Ein BGE könnte ihn ersetzen, dann hätten wir statt eines Freibetrags eine Ausschüttung von Einkommen – so könnten gleichermaßen andere Leistungen in derselben Höhe durch ein BGE ersetzt werden. So wäre auch ein Anfang für das BGE gemacht, der direkt am Bestehenden anknüpft und es zugleich transformiert. Es ist also nur eine Frage, in welcher Form diese Existenzsicherung bereitgestellt werden soll, das ist strittig, nicht die Existenzsicherung als solche.

Was Geißlers Ausführungen in der obigen Passage zur Erwerbsquote (Erwerbstätige zu Erwerbspersonen, siehe auch Erwerbspersonen nach dem ILO-Konzept) betrifft, scheint die Zahl von 90 Prozent für die Schweiz erheblich zu hoch gegriffen. Das Schweizer Bundesamt für Statistik spricht für das Jahr 2011 von 82,8 Prozent. Teilzeiterwerbstätigkeit beträgt 33,7 Prozent, wodurch die hohe Erwerbsquote in einem anderen Licht erscheint. Bei der Betrachtung von Statistiken müssen stets die Definitionen der Datenerhebung berücksichtigt werden. So ist die Anzahl derer pro Jahrgang, die ein Studium aufnimmt, in der Schweiz geringer als in Deutschland. Außerdem gibt es in der Schweiz nur vier Monate bezahlte Elternzeit, auch das wirkt sich auf die Daten aus. Davon ganz abgesehen ist die Steigerung der Erwerbsquote kein Selbstzweck. Gerade das Ziel einer Steigerung ist es, das Eltern dazu drängt, weniger lange für ihre Kinder zuhause zu bleiben.

Der andere thematische Aufhänger (ab Minute 32’19) ist die Frage nach der Verantwortung für die Politik der letzten Jahre. Frau Nocun und Herr Gründinger werfen diese Frage auf, erstaunlich sind vor allem die Entgegnungen von Herrn Beck. Er stellt heraus, dass selbst mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit gegen diesen Zeitgeist nichts zu machen gewesen sei. Nun, dann war dieser Zeitgeist eben auch in der SPD, was er offen hätte sagen können, denn sie hat wesentliche Entscheidungen dazu beigetragen, Stichwort Agenda 2010, Private Altersvorsorge usw. Auch kann man als Politiker diesen Zeitgeist kritisieren und muss ihn nicht mittragen. Dieses Opfer war Herrn Beck dann vielleicht zu groß. Zu all dem kein Wort von ihm. Als Kritiker der Folgen dieser Agenda ist er bislang auch nicht aufgefallen. Seine oben zitierte Äußerung passt vielmehr in die Geisteshaltung der Bilanzzieher und Aktivierer. Heiner Geißler benennt am ehesten noch Ross und Reiter, verschont aber die Entscheidungsträger – auch aus seiner Partei – und kritisiert „Professoren“, als seien sie diejenigen gewesen, die Entscheidungen getroffen hätten. Eine sonderbares Ausweichmanöver, denn Berater beraten, Entscheidungen treffen Amtsinhaber und Mandatsträger.

Sascha Liebermann

„Wir könnten auch anders“ – Film im ZDF

„Wir könnten auch anders“, dieser Film wird im ZDF in der Reihe Das kleine Fernsehspiel gezeigt. Sendetermine: Montag 17.12.2012, 00:30 – 02:00 und sieben Tage in der Mediathek.

Aus der Ankündigung: Eine Reise ins Jenseits des Wachstums. Regionen und Gesellschaft im Umbruch. Begegnungen mit Menschen, die Zukunft gestalten wollen. In eindrücklichen Bildern erzählt der essayistische Dokumentarfilm von vielen kleinen Aufbrüchen, die Großes bewirken wollen: Bürgermeister finanzieren mit Windrädern den Kindergarten. Eine Kooperative initiiert regionale Saatgutbörsen. Streetworker stärken Kinder in abseitigen Stadtquartieren. Ein Verein erweckt in leeren Häusern neues Leben.
Engagierte Akteure präsentieren Ideen und Projekte, die der politischen Phantasie Flügel verleihen könnten: von Bürgerhaushalt bis Grundeinkommen und der Wiederkehr der Gemeingüter. Ein vielstimmiges Mosaik über Lebenswirklichkeiten in strukturschwachen Regionen, über Zivilengagement, Selbstorganisation und Möglichkeiten der Teilhabe. Ein Dokumentarfilm entlang der Grenzlinien eines sozial-ökologischen Gesellschaftsumbaus als suchendes Plädoyer für eine „Politik des Kleinen“.“

„Leinen los“ in vielfacher Hinsicht für Susanne Wiest

Heute, 11.45 Uhr, startet die Bootsfahrt im Rahmen von „Ich kann Kanzler!“. Am 25. April, um 21 Uhr, werden die Kandidaten mit Bundestagsabgeordneten im Gespräch sein, und zwar in der Sendung „Log in“, bei ZDFneo. Im selben Programm ist Frau Wiest in das Magazin Bambule eingeladen. Gesendet werden soll der Beitrag im Mai.

„Das Finale ist komplett – Grundeinkommen im ZDF“

Susanne Wiest schreibt auf ihrer Website und zitiert die Webseite des ZDF:
„Das Finale ist komplett! Susanne Wiest setzt sich im Online-Wahlkampf durch
….
Nach der Jury-Auswahl von vier Finalisten gingen elf weitere Kandidaten knapp drei Wochen in den Online-Wahlkampf und warben mit ihren Ideen um den direkten Einzug in die Show.
Wer ist die fünfte Finalistin?
Susanne Wiest war für die Netzgemeinde am überzeugendsten: Mit ihrem Wahlslogan „Bedingungsloses Grundeinkommen von Allen für Alle“ konnte die Greifswalderin im Netz punkten. ….“

Susanne Wiest – damit das Bedingungslose Grundeinkommen – bei „Ich kann Kanzler“

Susanne Wiest hat sich entschlossen, bei „Ich kann Kanzler“, einer Sendung des ZDF, mitzuwirken. Der Entscheidung ging ein Abwägen von Für und Wider voraus, dass Frau Wiest in ihrem Blog dokumentiert: Was meint Ihr? und Wie geht’s weiter?. Den Einzug ins „Halbfinale“ mit fünfzehn Kandidaten hat sie geschafft, nun steht die nächste Ausscheidungsrunde bevor. Fünf Kandidaten werden an der Endrunde teilnehmen.

Bei manch einem wird diese Sendung zwiespältige Gefühle hervorrufen. Es handelt sich ja nur um ein Spiel, aber aufgehängt an einer ernsthaften Sache: politischem Handeln. Wird letzteres dadurch nicht veralbert? Kann man sich vor der Vereinahmung durch die Selbstinszenierung des Fernsehens wirklich schützen, wenn man sich einmal in eine solche Sendung begeben hat? Das sind Bedenken, die auch Frau Wiest hatte. Um nicht vereinnahmt zu werden und Dinge zu tun, die man nicht tun will, ist besondere Aufmerksamkeit gefordert. Bei allen Bedenken könnte es, sollte Frau Wiest in die Endrunde gelangen, aber eine Möglichkeit sein, das Grundeinkommen anderen Menschen nahezubringen als denen, die zu öffentlichen Veranstaltungen kommen.

„Arm aber kreativ. Künstler am Existenzminimum“

Unter diesem Titel berichtete das ZDF-Magazin Aspekte (Sendung vom 11.11.2011) über die Schwierigkeiten, unter denen Künstler heute arbeiten. Wer über Künstler liest oder hört, begegnet darin meist denjenigen, die erfolgreich sind und sich aussuchen können, was sie demnächst tun wollen oder wo sie ein Engagement annehmen. Das gilt jedoch für den größten Teil nicht, der stets zwischen Engagement und Arbeitslosigkeit lebt, froh überhaupt Einkommen zu erzielen und meist nicht in der Lage, Angebote auszuschlagen, ganz wie die im Aspekte-Beitrag interviewten Künstler. Genauso verhält es sich – wenn auch wenig thematisiert – mit Profisportlern, auch Fußballern, und Wissenschaftlern. Wer es, das deutsche Wissenschaftssystem ist hier sehr rigide, nicht auf eine Professur schafft, muss sich meist von einem befristeten Vertrag zum nächsten hangeln. Die Sorgen von Schauspielern sind auch dem Bundesverband deutscher Film- und Fernsehschauspieler bekannt. Einer ihrer Vorsitzenden, Michael Brandner, sympathisiert mit dem Vorschlag eines Bedingungslosen Grundeinkommens. Was ein solches für das Kulturleben, für Kunst und Wissenschaft bedeuten könnte, haben wir hier aufzuzeigen versucht; besonders für die Universität hier. Siehe auch den Mitschnitt eines Vortrags dazu von Sascha Liebermann.